Frage an Carsten Träger bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben

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Carsten Träger
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Frage von Charles D. •

Frage an Carsten Träger von Charles D. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben

Sehr geehrter Hr. Dr. Schmidt,
es mehren sich die Stimmen, die für die Zukunft massive finanzielle Probleme für die Bundesrepublik Deutschland befürchten. Vor diesem Hintergrund bitte ich Sie um Stellungnahme zu folgenden Punkten:
- DE darf auf keinen Fall einer Vergemeinschaftung der EU-Schulden zustimmen, unter welchem Etikett (Euro-Bond, Corona-Bond etc.) auch immer
- Der EU-Haushalt darf nicht erhöht werden, insbesondere nicht zu Lasten DE
- Alle Aufenthaltstitel von bei uns lebenden Migranten sind unverzüglich daraufhin zu überprüfen, ob noch ein Asyl- bzw. Fluchtgrund vorliegt
- unverzüglich die Ausreise der bei uns lebenden rd. 200.000 ausreisepflichtigen Migranten zu erzwingen (Quelle: https://www.tagesschau.de/inland/hintergrund-ausreisepflichtige-101.html)
- den Familiennachzug sofort und vollständig stoppen
- keine Aufnahme weiterer Migranten.
Für eine Antwort bedanke ich mich im Voraus.
C. N.

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Sehr geehrter Herr Dr. Niehte,

danke für Ihre Fragen, die ich gerne beantworte, auch wenn ich das nicht im Namen meine Wahlkreiskollege Christian Schmidt tun kann. Ich antworte gerne aus meiner persönlichen Sicht auf Ihre Fragen.

Meiner Meinung nach wird selbst das entschlossenste Handeln der Nationalstaaten nicht ausreichen, um die gesundheitspolitischen, ökonomischen, gesellschaftlichen sowie außen- und sicherheitspolitischen Folgen der Krise für Europa und die Weltgemeinschaft zu bewältigen. Nur durch europäische und internationale Solidarität lässt sich die Krise nachhaltig bekämpfen und Rückfälle vermeiden.
Die Mitgliedsstaaten und die Europäischen Institutionen haben bereits früh mit wichtigen Entscheidungen auf die Krise reagiert. So wurde den Mitgliedstaaten umgehend Liquidität aus dem EU-Haushalt zur Verfügung gestellt, um hierdurch EU-Projekte in den Mitgliedstaaten im Umfang von 37 Milliarden Euro zu finanzieren. Auch sollen die Mittel aus den EU-Struktur- und Kohäsionsfonds schneller genutzt werden können. Die Kommission hat darüber hinaus vorgeschlagen, das Notfallinstrument (ESI) zu aktivieren, mit dessen Hilfe medizinische Ausrüstung für Mitgliedstaaten in Not beschafft werden kann. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ein spezielles Anleihekaufprogramm für Staats- und Unternehmensanleihen (Pandemic emergency purchase programme, PEPP) i.H.v. 750 Milliarden Euro aufgelegt. Europas gemeinsame Aufgabe ist es jetzt, die bestehenden nationalen Programme zu flankieren, Lücken zu füllen und ein Sicherheitsnetz für alle EU-Staaten zu spannen, die weitere Unterstützung benötigen. Mit dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) steht bereits ein starkes und schnell einsetzbares Instrument für die Krisenreaktion zur Verfügung, das auch flexibel eingesetzt werden kann. Damit ist es schon heute möglich, dass die Euroländer gemeinsam und zu den gleichen günstigen Konditionen Geld aufnehmen können.

Die Bundesregierung unterstützt auch ein stärkeres Engagement der Europäischen Investitionsbank (EIB), um die Kreditvergabe in Europa zu stärken und so kleine und mittelständische Unternehmen in Mitgliedsstaaten mit Liquidität zu versorgen. Ein paneuropäischer Garantiefonds könnte dazu dienen, das Kreditrisiko abzusichern, damit Brückenfinanzierungen, längere Kreditlaufzeiten und neue Kredite möglich werden. Die Europäische Kommission hat am 2. April darüber hinaus einen Vorschlag für ein zeitlich begrenztes Notfallinstrument zur Unterstützung von Maßnahmen für Kurzarbeit (SURE) im Umfang von bis zu 100 Milliarden Euro vorgelegt. Daneben werden auch auf europäischer Ebene alle Möglichkeiten genutzt, um flexibel mit den bestehenden Regelungen umzugehen. Das gilt zum Beispiel für das Beihilferecht, das temporär gelockert wurde, um die nationalen Hilfsmaßnahmen zu ermöglichen. Und auch bei den Anforderungen an die Finanzinstitutionen sowie den allgemeinen Fiskalregeln wird der bestehende Rahmen für flexible Anwendungen voll ausgenutzt. Schließlich wird bei der Beschaffung von Schutzausrüstung und Beatmungsgeräten ein gemeinsames europäisches Vorgehen vorangetrieben (rescEU).

Deutschland unterstützt seine europäischen Partner auch bilateral. Bereits 198 Intensivpatientinnen und -patienten aus Italien, Frankreich und den Niederlanden in der Bundesrepublik wurden und werden in Deutschland behandelt. Zusätzlich wurden medizinische Hilfsgüter nach Italien geliefert, deutsche Ärzteteams helfen an Kliniken und Norditalien und Spanien. Bei den Rückholflügen des Auswärtigen Amtes wurden bis zu 3.000 Staatsbürger anderer EU Mitgliedstaaten mit ausgeflogen.
Ich halte dieses gemeinsame und solidarische Vorgehen nicht nur für nachhaltig und ökonomisch sinnvoll, sondern vor allem für ein Gebot der tätigen Solidarität oder wenn sie so wollen der christlichen Nächstenliebe.

Auch geflüchtete Menschen tragen in Deutschland zu unserem gleichbleibend guten Leben bei. Auch Ihren Vorschlag einer restriktiven Migrationspolitik unterstütze ich gerade in diesen schwierigen Zeiten ausdrücklich nicht. Er ist falsch und auch menschlich beklagenswert, dieser Gruppe von Mitmenschen nun auch noch die Schuld an der Coronakrise zuzuweisen. Auch ökonomisch angesichts der demographischen Entwicklung halte ich es für grob fahrlässig die Ausreise potentieller Arbeitskräfte „zu erzwingen“. So war am Jahresende 2018 jeder dritte bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) registrierte Bewerber mit Migrationshintergrund in einer betrieblichen Berufsausbildung – im Vergleich zu knapp der Hälfte der Bewerber ohne Migrationshintergrund (48 %). Im September 2019 waren laut BA bereits 431.000 Personen aus den Asyl-Hauptherkunftsländern in Deutschland beschäftigt. 357.000 davon sozialversicherungspflichtig.

Ich bin der festen Überzeugung, dass Menschen nicht freiwillig fliehen. Ihnen das Recht abzusprechen von Umständen zu fliehen, welche wir als Industrieländer größtenteils verursacht haben ist mindestens als doppelgesichtig zu bewerten.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Carsten Träger

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