Frage an Carsten Müller bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

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Carsten Müller
CDU
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Frage von Nicole R. •

Frage an Carsten Müller von Nicole R. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

1. Der Bundestag hat am 23. April 1996 und 14. März 2003 eine Resolution zu Tibet verabschiedet. Die erste enthielt konkrete Forderungen an die VR China bezüglich der Verbesserung der Menschenrechte und der Gewährung kultureller Autonomie.

Ist Ihre Fraktion bereit - auch in der Regierungsverantwortung - die Forderungen der ersten Resolution gegenüber der chinesischen Führung aufzugreifen, da bislang keine davon erfüllt worden ist?

2. Deutschland gehört zu denen wenigen Staaten der westlichen Welt, in denen der Dalai Lama noch nie von einem amtierenden Regierungschef empfangen worden ist. Wird Ihre Fraktion im Falle einer Regierungsverantwortung darauf drängen, dass dies Versäumnis endlich nachgeholt wird und der Dalai Lama nach der nächsten Wahl vom Regierungschef empfangen wird?

3. Die Interessen Tibets im deutschen Bundestag wurden während der letzten Legislaturperioden vom Tibet Gesprächskreis vertreten.

a] Wird sich Ihre Fraktion in der nächsten Legislaturperiode für die Einrichtung eines neuen Arbeitskreises Tibet stark machen?

b] Sehen Sie darüber hinaus Möglichkeiten, den Status und die Funktion eines solchen Arbeitskreises dadurch zu stärken, dass er zum Beispiel als Unterausschuss einem bestehenden Bundestagsausschuss angegliedert wird?

4. Die Verknüpfung von Menschen- und Völkerrechten mit Wirtschaftsbeziehungen wurde bislang als unerfüllbar abgelehnt. Halten Sie an diesem Grundsatz fest, oder können sie sich unter bestimmten Umständen - etwa bei besonders gravierenden Fällen von Menschenrechtsverletzungen - vorstellen, von dem Grundsatz abzuweichen?

5. Einer der besonders gravierenden Fälle von Menschenrechtsverletzungen ist das Schicksal des Panchen Lama, des zweithöchsten tibetischen Würdenträgers. Seit seiner Entführung durch die chinesischen Behörden im Mai 1995 hat ihn kein unabhängiger Augenzeuge mehr gesehen, sodass es keine verlässlichen Informationen über seinen Verbleib gibt.

a] Welche Möglichkeiten der Einflussnahme auf die chinesische Führung sehen Sie, um das Schweigen um den Panchen Lama zu brechen?

b] Sind Sie bereit in diesem Fall auch Wirtschaftssanktionen in Erwägung zu ziehen, um etwas über das Schicksal des Panchen Lama in Erfahrung zu bringen?

6. Bundeskanzler Schröder hat sich mit Nachdruck für eine Aufhebung des EU-Waffenembargos gegen die VR China eingesetzt. Welche Position vertritt Ihre Fraktion in der Frage? Sind Sie bereit, sich für den Fortbestand des Waffenembargos zu engagieren?

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Antwort von
CDU

zu 1. a)
Die beiden Anträge des Bundestags zur Situation der Menschenrechte in Tibet wurden von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion mit verfasst, in den Deutschen Bundestag eingebracht und in der entsprechenden Abstimmung unterstützt. An diesen Forderungen wird die Union weiterhin festhalten.

zu 1. b)
Die Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion im interfraktionellen Tibet-Arbeitskreis sowie im Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe haben immer wieder darauf hingewiesen, dass eine Antwort des chinesischen Volkskongresses aussteht, und zuletzt auch Bundestagspräsident Thierse vor seiner China-Reise im April dieses Jahres gebeten, gegenüber seinem chinesischen Kollegen dieses Thema anzusprechen. Bedauerlicherweise ist uns bisher keine Resonanz von Seiten des Volkskongresses auf diese parlamentarische Initiative bekannt geworden.

zu 2.)
Der Union steht es nicht zu, über Termine der zukünftigen Bundesregierung zu befinden.

Allerdings möchte ich darauf hinweisen, dass die Kanzlerkandidatin der Union, Frau Dr. Angela Merkel, am 17. Juni dieses Jahres in Berlin ein längeres Gespräch mit dem Dalai Lama geführt hat.

zu 3. a)
Die Union wird sich auch in der kommenden Legislaturperiode für die Einrichtung eines Arbeitskreises Tibet aussprechen. Seit seiner Gründung vor zehn Jahren hat der Arbeitskreis sich einen guten Ruf sowohl innerhalb des Deutschen Bundestags als auch in der interessierten Öffentlichkeit erarbeitet.

zu 3. b)
Dem Thema Tibet ist mehr gedient, wenn es bei dem interfraktionellen Arbeitskreis bleibt, der allen interessierten Abgeordneten offen steht. Bei der Schaffung eines Ausschusses oder Unterausschusses bestünde die Gefahr, dass sich nur noch eine kleine Zahl von Abgeordneten, nämlich die Mitglieder, mit diesem Thema beschäftigen. Außerdem sei darauf verwiesen, dass grundsätzlich die Arbeit eines Ausschusses, auch eines Unterausschusses, immer auch durch Parteipolitik geprägt ist und sich für ein Thema, bei dem interfraktionell Einigkeit besteht, nicht eignet. Darüber hinaus könnte dann mit gutem Recht auch für andere Länder, Regionen oder Themen zu menschenrechtspolitischen Problemen die Einrichtung eines entsprechenden Unterausschusses gefordert werden. Zudem müsste ein Unterausschuss auch mit entsprechenden administrativen Kapazitäten – also auch Personalstellen – versehen werden, um seinem formalen Charakter auch inhaltlich gerecht werden zu können.. Dies ist aber mit der Forderung nach Sparsamkeit, die die Politik auch an sich selbst richten muss, nicht vereinbar.

zu 4.)
Die Beziehungen zu anderen Ländern können nie ausschließlich nach einem Kriterium ausgerichtet werden. Dafür sind die außenpolitischen Beziehungen zu komplex. Die Union tritt daher für eine bessere Kohärenz der Menschenrechts-, Entwicklungs-, Außen-, Sicherheits- und Außenwirtschaftspolitik ein. D.h. neben der Lage der Menschenrechte müssen auch sicherheits- und umweltpolitische Aspekte, Fragen der Wissenschafts- und Wirtschaftskooperation oder auch eventuelle intensive Kontakte weiter Teile der Bevölkerung mit in Erwägung gezogen werden.

Eine Verknüpfung von Menschenrechten mit den Wirtschaftsbeziehungen sind im Hinblick auf China aber zumindest in ausgewählten `Produktbereichen´ möglich und nötig. Daher hat beispielsweise die damalige unionsgeführte Bundesregierung nach der blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking 1989 die Einführung eines Waffenembargos der EU gegenüber China unterstützt. Die Union bleibt bei ihrer Haltung und vertritt dezidiert eine andere Meinung als Bundeskanzler Schröder, der sich vehement für die Aufhebung des EU-Waffenembargos gegenüber China ausspricht. Die nachfolgende gemeinsame Erklärung der CDU-Bundesfachausschussvorsitzenden Armin Laschet MdEP und Elmar Brok MdEP, vom 21. März dieses Jahres gibt die Position der Union klar wieder:

„EU-Waffenembargo gegenüber China nicht aufheben

Erklärung der Vorsitzenden der CDU-Bundesfachausschüsse Internationale Zusammenarbeit und Menschenrechte unter der Leitung von Armin Laschet MdEP sowie Europapolitik unter der Leitung von Elmar Brok MdEP MdB vom 21. März 2005:

Bundeskanzler Schröder spricht sich weiterhin für eine Aufhebung des EU-Waffenembargos gegenüber der Volksrepublik China aus. Erstmals im Dezember 2003 hat Schröder in China diese Forderung erhoben, ohne sich vorher mit den europäischen Partnern abzustimmen. Schröder stört sich auch nicht an einem Beschluss des Deutschen Bundestages vom Oktober 2004, in dem das Parlament Voraussetzungen für eine Aufhebung des EU-Waffenembargos aufgestellt hat, die nach Ansicht führender Politiker der Regierungskoalition nicht erfüllt sind. Damit zeigt Schröder einmal mehr, dass die im rot-grünen Koalitionsvertrag postulierte zentrale Bedeutung der „weltweiten Durchsetzung von Menschenrechten“ für ihn lediglich ein Lippenbekenntnis oder „Gedöns“ sind.

Die CDU fordert, das EU-Waffenembargo gegenüber China beizubehalten.

Hierfür sprechen mehrere Gründe:

Das Waffenembargo wurde 1989 erlassen, nachdem auf dem Platz des Himmlischen Friedens die Protest- und Demokratiebewegung in der Volksrepublik China gewaltsam niedergeschlagen worden ist. Es war als ein eindeutiges politisches Signal an die Führung der Volksrepublik China gedacht. Seitdem hat sich die Menschenrechtslage in der Volksrepublik China nicht derart gebessert, dass die Signalwirkung einer Aufhebung gerechtfertigt wäre. Nach wie vor sind die verurteilten Tiananmen-Demonstranten in Haft, religiöse und ethnische Minderheiten sowie Oppositionelle werden weiter diskriminiert und verfolgt, die Todesstrafe wird öfter vollstreckt als in jedem anderen Land der Welt. Ebenso wird der Wunsch der Tibeter nach kultureller Autonomie gewaltsam unterdrückt.

Auch unter sicherheitspolitischen Gesichtspunkten wäre eine Aufhebung in dieser Zeit ein verheerendes Signal. Am 14. März 2005 hat der chinesische Nationale Volkskongress ein Gesetz verabschiedet, in dem Taiwan mit „nichtfriedlichen Mitteln“ gedroht wird, falls sich die Insel, die von der Volksrepublik China als abtrünnige Provinz angesehen wird, für unabhängig erklären sollte. Die Erklärung des chinesischen Ministerpräsidenten Wen Jiabao, das Gesetz solle lediglich die friedliche Wiedervereinigung der Volksrepublik Chinas und Taiwans fördern, ist unglaubwürdig. Es hat bereits die Spannungen an der Straße von Taiwan erhöht. Dieses Antisezessionsgesetz will einschüchtern und ist in Wahrheit ein Kriegsermächtigungsgesetz.

Die Volksrepublik China erhöht ihren Verteidigungsetat seit mehreren Jahren jährlich offiziell im zweistelligen Prozentbereich. Das Land, das nicht zuletzt aufgrund seiner Verfügung über Atomwaffen keinen Angriff von Außen zu befürchten braucht, rüstet – nicht zuletzt im maritimen Bereich – massiv auf. Angesichts des Antisezessionsgesetzes stellt sich mit Nachdruck die Frage, welche Ziele China mit dieser Aufrüstung verfolgt.

Die Vereinigten Staaten von Amerika, enger Verbündeter der Bundesrepublik Deutschland, sind seit Jahrzehnten Garant für Stabilität im Fernen Osten und nicht zuletzt für die territoriale Integrität Taiwans, aber auch Japans und Südkoreas. Die Möglichkeit, dass amerikanische Soldaten, die die Sicherheit Taiwans vor einer gewaltsamen Wiedervereinigung mit der Volksrepublik China gewährleisten sollen, mit Waffen, die aus europäischer Produktion stammten bzw. mit Hilfe europäischer Technologie entwickelt worden wären, angegriffen würden, ist inakzeptabel. Die amerikanische Verärgerung über die Pläne der rot-grünen Bundesregierung, das Waffenembargo gegenüber der Volksrepublik China aufzuheben, ist verständlich. Wer, wie die Bundesrepublik Deutschland, über Jahrzehnte die militärische Stärke der Vereinigten Staaten als Schutzmacht in Anspruch genommen hat und noch immer in Anspruch nimmt, darf die Soldaten des Verbündeten nicht durch eigene Waffen gefährden.

Das von Befürwortern der Aufhebung des EU-Waffenembargos vorgebrachte Argument, die Aufhebung des Waffenembargos würde keinerlei Veränderung der Situation zur Folge haben, weil dann der `strenge´ europäische Verhaltenskodex für Rüstungsexporte greifen würde, geht fehl. Erstens missachtet es die politische Signalwirkung. Zweitens stellt sich die Frage, warum dann überhaupt eine Aufhebung des Waffenembargos angestrebt wird. Drittens ist der europäische Verhaltenskodex eben noch nicht ausreichend streng gefasst. Nicht zuletzt entfaltet er keine rechtliche Bindungswirkung.

Die Aufhebung des EU-Waffenembargos steht im Widerspruch zu den selbst erklärten Zielen rot-grüner Menschenrechtspolitik, zu den Zielen einer vorausschauenden, auf langfristige Stabilität abzielenden Außenpolitik und nicht zuletzt zu dem Interesse an einer funktionierenden transatlantischen Partnerschaft. Diese Ziele wiegen schwerer als vermeintliche wirtschaftliche Vorteile durch Exporte nach China. Wer – wie Gerhard Schröder – eine globale Rolle für die EU fordert, sollte auch strategisch verantwortungsvoll handeln. Davon aber ist Gerhard Schröder weit entfernt. Eine strategische Vision für den fernöstlichen Raum und eine Konzeption für einen effektiveren Rechtsstaatsdialog fehlen der rot-grünen Bundesregierung.

Die CDU fordert,

dass sich die Bundesregierung in den europäischen Institutionen und insbesondere auf den Europäischen Räten am 22./23. März und 16./17. Juni 2005 dafür einsetzt, dass das EU-Waffenembargo gegenüber der Volksrepublik China nicht aufgehoben wird.“

zu 5 a)
Die Situation des Panchen Lama muss bei allen Gesprächen immer wieder thematisiert werden. So ist die Lage der Menschenrechte in der VR China und speziell in Tibet schon seit vielen Jahren eines der Schwerpunktthemen der AG Menschenrechte und Humanitäre Hilfe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Sie können versichert sein, dass wir weiterhin die Entwicklung in Tibet und die Menschenrechtslage in der Volksrepublik China – gerade auch im Vorfeld der Olympischen Spiele – sehr genau beobachten und immer unsere Stimme erheben, wenn gegen die Menschenrechte verstoßen wird. Doch nicht allein das Schicksal des Panchen Lama muss immer wieder bei Kontakten mit chinesischen Politikern und Diplomaten angesprochen werden, sondern auch die Unterdrückung jeglicher kulturellen und religiösen Identität der Tibeter, die Inhaftierung von Nonnen und Mönchen, die Folter in den Gefängnissen, die Zerstörung der Umwelt sowie die gezielte Sinisierungspolitik auf Kosten der tibetischen Kultur.

zu 5. b)
Sie weisen selbst darauf hin, dass die chinesische Führung jede Auskunft über das Schicksal von Gedhun Choekyi Nyima, des vom Dalai Lama erkannten Panchen Lama, verweigert. Wirtschaftssanktionen werden an dieser Haltung nichts ändern. Ich möchte vielmehr zu bedenken geben, dass ökonomische Kontakte in den Beziehungen zu etlichen Staaten die einzige Möglichkeit der Einwirkung sind. Der Begriff „Wandel durch Handel“ darf nicht als Legitimation für willfähriges Handeln gegenüber Diktaturen missverstanden werden, doch können wir zugleich nicht die Augen davor verschließen, dass oftmals der Handel für viele Bürger in Diktaturen die einzige Möglichkeit ist, mit Bürgern anderer Länder in Kontakt zu kommen. Auch für die Volksrepublik China besteht die Hoffnung, dass die immer weiter voranschreitende Durchsetzung einer Wirtschaftsordnung, die sich in weiten Teilen an einer freiheitlichen Marktwirtschaft orientiert und die über viele internationale Kontakte verfügt, letztlich nicht ohne Einfluss auf das politische System sein wird.

zu 6.)

Ich verweise auf die Antwort zur Frage 4.

Mit freundlichen Grüßen,
Carsten Müller

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