Frage an Christian Lange bezüglich Umwelt

Portrait von Christian Lange
Christian Lange
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Christian Lange zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Klaus D. •

Frage an Christian Lange von Klaus D. bezüglich Umwelt

Sehr geehrter Herr lange,

bei den Koalitionsverhandlungen hat die Arbeitsgruppe Energie ihre Ergebnisse vorgelegt – und auch wenn etliche Punkte noch umstritten sind: Die Energiewende ist in Gefahr geraten. Die Koalitionäre wollen alte Kohlekraftwerke am Netz halten, ein Klimaschutzgesetz ist umstritten und die Energiewende in Bürgerhand droht ausgebremst zu werden. Zugleich sollen sich zahlreiche Konzerne weiter um ihren Beitrag zum Ausbau der Erneuerbaren Energien drücken können – auf Kosten von uns Stromkunden. Hinter den Kraftwerken stehen Arbeitsplätze. Die Beschäftigten sollten die Chance wahrnehmen und weniger umweltschädliche Stromproduktion beginnen. Wenn es so weitergeht, heizt das Klima sich global auf. Bei den Konzernen wird verdient. Für die Katastrophenopfer wird dann zu Spenden aufgerufen. Die nächste Katastrophe kann auch irgend eine Region bei uns treffen. Ich selbst war von einem lokalen Hochwasser im Enzkreis betroffen.
Es ist fatal Kohlekraftwerke zu unterstützen, die einen geringen Wirkungsgrad haben und CO 2-Schleuder sind.
Sehen Sie den Zusammenhang zwischen Freisetzung von CO 2 und die vielen Menschen, deren Lebensgrundlage zerstört wird? Wenn ich Kohlestrom verwende bin ich da nicht mitschuldig am Unglück der Menschen in den Katastrophengebieten?
Schreiben Sie mir doch bitte kurz, wie Sie Einfluss nehmen können damit die Energiewende umweltfreundlich weitergeht.

Freundliche Grüße
Klaus Dürk

Portrait von Christian Lange
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Dürk,

vielen Dank für Ihre E-Mail vom 22.11.2013.

Die Entwicklung zu einer Energieversorgung ohne Atomenergie und mit stetig wachsendem Anteil Erneuerbarer Energien konsequent und planvoll fortführen - das war ein zentraler Punkt in unserem Wahlkampf und den haben wir auch im Koalitionsvertrag verankern können. Unsere Vision ist eine nahezu CO2-freie Industriegesellschaft, in deren Zentrum neue Technologien, Produkte und Produktionsverfahren für immer mehr Energie- und Ressourceneffizienz stehen. Dafür stehen wir in dieser Koalition. Es war ein hartes Ringen, unseren umfassenden Ansatz einer verantwortungsvollen Energiewende gegenüber der Union durchzusetzen. Maßgebend sind für uns die zentralen Eckpfeiler der Energieversorgung - Nachhaltigkeit, Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit. Durch den Zick-Zack-Kurs der schwarz-gelben Bundesregierung hat die Energiewende an Glaubwürdigkeit verloren. In der Folge werden steigende Strompreise, eine unzureichende Netzinfrastruktur und ungesicherte Erzeugungskapazitäten zum Risiko für den Industriestandort Deutschland und verursachen zunehmende Belastungen für den Stromverbraucher. In dieser Situation ist ein Politikwechsel erforderlich, der der breiten gesellschaftlichen Verantwortung für die Umsetzung der Energiewende gerecht wird und damit die Energiewende zu einem Erfolg führt. CDU/CSU hatten jedoch einen gänzlich anderen Ansatz, der die Energiewende faktisch gestoppt hätte.
Wir haben diesen fehlgeleiteten Ansatz der Union verhindert und konnten das Erneuerbare Energien-Gesetz (EEG) in seinen Grundzügen erhalten. Der Einspeisevorrang für die Erneuerbaren bleibt bestehen. Erneuerbare Energien und konventionelle Erzeugung werden in einem neuen Strommarkt integriert. Effiziente und flexible konventionelle Kraftwerke werden, so lange wie erforderlich, über einen Kapazitätsmechanismus die Erneuerbaren Energien ergänzen. Der Ausbau von Netzen und Speichern, die Steigerung der Energieeffizienz und ein Lastmanagement werden wesentliche Pfeiler der Energiewende. Unser Ziel ist die Reform des Strommarktsystems, wir wollen neue Regeln für einen Energiemarkt setzen, der auf eine Vollversorgung mit Erneuerbaren Energien zugeschnitten ist. Die Förderbedingungen werden wir europarechtskonform weiterentwickeln. Ambitionierte europäische Klimaschutzziele dürfen nicht zu Nachteilen für energieintensive und im internationalen Wettbewerb stehende Industrien führen. Wir werden sie aber auch nicht aus ihrer Verantwortung für den Klimaschutz entlassen. So werden wir etwa darauf drängen, dass alle möglichen Energieeffizienzpotenziale genutzt werden. Nur so kommen wir den globalen Klimaschutzzielen näher.

Wesentliche Elemente sozialdemokratischer Energiepolitik konnten im Koalitionsvertrag verankert werden.

1. Klimaschutz

Die Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen ist auf nationaler Ebene bis 2020 um mindestens 40 Prozent gegenüber dem Stand 1990. Innerhalb der europäischen Union ist eine Verminderung um mindestens 40 Prozent bis 2030 als Teil einer Zieltrias aus Treibhausgasreduktion, Ausbau der Erneuerbaren Energien und Energieeffizienz angestrebt. Orientiert an den europäischen Zielen und an den Ergebnissen der Pariser Klimaschutzkonferenz 2015 werden in einem Klimaschutzplan die weiteren Reduktionsschritte bis zum Zielwert von 80 bis 95 Prozent im Jahr 2050 festgeschrieben und in einem breiten Dialogprozess mit Maßnahmen unterlegt. Das uneinheitliche Auftreten Deutschlands in Fragen der Reaktivierung und Funktionsfähigkeit des Emissionshandels hat ein Ende. Wir werden der geplanten befristeten Herausnahme von 900 Millionen Zertifikaten aus dem Handel zustimmen.

2. Energieeffizienz

Bei der Energieeffizienz konnten wir uns mit unserem sektorübergreifenden Ansatz durchsetzen, der Gebäude, Industrie, Gewerbe und Haushalte umfasst und dabei Strom, Wärme und Kälte gleichermaßen in den Blick nimmt. In einem Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz, der in 2014 erarbeitet wird, werden Ziele, Instrumente, Finanzierung und Verantwortung der Akteure festgelegt und in einem jährlichen Monitoringprozess überprüft. Wir wollen die Energieeffizienz als die zweite Säule der Energiewende etablieren. Im Wärmemarkt werden wir auf der Grundlage eines Sanierungsfahrplanes die Nutzung erneuerbarer Energien im Gebäudebereich fortentwickeln. Den Ländern bleibt weiterhin die Möglichkeit, den Einsatz der Erneuerbaren verpflichtend zu machen. Auf EU-Ebene wollen wir uns auch zukünftig für anspruchsvolle Standards für energierelevante Produkte einsetzen und nationale Maßstäbe vorabsetzen.

3. Ausbau der Erneuerbaren Energien

Um die Ausbauziele zu sichern und gleichzeitig den Ausbau für alle Akteure planbar und berechenbar zu machen, wird im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ein Ausbaukorridor festgelegt. Niedrigere Vorschläge von CDU/CSU konnten wir noch auf Werte von 40 bis 45 Prozent im Jahre 2025 bzw. 55 bis 60 Prozent im Jahr 2035 erhöhen. Dieser Kompromiss eröffnet der Branche verlässliche Perspektiven und wird einem Monitoring unterworfen, um gegebenenfalls nachsteuern zu können. Auch die Betreiber konventioneller Kraftwerke können sich auf die Entwicklung einstellen und ihren Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten. Außerdem ist eine Verknüpfung mit dem Netzausbau sichergestellt. Auf diesem Weg ist eine schrittweise Anpassung des Strom- und Energieversorgungssystems an die Herausforderungen volatiler Stromerzeugung und dadurch eine kostengünstige Systemintegration möglich. Investitionsrisiken und Planungsunsicherheit, wie sie die wankelmütige Politik der schwarz-gelben Regierung provoziert hat, wird es mit uns nicht geben.

4. Reform des Fördersystems

Eine Reform des Fördersystems ist aufgrund des hohen Anteils Erneuerbarer Energien am Stromverbrauch aus verschiedenen Gründen unabdingbar geworden. Ziel ist aber nicht nur die Entschärfung der Kostendynamik, sondern auch das Vermeiden von Fehlallokationen. Es sollen Überförderungen abgebaut werden - allerdings nur für Neuanlagen. Altanlagen genießen Bestandsschutz. Die Degression von Einspeisevergütungen wird je nach Energieträger unterschiedlich und umsichtig erfolgen, um den unterschiedlichen Bedingungen auf dem Markt Rechnung zu tragen. Dem Bestreben der Union, ab 2018 die Förderhöhe für Erneuerbare Energien über Ausschrei-bungen zu ermitteln, haben wir hohe Hürden gesetzt. Ausschreibungen können nunmehr lediglich dann erfolgen, wenn in einem Pilotprojekt nachgewiesen werden konnte, dass die Ziele der Energiewende auf diesem Wege kostengünstiger erreicht werden. Weitere Maßnahmen zur Kostenentschärfung sind eine Konzentration der Besonderen Ausgleichsregelung (reduzierte EEG-Umlage) auf stromintensive Unternehmen im internationalen Wettbewerb und eine ausgewogene Regelung bei der EEG-Umlage für die Eigenproduktion von Strom. Bei den besonderen Ausgleichsregelungen ist zudem vorgesehen, dass die begünstigten Unternehmen Fortschritte bei der Energieeffizienz nachweisen müssen.

5. Markt- und Systemintegration

Der richtige Weg zur Markt- und Systemintegration der Erneuerbaren war zwischen Union und SPD höchst umstritten. Auch dieser Punkt war nur in Form eines Kompromisses abzuschließen. Die Union verfolgte zu Beginn die sofortige Überführung aller Anlagen in die Direktvermarktung mit einer unklar definierten Marktprämie, während wir auf die sorgfältige Prüfung vorgeschlagener Modelle gedrängt haben. Es kommt bei der Umsetzung der nun getroffenen Regelung zur künftigen Direktvermarktung darauf an, die Anlagenbetreiber nicht zu überfordern und damit den weiteren Ausbau nicht zu gefährden.

6. Entwicklungspfad für die konventionellen Kraftwerke

Der Bedarf an konventionellen Kraftwerken ist abhängig vom Ausbau der Erneuerbaren zu ermitteln. Wir haben im Koalitionspapier Eckpunkte festgesetzt, die eine ökologisch vernünftige und ökonomisch tragfähige Vorgehensweise aufzeigen. Hierzu gehört der Ausbau von Flexibilitätsoptionen auf der Angebots- und auf der Nachfrageseite sowie mittelfristig die Entwicklung eines Kapazitätsmechanismus. Das Ziel, die Kraft-Wärme-Kopplung auf einen Anteil von 25 Prozent bis 2020 auszubauen, konnten wir erhalten.

7. Koordination der Energiewende

Ein Mangel an Koordination hat dazu geführt, dass es in Deutschland keine einheitliche und abgestimmte Energiepolitik zwischen Bund, Ländern und den Akteuren der Energiewende gibt. Vor diesem Hintergrund haben wir nachdrücklich die Bildung eines Energierates gefordert und durchgesetzt. Er soll zur Beratung von Bundesregierung und Parlament bei der Umsetzung der Energiewende einen ständigen Dialog mit Wirtschaft, Gewerkschaften, Wissenschaft und gesellschaftlich relevanten Gruppen sicherstellen. Beim Vollzug der Projekte der Energiewende werden wir auf eine umfassende Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger achten.

Deutschland braucht endlich wieder eine Energiepolitik, die der breiten gesellschaftlichen Verantwortung zur Realisierung der Energiewende gerecht wird und sie zu einem Erfolg führt. Wir müssen für andere Länder beispielgebend sein. Erst wenn wir es schaffen, diese Vorbildfunktion einzunehmen, kann der globalen Klimaerwärmung wirkungsvoll begegnet werden. Der Koalitionsertrag zwischen CDU/CSU und SPD kann einen Beitrag dazu leisten.

Mit freundlichen Grüßen

Christian Lange