Frage an Christian Lindner bezüglich Innere Angelegenheiten

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Christian Lindner
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Frage von Andreas K. •

Frage an Christian Lindner von Andreas K. bezüglich Innere Angelegenheiten

Sehr geehrter Herr Lindner,

heute hat die Berliner Landesregierung die geplanten Demonstrationen in Berlin am nächsten Samstag verboten. Die Begründung bezieht sich auf eine zu erwartende Missachtung der Hygienevorschriften aufgrund der Erfahrung der Demonstration am 1. August 2020. Außerdem hat Herr Geisel sich wie folgt geäußert: "Ich bin nicht bereit, ein zweites Mal hinzunehmen, dass Berlin als Bühne für Corona-Leugner, Reichsbürger und Rechtsextremisten missbraucht wird."

In einigen Medien wird diese Entscheidung stark kritisiert. Zum Beispiel:
Zitat BILD.de:
"Die deutsche Hauptstadt verbietet Demonstrationen gegen die Corona-Regeln der Bundesregierung und der Länder. Das ist ein inakzeptabler Angriff auf eines unserer höchsten Grundrechte, gegen jede Verhältnismäßigkeit und obendrein an politischer Dummheit kaum zu überbieten." (1)

Zitat NZZ.ch:
"Der Berliner Senat hat Demokratie offenbar nicht begriffen." (3)

Dagegen dürfen die Gegendemonstrationen weiter stattfinden (laut Artikel auf welt.de, (2)).

Meine Fragen:
(a) Nachdem es in den letzten Wochen wiederholt Demonstrationen in Berlin gegeben hat, wo teilweise die Hygienevorschriften nicht eingehalten wurden (Black Lives Matter, Corona-Demos am 1.8.): Ist aus Ihrer Sicht im Verlauf der Infektionen ein Zusammenhang dazu ersichtlich, der dann den in dem Verbot hergestellten Bezug rechtfertigt?
(b) Wie stehen Sie als Bundesfraktionsvorsitzender der FDP zu der Entscheidung und wie beurteilen Sie die Einschätzung einiger Menschen, die hier einen Eingriff in unsere Grundrechte sehen?
(c) Das oben aufgeführte Zitat von Herrn Geisel enthält eine persönliche Meinung zu den Teilnehmern der Demonstration, eine Verallgemeinerung und Verunglimpfung. Sehen Sie aus Sicht der FDP hier einen Handlungsbedarf und werden das Verhalten im Bundestag thematisieren?

Ich freue mich auf Ihre Antwort.

Mit freundlichen Grüßen
Andreas Kollmorgen

Quellen:
(1): BILD.de, https://www.bild.de/politik/inland/politik-inland/demo-verbot-in-berlin-angriff-auf-eines-unserer-hoechsten-grundrechte-72580918.bild.html
(2) https://www.welt.de/politik/deutschland/article214387480/Gegenproteste-gegen-Anti-Corona-Demos-in-Berlin-duerfen-stattfinden.html
(3) https://www.nzz.ch/international/demo-verbot-die-begruendung-des-berliner-senats-ist-skandaloes-ld.1573331

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Sehr geehrter Herr Kollmorgen,

haben Sie vielen Dank für Ihre Frage.

Wer fahrlässig oder gar vorsätzlich die Hygiene- und Abstandsregeln verletzt, setzt sich und andere großen Gefahren aus. Auflagen und organisatorische Einschränkungen bei Demonstrationen (Abstandsregeln, Begrenzung der Teilnehmerzahl etc.) sind daher aktuell grundsätzlich berechtigt. Eine Demonstration bereits im Vorfeld zu verbieten, halte ich aber für den falschen Weg - auch die Berliner Verwaltungsgerichte haben entsprechend entschieden und das Demo-Verbot gekippt.

Grundrechte dürfen niemals präventiv eingeschränkt werden. Schon gar nicht dürfen Demonstrationen auf Basis politischer Erwägungen oder einer Bewertung der jeweiligen Positionen und Forderungen von Demonstranten untersagt werden - dieser Eindruck ist durch die Äußerungen von Senator Geisel leider entstanden. Unsere frühere Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat diesem Thema einen schlüssigen Gastbeitrag in der "Welt" gewidmet, den Sie auf der Homepage der Friedrich-Naumann-Stiftung einsehen können: https://www.freiheit.org/grundrechte-demonstrationsverbot-der-staat-sollte-die-grundrechte-niemals-praeventiv-einschraenken

Was das konkrete Infektionsrisiko bei solchen Demonstrationen angeht, müssten Sie sich an einen fachkundigen Experten wenden. Soweit ich informiert bin, sind auf den "Black Lives Matter"-Demonstrationen oder auch auf der Boots-Demonstration auf dem Landwehrkanal keine bekannten Infektionsherde entstanden. Wenn der Berliner SPD-Innensenator zudem ein Demonstrationsverbot begrüßt, während ein paar Straßen weiter in rot-grün regierten Bezirken Abstandsregeln in Parks, Restaurants oder bei Privatfeiern nicht mal mehr ansatzweise durchgesetzt werden, ist die Sorge nachvollziehbar, dass dort mit zweierlei Maß gemessen wird. Diesen Eindruck darf in einem Rechtsstaat nicht entstehen - schon gar nicht, wenn damit die Akzeptanz für eigentlich wichtige Infektionsschutzmaßnahmen gefährdet wird.

Im Deutschen Bundestag ist im Augenblick keine Debatte über Demonstrationsverbote angesetzt. Hierbei handelt es sich zunächst um ein (Berliner) Landesthema. Im Abgeordnetenhaus von Berlin gab es zum Vorgehen des Innensenators aber bereits eine parlamentarische Debatte.

Freundliche Grüße

Christian Lindner

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