Frage an Christian Lange bezüglich Arbeit und Beschäftigung

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Christian Lange
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Frage von Jürgen P. •

Frage an Christian Lange von Jürgen P. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Wie stehen Sie zu folgenden Punkten
"Bedingungsloses Grundeinkommen" finanziert durch die Abschaffung der Einkommensteuer und Erhöhung der Mehrwertsteuer.
"Arbeit sollte nicht besteuert werden" stattdessen sollte die Mehrwertsteuer auf Konsumartikel erhöht werden.
"Lobbyismus"

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr P.,

vielen Dank für Ihre E-Mails vom 22. August 2017, die ich gerne beantworten möchte. Ich beantworte Ihre beiden E-Mails bzw. Ihre Anfrage über abgeordneten-watch gemeinsam.

Das von Ihnen erwähnte bedingungslose Grundeinkommen lehnt die SPD ab. So sehr wir die Motivation eines Grundeinkommens für richtig erachten, einerseits eine armutsfeste Mindestsicherung zu schaffen und andererseits den Zwang, prekäre Beschäftigung ausüben zu müssen, zu bekämpfen, so halten wir ein bedingungsloses Grundeinkommen für ungeeignet. Der zentrale Einwand besteht darin, dass so Verteilungspolitik auf staatliche Umverteilung konzentriert wird. Eine fortschrittliche Position muss stattdessen darin bestehen, durch die sozial- und arbeitsrechtliche Re-Regulierung prekäre Beschäftigung einzudämmen und durch ein besseres Ausschöpfen der Verteilungsspielräume dafür zu sorgen, dass gesellschaftliche Teilhabe für alle durch Erwerbsarbeit möglich wird. Dazu haben wir bereits mit dem Gesetz zur Bekämpfung von Leiharbeit und Werkverträgen einen wichtigen Beitrag geleistet.
Ich bin der Auffassung: Erwerbsarbeit ist nicht nur Einkommensquelle, sondern dient den Menschen auch zur Sinnstiftung. Ein ganz anderes Gesellschaftsbild steht stattdessen hinter dem Grundeinkommen: Diejenigen, die sozial ausgegrenzt sind, sollen nicht in den Arbeitsmarkt integriert werden, sondern in ihrer prekären Lage verharren. Ein bedingungsloses Grundeinkommen ist der falsche Weg, um eine gerechte und fortschrittliche Gesellschaft zu erreichen, in der jeder ein menschenwürdiges Dasein führen kann, Eine solche Regelung wäre mit einem zu großen Anreizverlust und immensen Kosten verbunden, Selbstverständlich bin ich jedoch davon überzeugt, dass der Staat dem Einzelnen in schwierigen Situationen, z.B. bei Arbeitslosigkeit, zur Seite stehen und ihn unterstützen muss. Allerdings darf dies keine Einbahnstraße sein, jeder sollte sein Möglichstes tun, um seine Erwerbslosigkeit zeitnah zu überwinden. Dies ist vor dem Hintergrund einer gerechten Gesellschaft auch notwendig, da soziale Hilfszahlungen von anderen Bürgerinnen und Bürgern finanziert werden.

Zur Förderung der Transparenz des staatlichen Handelns wollen wir eine „exekutive Fußspur” einführen. Hierdurch werden wir für alle offenlegen, welchen Beitrag externe Interessenvertreterinnen und Interessenvertreter bei der Ausarbeitung eines Gesetzentwurfs geleistet haben. Damit werden Entscheidungsprozesse nachvollziehbar. Auch ein verpflichtendes Lobbyregister beim Deutschen Bundestag kann dazu beitragen, das wir auf gesetzlicher Grundlage einrichten werden. Die Öffentlichkeit erhält darüber Auskunft, welche Interessenvertretung mit welchem Budget für wen tätig ist.

Die SPD steht dafür ein, Armut abzubauen, Armut nicht erst entstehen zu lassen und Verteilungsgerechtigkeit zu stärken. Um dies zu erreichen, ist es wichtig, insbesondere in den folgenden Bereichen weitere Anstrengungen zu unternehmen: Gute und gut bezahlte Arbeit stehen an erster Stelle, nur so kann Armut im Alter wirksam bekämpft werden. Langjährig Versicherte sollen so von ihren Alterseinkünften angemessen leben können. Für niedrige Renten nach langjähriger Beitragszahlung wollen wir ergänzend eine Solidarrente einführen. Wir stehen ein für ein gerechtes und modernes Rentenkonzept mit einem stabilen Rentenniveau von mindestens 48 Prozent, einem erneuerten Generationenvertrag und einer verbesserten Altersabsicherung auch für bisher nicht versicherte Selbstständige. Neben der gesetzlichen Rente als tragender Säule wollen wir, dass möglichst viele Erwerbstätige sich durch betriebliche Altersvorsorge zusätzlich absichern können. Um gute Arbeit für jeden individuell zu erreichen, braucht es eine gute Kinder- und Bildungspolitik. Es braucht Aufstiegschancen für alle - ein sozialer Aufstieg soll nicht die Ausnahme, sondern der Regelfall werden. Weiter brauchen wir eine angemessene Ausstattung des Sozialstaats. Dazu gehört ein funktionierendes – paritätisch finanziertes – Gesundheitssystem genauso wie ausreichend bezahlbaren Wohnraum oder auch eine gute Bildungsinfrastruktur. Eine nachhaltige Finanzierung öffentlicher Ausgaben und Investitionen und eine Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben aus Steuermitteln wie z.B. die Mütterrente muss das Ziel sein. Gleichzeitig stehen wir dafür ein, dass besonders Vermögende und Menschen mit ausgesprochen hohen Einkommen noch stärker zur Finanzierung beitragen müssen.
Pünktlichkeit, guter Service und hohe Qualität müssen das Markenzeichen der Eisenbahnen sein. Die Deutsche Bahn muss im Interesse der Kundinnen und Kunden geführt werden. Für uns steht dabei nicht die Maximierung des Gewinns, sondern die Maximierung des Schienenverkehrs in Deutschland im Vordergrund. Mit den Regionalisierungsmitteln werden wir weiterhin einen attraktiven Schienenpersonennahverkehr sicherstellen. Mit einem Schienenpakt von Politik und Wirtschaft wollen wir bis 2030 dafür sorgen, dass doppelt so viele Kundinnen und Kunden wie heute die Bahn nutzen. Dafür werden wir die Schienenmaut für den Personen- und Güterverkehr absenken. Die Eisenbahnen müssen im Gegenzug in mehr Service, mehr Zuverlässigkeit und mehr Innovationen investieren.

Neben fortgesetzter Bemühungen um die Sicherung der Gesundheitsversorgung in Stadt und Land wird es in der kommenden Legislaturperiode vor allem darauf ankommen, die Kosten der Gesundheitsversorgung gerechter zu verteilen. Deshalb wirbt die SPD weiter für die Einführungen eines einheitlichen Versicherungsmarktes unter Einbeziehung aller Bürgerinnen und Bürger. Maßgeblich bei der Finanzierung ist dabei die individuelle Leistungsfähigkeit. Die paritätische Bürgerversicherung muss aus unserer Sicht zwingend zu gleichen Teilen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern finanziert werden. Die gesetzliche Krankenversicherung ist auch heute kein Einheitssystem, sondern ein wettbewerblich organisierter Markt, auf dem über 100 gesetzliche Krankenversicherungen um Mitglieder werben. Der Umfang des Leistungskatalogs in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) basiert auf einem gesetzlichen Rahmen, der durch die Selbstverwaltung konkretisiert wird. Maßgeblich dafür sind die Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses, die sich an medizinischer Evidenz und dem Nutzen für die Patientinnen und Patienten orientieren. Die Existenz der Privaten Krankenversicherung (PKV) spielt bei der Entwicklung des Leistungskatalogs der GKV überhaupt keine Rolle. Auch für die Höhe des Beitragssatzes der gesetzlichen Krankenkassen ist die Existenz der PKV ohne Belang. Für den Innovationsprozess in der gesetzlichen Krankenversicherung sind Kriterien wie Patientenorientierung, Wirtschaftlichkeit, Patientennutzen und medizinische Evidenz ausschlaggebend. In der privaten Krankenversicherung ist dies leider nicht der Fall. Hier hängt die Entscheidung über den Einsatz einer neuartigen Therapie nur vom behandelnden Arzt ab. Dies birgt erhebliche Risiken für die Patientinnen und Patienten. Für den Innovationsprozess im deutschen Gesundheitswesen ist deshalb die Einführung einer Bürgerversicherung förderlich. Das Rückgrat für die Finanzierung einer qualitativ hochwertigen Pflege bilden die gesetzliche Kranken- und die soziale Pflegeversicherung, wobei in der Pflege bereits einheitliche Leistungsansprüche für gesetzlich und privat Versicherte existieren. Auch bei der Vergütung der Pflege im Rahmen von Krankenhausbehandlungen gibt es einheitliche Preise für gesetzlich und privat Versicherte. Auch hier würden durch die Einführung einer Bürgerversicherung keine zusätzlichen Probleme entstehen.

Für die SPD ist bei internationalen Freihandelsabkommen die Einhaltung von Standards und hohen Schutzniveaus von äußerster Wichtigkeit. Bestehende Rahmenregelungen und Förderinstrumente auf nationaler und europäischer Ebene dürfen durch Abkommen nicht angetastet werden. Wir fordern, dass die Verhandlungen um Freihandelsabkommen mit größtmöglicher Transparenz geführt werden müssen. Geheimhaltungsvorschriften und Intransparenz dürfen eine öffentliche Debatte nicht verhindern. Dabei sind die Ergebnisse einer laufenden, umfassenden Folgeabschätzung unter Beteiligung der Zivilgesellschaft zu berücksichtigen. Das Freihandelsabkommen CETA mit Kanada ist bereits gebilligt. Alle dort, insbesondere von der SPD erreichten Verhandlungsergebnisse, sollen als Maßstab für das geplante Freihandelsabkommen TTIP mit den USA gelten.

Wir setzen uns für einen neuen umfassenden Ansatz von internationaler Steuergerechtigkeit ein. Steuerhinterziehung und -vermeidung sowie Finanzverkehr zu illegalen Zwecken müssen international bekämpft werden. Wir wollen mehr Transparenz in Form einer öffentlichen und länderbezogenen Berichtspflicht über Gewinne und darauf gezahlte Steuern für multinational agierende Unternehmen. Wir setzen uns für weitreichende internationale Regeln und eine verstärkte Zusammenarbeit auch in internationalen Organisationen wie den Vereinten Nationen, der Weltbank, dem Internationalen Währungsfonds und den G20 ein.

Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, dass wir erneuerbare Energien weiter ausbauen. Erneuerbare Energien aus Windkraft (Off- und Onshore) und Sonnenenergie sind langfristig die kostengünstigste Form der Energieerzeugung. Sie machen uns unabhängig von Öl, Erdgas und Uran aus Konfliktregionen. Sie tragen zur lokalen Wertschöpfung bei und zu einem fairen Energiemarkt. Damit die Energiewende erfolgreich fortgeführt werden kann, müssen die verschiedenen Energiesektoren stärker verbunden werden. Bisher findet die Energiewende hauptsächlich im Stromsektor statt. Durch Sektorenkopplung soll die Energiewende noch stärker in den Wärme- und Verkehrssektor getragen werden. Speicher und andere Technologien für die Sektorenkopplung sowie die Flexibilisierung und die Digitalisierung der Energiewende wollen wir gezielt durch technologieoffene gesetzliche Rahmenbedingungen sowie durch Forschungs- und Entwicklungsprogramme voranbringen. Der zügige Netzausbau auf Verteil- und Übertragungsnetzebene ist für das Gelingen der Energiewende von entscheidender Bedeutung. Bestehende Stromleitungen sollen mit Hilfe neuer Technologien besser ausgelastet werden. Maßnahmen zur Energieeffizienz werden wir ausbauen. Wir wollen insbesondere den öffentlichen Gebäudebestand und den öffentlichen Nahverkehr zu Vorbildern des nachhaltigen und energieeffizienten Verbrauchs entwickeln. Energieeffizienzstandards von Produkten und Dienstleistungen werden wir weiter verbessern. Spätestens 2050 müssen wir Energie weitestgehend treibhausgasneutral erzeugen. Für ein Industrieland wie Deutschland ist es allerdings unmöglich, gleichzeitig aus der Atomkraft und aus der Kohle auszusteigen, ohne die Versorgungssicherheit zu gefährden. Wir werden die Kohleverstromung deshalb Schritt für Schritt reduzieren. Den damit verbundenen Strukturwandel in den betroffenen Regionen werden wir im Dialog mit Gewerkschaften, Unternehmen und Beschäftigen gestalten. Strukturabbrüche werden wir nicht zu lassen.

Wir wollen Betriebe, die eine artgerechte Tierhaltung betreiben, gezielt unterstützen. Dafür wollen wir auch die EU-Agrarförderung grundsätzlich neu ausrichten. Es soll der Satz gelten „Öffentliches Geld für öffentliche Leistung“. Die öffentlichen Gelder sollen jene Betriebe erhalten, die in Umwelt- und Tierschutzmaßnahmen investieren. Die pauschalen Subventionen werden wir schrittweise bis 2026 abbauen. Langfristig wollen wir zur flächengebundenen Tierhaltung zurückkehren. Das heißt, ein einzelner Betrieb soll nur so viele Tieren halten, wie er von seinen betriebseigenen Flächen ernähren kann.

In Bezug auf die Reduzierung des Plastikmülls wäre meiner Auffassung nach der erste Schritt Abfallvermeidung. Deshalb wollen wir Mehrwegsysteme stärken. Auch innovative Ideen wie z.B. die neuen verpackungsfreien Lebensmittelgeschäfte oder verbraucherfreundliche Alternativen zu Einwegverpackungen vermeiden Abfälle. In Deutschland gibt es bereits eine Herstellerverantwortung für Sammlung, Sortierung, Recycling und die Entsorgung von gebrauchten Plastikverpackungen, d.h. die Hersteller zahlen ein Entgelt für jede Plastikverpackung, die sie in den Verkehr bringen. In der letzten Legislaturperiode haben wir dieses Entgelt mit ökologischen Anforderungen verknüpft. Die Höhe der zu zahlenden Entgelte soll in Zukunft berücksichtigen, wie gut die Verpackungen recycelbar sind und zu welchem Anteil in den Verpackungen Recycelmaterialien verwandt werden. Hiermit haben wir einen Anreiz für die Hersteller geschaffen, möglichst umweltfreundliche Plastikverpackungen herzustellen. Darüber hinaus werden wir uns in der nächsten Legislaturperiode dafür einsetzen, dass diese Herstellerverantwortung nicht nur für Verpackungen aus Plastik, sondern auch für Produkte aus Plastik – also Gießkannen, Kinderspielzeug, Gummistiefel etc. – gilt, so dass die Hersteller auch hierfür ein Entgelt zu leisten haben mit denselben Anreizen zur Herstellung umweltfreundlicher Produkte wie oben beschrieben. Unsere Umweltministerin Dr. Barbara Hendricks hat im letzten Jahr eine Vereinbarung mit dem Handelsverband Deutschland geschlossen. Darin verpflichten sich Unternehmen, die der Vereinbarung beitreten, Kunststofftüten zukünftig nicht mehr kostenlos abzugeben. Ziel ist es, den Verbrauch von Plastiktüten in Deutschland bis Ende 2025 fast zu halbieren. Darüber hinaus halte ich es für sinnvoll, die Verbraucher in einer Kampagne für die Ressourcenverschwendung zu sensibilisieren und den Vermeidungsgedanken wieder stärker in die Köpfe zu bringen.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen damit weiterhelfen und verbleibe
mit freundlichen Grüßen

Christian Lange MdB