Frage an Christa P. Meist bezüglich Soziale Sicherung

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Christa P. Meist
DIE LINKE
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Frage von Michael S. •

Frage an Christa P. Meist von Michael S. bezüglich Soziale Sicherung

Hallo Frau Meist,

wie stehen Sie dazu dass DIE LINKE sich zwar für Soziale Dinge einsetzt jedoch wenn Sie wirklich in der Verantwortung steht genau das Gegenteil macht? Im Landesparlament von Berlin kann man ja deutlich sehen was passiert wenn DIE LINKE in der Regierungsverantwortung steht - Es werden massivste Sozialkürzungen durchgeführt.

Wie definiert DIE LINKE "hohes Vermögen" ?
Was ist unter "stärkere Belastung von Unternehmenseinkommen" zu verstehen?

Mit freundlichen Grüßen

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Spindler,

ohne die in Berlin in Folge der prekären Finanzsituation vollzogenen Kürzungen zu bagatellisieren, möchte ich zum Thema „Verantwortung“ ein paar grundlegende Sätze an den Anfang stellen: Laut Grundgesetz ist bei uns die Ausübung von Budgetrechten an parlamentarische Mehrheiten von Parteien gebunden.

Das Land Berlin wird von einer Koalition aus SPD und LINKEN regiert. Der für den Haushalt verantwortliche Herr heißt Thilo Sarrazin und gehört der SPD an. Er ist vor allem durch die Entwicklung von Speiseplänen für Hartz-IV-Empfänger und die Propagierung von Strickjacken als Mittel gegen steigende Energiepreise über Berlin hinaus bekannt geworden. Wie in anderen Koalitionen, ist es auch in Berlin nicht der Schwanz, der mit dem Hund wedelt, sondern – wie allgemein üblich – der Hund, der mit dem Schwanz wedelt.

Die desolate Haushaltsituation des Landes Berlin - die übrigens trotz der damaligen Berlinförderung auch schon vor der Wende bestand - ist allein von SPD und CDU zu verantworten, deren intriganter und in Teilen korrupter Filz über Jahrzehnte die Politik der Stadt/des Landes bestimmte. In dieser Situation hat auch die Berliner LINKE keine Lizenz zum Gelddrucken, sondern nur ein gewisses Gewicht in Haushaltsentscheidungen. Hinzu kommen seit dem Umzug von Parlament und Regierung nach Berlin `Hauptstadtaufgaben´ deren Finanzierung zum größten Teil von Berlin allein getragen werden muss, der Bund glänzt hier durch vornehme Zurückhaltung. Trotz der äußerst angespannten Haushaltssituation ist es der Berliner LINKEN in der Koalition gelungen einen Ausverkauf des Tafelsilbers wie in Bayern zu verhindern. In den Berliner Haushalt wurden beträchtliche Mittel für die Schulentwicklung hin zu einem flächendeckenden Angebot an Gemeinschaftsschulen mit kostenfreiem Ganztagesbetrieb eingestellt. Die öffentliche Verantwortung für die Krankenhäuser konnte erhalten werden. Für Bürgerinnen und Bürger mit geringem Einkommen wurde die Möglichkeit geschaffen, zu günstigsten Preisen die kulturellen Angebote der Stadt zu nutzen… Zu einer korrekten Bilanz gehören Passiva und Aktiva!

Da Sie nach meiner persönlichen Bewertung dieser Lage fragen: Ich halte es politisch nicht für sinnvoll, sich in einer solchen Situation an einer Regierung zu beteiligen. Leider hat es in Deutschland eine gewisse Tradition, dass die wirtschaftsfreundlichen Kräfte den Staatskarren an die Wand fahren und dann den Linken – vor vielen Jahren gehörte dazu ja noch die SPD – das Aufräumen und Reparieren überlassen. Diesem Automatismus würde ich mich verweigern. Wieder auf das Bild von Hund und Schwanz zurückgreifend: Regierungsverantwortung kommt für mich erst in Frage, wenn die Mehrheiten dazu reichen, `Hund´ zu sein. Wobei absolut klar ist, dass die Tätigkeit als `Hund´ damit verbunden sein muss, ernsthaft an der Macht der Konzerne zu kratzen, deren Gewinninteressen spätestens seit der Agenda 2010 des Herrn Schröder allein die finanz-, wirtschafts- und sozialpolitischen Entscheidungen des Parlaments bestimmen.

Sobald wir `Hund´ sind, werden wir uns sicher auch Gedanken darüber machen, ob große Vermögen bei 10 Millionen, 100 Millionen oder 1 Milliarde anfangen, wie private Einfamilienhäuschen – z.B. das von Herrn Zumwinkel am Gardasee - bewertet werden oder der Buchwert des Betriebsvermögens eines mittelständischen Handwerkers. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt fällt mir dazu nur ein ironischer alter Plakattext von Klaus Staeck ein: „Deutsche Arbeiter! Die SPD will Euch Eure Villen im Tessin wegnehmen.“ Dies war seinerzeit bei der SPD und ist auch bei den LINKEN nicht zu befürchten. Ich zitiere an dieser Stelle Gregor Gysi: „Wir haben nichts gegen Millionäre, wir haben etwas gegen Armut. Gar nichts haben wir gegen Millionäre, die gegen Armut sind.“

Stärkere Besteuerung von Unternehmenseinkommen heißt: Besteuerung z.B. des Wertzuwachses von Aktien, sobald dieser Wert durch einen Verkauf realisiert wird; höhere Steuern auf den Gewinn von Kapitalgesellschaften; Börsenumsatzsteuer; …

Es war in unserem Land schon immer eine sehr erfolgreiche Strategie der Wirtschaftsverbände, den kleinen Gewerbetreibenden, den mittelständischen Einzelunternehmern einzureden, linke Politik gefährde ihre lächerliche Altersrücklage in Form des Häuschens, der paar `Bundesschätzchen´ im Bankdepot oder der hohen Kapitallebensversicherung. Diese Strategie ist deshalb so erfolgreich, weil viele Menschen sich gerne für größer halten als sie sind. Wer als Einzelunternehmer gezwungen ist, die Belegschaft für ALDI zu Dumpingpreisen elektrische Zahnbürsten montieren zu lassen, der mag sich für einen Unternehmer halten, vielleicht sogar für einen reichen Unternehmer, was er ist: (gut?) bezahlter Knecht von ALDI. Käme jemals ein Spieler der C-Klasse in der Kreisliga auf die Idee, seinen Verein oder sich selbst für gleichberechtigte und gleichwertige Kumpel von Real Madrid zu halten?