Frage an Bodo Ramelow bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

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Bodo Ramelow
DIE LINKE
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Frage von Julian H. •

Frage an Bodo Ramelow von Julian H. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Ramelow,

Sie betonen das Existenzrecht Israels, sind aber bei jeder Gelegenheit dagegen, dass sich Israel verteidigt. Auch haben Sie gegen den Einsatz der Bundeswehr zur Friedenssicherung gestimmt, obwohl der Einsatz auf bitten Israels und der rechtmäßigen Regierung des Libanons zustande kam.

Wie glauben Sie kann das Existenzrecht Israels, welches von Feinden umgeben ist, gesichert werden?

Mit freundlichen Grüßen
Ihr

Julian Hunneman

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Hunneman,

vielen Dank für Ihre Nachfrage, sie gibt mir die Möglichkeit zu einigen Erläuterungen: Deutschland muss seinen Beitrag dazu leisten, dass der Staat Israel in seiner Existenz durch nichts und niemanden in Frage gestellt wird. Und: Deutschland kann und soll zu Deeskalation und Vermittlung beitragen. Deutschlands Handeln in diesem Konflikt wird immer im Zusammenhang mit unserer historischen Verantwortung stehen – und wird auch international so gesehen werden. Deutscher Rassenwahn und deutscher Völkermord sind eine schwere Last unserer Vergangenheit und die Grundlage unserer heutigen Verantwortung dafür, dass sich solches niemals und nirgendwo wiederholen darf. Diese Einsicht beschreibt eine besondere Rolle Deutschlands in der Welt.
Im Bewusstsein unserer Vergangenheit müssen wir uns um einen nüchternen Standpunkt bemühen. Nur so bleiben wir unabhängig genug, um als Vermittler wirksam sein zu können. Aktive Waffenlieferungen Deutschlands in diese Krisenregion machen uns jedoch für jede Vermittlerrolle untauglich. Wir sind der Ansicht, dass Deutschland seinen Beitrag zur Sicherung Israels auf diplomatischem Weg leisten muss: durch die Unterstützung des Friedensprozesses bilateral und in internationalem Rahmen. Diese Position beinhaltet, dass wir jedwede Gewaltanwendung ablehnen, egal durch welche Seite sie begangen wird. Die Konfliktlinie läuft für uns weder zwischen „Befreiungsbewegung und Staatsterrorismus“ noch zwischen „Terrorismus und staatlicher Notwehr“. Für uns geht es um Gewalt oder Ächtung von Gewalt. Damit möchten wir der Position der Gewaltlosigkeit eine echte Perspektive geben.

Wir als Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag haben uns in jüngster Vergangenheit mehrfach intensiv damit auseinandergesetzt, wie wir unserer historischen Verantwortung und der Gewissenseinsicht gerecht werden, dass Gewalt keine Lösung ist.

Wir haben uns auf drei Prinzipien verständigt:

1. Den Primat des Existenzrechts Israels im Einklang mit dem Völkerrecht! Das Existenzrecht Israels in gesicherten und international anerkannten Grenzen, die durch das Völkerrecht beschrieben sind, ist unantastbar. Unser Ziel ist die Zwei-Staaten-Lösung, d.h. die Errichtung eines selbstständigen, freien und lebensfähigen, von Israel und der Staatengemeinschaft anerkannten Staates der Palästinenser, der souverän über sein Territorium verfügen kann. Veränderungen dieser Grenzen können nur durch gemeinsame Verträge der betreffenden Staaten vorgenommen werden.

2. Unrecht kann nicht durch Unrecht geheilt werden! Wir wenden uns gegen jede Form der Gewaltausübung, des Zwangs zur Flucht oder der Vertreibung. Gewalt kann und darf keine Option der Politik sein, denn Gewalt bringt immer neues Leid hervor und verringert die Chancen zur Aussöhnung. Diese Aussöhnung wollen wir erreichen: zwischen Israelis und Palästinensern, arabischen Christen und Drusen, jüdischen Siedlern und Anhängern der „Frieden jetzt“-Bewegung.

3. Wer diese beiden Prämissen akzeptiert, ist unser Gesprächspartner. Mit Staaten oder nichtsstaatlichen Organisationen, die das Recht von Israelis und Palästinensern auf ein friedliches Miteinander in zwei Staaten anzweifeln, in Abrede stellen oder sogar bekämpfen, werden wir nicht zusammenarbeiten. Wir müssen aber alles daran setzen, in solchen Kreisen unseren Standpunkt zu vertreten und für unsere Prinzipien zu werben.

Neben diesen 3 Prinzipien schlägt DIE LINKE konkret vor, unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen und ihres Generalsekretärs eine unbefristete internationale Friedenskonferenz – eine „Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit im Nahen Osten“ (KSZN) – in Berlin zu organisieren. Ziele dieser Konferenz sind:

• die Anerkennung des Existenzrechts Israels von allen Beteiligten mit völkerrechtlich verbindlich festgelegten und gesicherten Grenzen;

• die Schaffung eines palästinensischen Staates in völkerrechtlich, von allen Beteiligten anerkannten Grenzen, der wirtschaftlich und sozial lebensfähig ist;

• die Vereinbarung eines "Marshall-Planes" zur sozialen und ökonomischen Entwicklung insbesondere Libanons und Palästinas;

• eine Regelung über die Rechte palästinensischer Flüchtlinge;

• eine Regelung zwischen Israel und Syrien über die strittigen Grenzfragen und über die Rückgabe der Golanhöhen;

• eine Verständigung über einen Fahrplan zur zügigen Beendigung der Besetzung Iraks und Schritte zur Entmilitarisierung der Nahostregion, Abzug aller Massenvernichtungswaffen einschließlich der Ächtung aller Atomwaffen, die Verhinderung einer atomaren Rüstung des Iran und die Vereinbarung gegenseitiger und internationaler Sicherheitsgarantien für die Länder der Region.

Mit freundlichen Grüßen
Bodo Ramelow

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