Warum allgemeine Impfpflicht und Trennung Geimpft/Umgeimpft wg vermeintlicher Solidarität, wenn doch auch Geimpfte weiterhin ansteckend sein können ?

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Britta Haßelmann
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Frage von Christoph G. •

Warum allgemeine Impfpflicht und Trennung Geimpft/Umgeimpft wg vermeintlicher Solidarität, wenn doch auch Geimpfte weiterhin ansteckend sein können ?

Sehr geehrte Frau Haßelmann,
warum soll nun eine allg. Impfpflicht kommen (alle Parteien außer Teilen der FDP und der AfD haben ihre Meinung/Versprechen geändert), wenn doch der Impfstoff im Vgl. zu Masern wesentlich weniger und nur kurzfristiger wirksam ist ? Bei Masern (99% Wirksamkeit und 10 Jahre und länger) kann ich eine Kinder-Impfpflicht verstehen. Aber auch als Geimpfter verstehe ich die Spaltung der Gesellschaft nicht. Ein Treffen mit einem aktuell negativ getesteten Ungeimpften ist doch ungefährlicher als ein Treffen mit einem vor Monaten doppelt oder dreifach Geimpften. Das zeigt auch die Zahl von 60 Tsd. erkannten symptomatischen wöchentlichen Impfdurchbrüchen lt. RKI mit hoher Dunkelziffer. Ein heute Ungeimpfter hat sich doch 23 Monate vorsichtig und verantwortungsvoll verhalten, niemanden angesteckt und keine Hospitalisierung oder Todesfall verursacht. Wieso ist das unsolidarisch? Demgegenüber kann ein Pfleger aus Ischgl Corona ins Altenheim mitgebracht haben.

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Sehr geehrter Herr G.,

 

vielen Dank für Ihre Frage. Für eine Impfung gegen Corona gibt es sicher viele Gründe, aber einer sollte immer im Vordergrund stehen: Mit einem vollen Impfschutz ist man sehr zuverlässig vor schweren Erkrankungen geschützt und es ist weniger wahrscheinlich, andere anzustecken. In der Konsequenz bedeutet das aber auch, dass weniger Menschen in Krankenhäusern und Intensivstationen behandelt werden müssen und unser Gesundheitssystem vor Überlastung bewahrt wird. Davon profitieren alle Menschen.

 

Mit der Impfung steht uns ein Mittel im Kampf gegen die Pandemie zur Verfügung, dass wirkungsvoller ist als jene, die wir bisher einsetzen mussten: Kontaktbeschränkungen, Einschränkungen im öffentlichen Leben, Schließung öffentlicher Einrichtungen wie Restaurants, Theater, Kinos und vieles mehr. Aber die erreichte Impfquote reicht bisher nicht aus, um auf die anderen Maßnahmen zu verzichten. Mit Blick auf den Herbst und eine mögliche weitere Welle müssen wir also ernsthaft die Frage diskutieren, was schwerer wiegt: Eine Impfpflicht oder erneute gravierende Beschränkungen des öffentlichen Lebens. Dabei darf nicht übersehen werden, dass eine Impfpflicht einen gravierenden Eingriff in die Grundrechte darstellt. Über das Für und Wider muss offen in Gesellschaft und Politik debattiert werden.

 

Aus meiner Sicht handelt es sich wegen des tiefen Grundrechtseingriffs bei der Impfpflicht um eine schwierige Abwägung. Nach 2 Jahren Pandemie ist die Impflücke in der Bevölkerung aber immer noch groß, die Gefahr der Überlastung des Gesundheitswesens immer noch real und Kinder, Jugendliche und besonders schutzbedürftige Menschen brauchen unsere Solidarität. Das sind für mich gewichtige Argumente mich für eine allgemeine Impfpflicht auszusprechen.

 

Es ist aber auch wichtig, dass wir diese Debatte konstruktiv und faktenbasiert führen. Omikron ist für Geimpfte keineswegs ansteckender als für Ungeimpfte. (https://www.dw.com/de/faktencheck-ist-omikron-f%C3%BCr-geimpfte-ansteckender-als-f%C3%BCr-ungeimpfte/a-60351419) Die Impfungen schützen sehr gut, aber nicht zu 100%. Und mit zunehmender Impfquote steigt auch die Zahl der Impfdurchbrüche. Die Zahl ist darüber hinaus von der Zahl der aktiven Infektionsfälle abhängig. Die Annahme, ein Treffen mit einem getesteten Ungeimpften sei ungefährlicher als mit Menschen mit vollem Impfschutz ist ein Trugschluß. Auch Tests bieten keine hundertprozentige Sicherheit. Deshalb sind wir alle aufgefordert, weiter auf Vorsicht und Umsicht zu achten. In der Konsequenz bedeutet das: Ein Treffen mit getesteten Geimpften ist deutlich sicherer als mit getesteten Ungeimpften.

 

Mit freundlichen Grüßen

Britta Haßelmann MdB

 

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