Wo ist der Sinn von 2G-Plus? Warum zählt der Test (das Plus) bei geimpften und genesen und nicht bei Covid-ungeimpften? Ist das nicht Diskriminierend?

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Delara Burkhardt
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Frage von Maximilian D. •

Wo ist der Sinn von 2G-Plus? Warum zählt der Test (das Plus) bei geimpften und genesen und nicht bei Covid-ungeimpften? Ist das nicht Diskriminierend?

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Hallo Herr D.,

 

vielen Dank für Ihre Anfrage.

 

Bei der Debatte um die Rolle von Ungeimpften in verschiedenen G-Regelungen kommt schnell der Vorwurf der Diskriminierung auf. Leider hat sich der Diskurs hier echt weit weg vom tatsächlichen Inhalt der Debatte begeben.

Was in Deutschland als Diskriminierung gilt und was nicht, liegt als Abgeordnete des Europäischen Parlaments außerhalb meines Kompetenzbereichs. Ich habe nur indirekt Einfluss auf die konkrete Gesetzgebung in Deutschland. Meist gibt die EU rechtliche Rahmenbedinungen vor, die in den einzelnen Mitgliedsstaaten, also auch in Deutschland, individuell in nationales Recht übersetzt werden müssen. So richtet sich aus das deutsche Allgemein Gleichbehandlungsgesetz (AAG) nach Rahmenvorgaben der EU, die zwischen 2000 und 2006 entstanden. Alles, was das deutsche AAG vorsieht, ist also abgestimmt mit den Bestimmungen der EU. Diese wiederrum beruhen auf der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948.

Das AAG hat zum Ziel, „Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.“ (AAG §1, das gesamte Gesetz können Sie hier nachlesen; außerdem gibt es ausführliche Erläuterungen mit Beispielen zum kostenlosen Download)

Diese Merkmale sind mehrheitlich unveränderlich – Ethnie, Geschlecht und Behinderung sind keine variablen Attribute. Deswegen stehen sie unter besonderem Schutz. Der Schutz vor Diskriminierung (der Gesetzestext spricht von Benachteiligungen) in Belangen von Religion und Weltanschauung, beides keine so unveränderlichen Attribute, ist im AAG nur für bestimmte Bereiche vorgesehen. So kann umfasst er Diskriminierungen aufgrund der Religion im Arbeits- und Zivilrecht, Diskriminierungen aufgrund der Weltanschauung ausschließlich im Arbeitsrecht und in Massengeschäften. Das würde Ihre Frage also schon beantworten: 2G und auch 2G+, was in den von der AAG geschützten Bereichen nur Weltanschauung betreffen könnte, ist vor dem deutschen Gesetzgeber nur im Arbeitsrecht relevant. In keiner Branche verordnet der Gesetzgeber für Arbeitnehmer*innen 2G oder 2G+. Aber: Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes beschreibt ausführlich, dass der Umstand, dass Personen ungeimpft sind, nicht unter die Definition von Weltanschauung fällt. Somit können Ungeimpfte die AAG für dieses Attribut gar nicht anwenden. (Der genaue Wortlaut ist: „Der Impfstatus als solcher und die Tatsache geimpft, genesen oder getestet zu sein, ist keine nach dem AGG geschützte Eigenschaft bzw. kein gesetzlich verbotener Unterscheidungsgrund.“)

Unter den Gegenstand der Weltanschauung fällt nicht, dass Menschen aus politischen oder ideologischen Überzeugungen ungeimpft sind. Weltanschauungen sind lt. Gesetz „nur Gewissheiten und Einstellungen zum Weltganzen, also gesamtgesellschaftliche Theorien und nicht nur Ansichten zu Teilfragen oder bestimmten Lebensbereichen. Damit handelt es sich bei der individuellen Haltung speziell zum Impfen nicht um eine Frage der Weltanschauung im rechtlichen Sinne.“ (Quelle) Wer sich nicht gegen Corona impfen lassen kann und dadurch Nachteile erfährt (etwa wegen einer Schwangerschaft im ersten Trimester, aufgrund des Alters oder bedingt durch medizinische Gründe), kann auf sich auf die AAG berufen und von Diskriminierung sprechen. Wer sich aus persönlichen Gründen nicht impfen lässt, kann das nicht.

 

Die Debatte ist hitzig und es wird schnell mit großen Begriffen um sich geworfen. Ungeimpfte, die sich aufgrund einer persönlichen Entscheidung nun diskriminiert sehen, betreiben Sozialneid in großem Maße. Logischerweise sieht der Gesetzgeber das anders. Denn: Die Risiken einer Impfung sind deutlich niedriger als die eines schweren Corona-Verlaufs; die Kosten für die Allgemeinheit sind bei Impfungen deutlich geringer als bei einem Aufenthalt auf der Intensivstation. Schnell werden Nebenwirkungen von Impfungen zu Langzeitfolgen umgedichtet, während vergessen wird, wie stark Corona das Nervensystem beeinträchtigt und damit das Krankheitsbild Long-Covid auslöst, dass viele Betroffene lange und nachhaltig schwächt. Diskriminierung ist ein großes Wort, und wir sollten es nicht leichtfertig verwenden, weil es für viele Personen – Trans-Menschen, migrantisch gelesene Menschen, Frauen* - echte reale und mitunter brutale Konsequenzen hat. Dass mit 2G und 2G+ eine Gruppe Menschen aufgrund ihrer persönlichen Entscheidung am öffentlichen Leben in Teilen weniger teilhaben können, ist vielmehr eine legitime Ungleichbehandlung. Das Handeln verfolgt einen legitimen Zweck (die Einschränkung der Covid-19-Pandemie), dessen Erreichen unabdingbar ist (niemand möchte noch viel länger mit den Einschränkungen leben müssen), ist mit dem Recht (also dem AAG) konform und ziemlich alternativlos. 2G und 2G+ schützen nicht zuletzt besonders ungeimpfte Menschen, die von einer Corona-Infektion deutlich stärker getroffen wären als geimpfte Personen. Den gesamten Artikel der Antidiskriminierungsstelle zu Corona verlinke ich Ihnen hier gerne.

Nicht zuletzt zeigt die aktuelle Studienlage, dass Menschen, die gegen Corona geimpft sind, ein deutlich niedrigeres Risiko haben, das Virus doch an andere zu übertragen, als es ungeimpfte Menschen mit einem tagesaktuellen Test haben. (Quelle) Kurz: Getestete Ungeimpfte sind im Ernstfall ansteckender als Geimpfte Ungetestete. 2G+ versucht einfach, alle Risikien so gut als möglich zu reduzieren. Dass auch das nicht einwandfrei klappt, können wir gerade in Schleswig-Holstein nach Corona-Fällen in Diskos unter 2G+-Bedingungen gut sehen. (Artikel)

 

Das Thema wird uns vermutlich noch eine Weile begleiten, deswegen hoffe ich, Sie überzeugt zu haben, dass die Entscheidung gegen eine Impfung keine Grundlage für eine Beschwerde über Diskriminierung sein kann.

 

Mit freundlichen Grüßen

Delara Burkhardt

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