Frage an Dietmar Nietan bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Dietmar Nietan
SPD
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Frage von Joachim L. •

Frage an Dietmar Nietan von Joachim L. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Nietan,

Die 3 Koalitionsparteien, der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes e.V., der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V. und die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt, haben vor einiger Zeit für ihre Mitglieder einen Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe(VTV)verhandelt und beschlossen. Sie legten fest, daß nun auch alle Betriebe in der Bauwirtschaft - auch die Solo-Selbständigen ohne gewerbliche Mitarbeiter, die nicht in den o.g.Tarifparteien organsiert sind - in das Sozialkassenverfahren eingebunden werden und mit einem Jahresmindestbeitrag von 900 € (ohne Rücksicht auf das tatsächliche Einkommen) für die Soka-Bau AG belastet werden sollen.

Durch die Allgemeinverbindlicherklärung Ihrer Parteigenossin, der Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles, ist dies nun offiziel und die Soka-Bau AG verschickt schonmal Ankündigungen, daß wir Kleinstunternehmer im Herbst zur Kasse gebeten werden.

Meine Fragen an Sie als Abgeordneter aus meiner Region: Wie stehen Sie dazu,...sowohl allgemein politisch, in Bezug auf Verfassungsrecht und sozialer Marktwirtschaft? Besteht die Möglichkeit, daß Sie im Interesse von ca. 40.000 Solo-Selbständigen bundesweit und meiner Wenigkeit Sich einbringen?

Mit freundlichem Gruß
J.Loup

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Maurermeister

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Loup,

haben Sie vielen Dank für Ihre Frage, auf die ich Ihnen gerne antworte.

Es ist richtig, dass ab dem 1.4.2015 auf Basis eines allgemeinverbindlichen Tarifvertrages ein betriebsbezogener Mindestbeitrag für das Berufsbildungsverfahren von den Sozialpartner des Baugewerbe eingeführt wurde, der erstmals in Höhe von 450,00 Euro im November diesen Jahres von der Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft (SOKA-BAU) für ein halbes Jahr eingezogen wird. Der Beitrag für ein ganzes Jahr liegt bei 900 Euro und wird erstmals im November 2016 fällig werden. Von dieser allgemeinverbindlichen Tarifvertragsregelung werden auch sogenannte „Solo-Selbständige“ erfasst.
Diese Maßnahme kann ich vor dem Hintergrund der Fachkräftesicherung im Baugewerbe nachvollziehen. Durch die demografische Entwicklung wird die Berufsausbildung für die Fachkräftesicherung auch in der Bauwirtschaft immer wichtiger. Die Berufsausbildung in der Bauwirtschaft wird branchenweit von allen Baubetrieben gemeinsam getragen. Das hat sich seit vielen Jahrzehnten bewährt, denn die branchenweite Finanzierung trägt entscheidend dazu bei, die Ausbildungszahlen in der Baubranche stabil zu halten und so den Bedarf an gut ausgebildeten Fachkräften zu sichern. Für die rund 17.000 Ausbildungsbetriebe liegt der unmittelbare Vorteil dieses Systems darin, dass ein Großteil der Ausbildungskosten von der SOKA-BAU erstattet wird.

Nachdem eine große Zahl der Alleinhandwerker auch in den Innungen und Mitgliedsverbänden des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes organisiert ist, ist zwischen den Tarifvertragsparteien eine Einigung darüber erfolgt, im Hinblick auf die zunehmend bedeutsame Fachkräftesicherung diese Betriebe in das Berufsbildungsverfahren mit einzubeziehen. Vor diesem Hintergrund erscheint es mir gerechtfertigt, diese Betriebe an der Finanzierung der von der Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft an die Ausbildungsbetriebe erstatteten Ausbildungskosten zu beteiligen, an der bisher schon auch Klein- und Kleinstbetriebe mit nur ganz wenigen gewerblichen Arbeitnehmern beteiligt wurden.
Hinzu kommt, dass nach der alten Rechtslage eine Vielzahl dieser Betriebe ohne gewerbliche Mitarbeiter Erstattungsleistungen der SOKA-BAU in Anspruch genommen hat, ohne den zur Finanzierung notwendigen Berufsbildungsbeitrag zu zahlen. Deshalb sollen „Solo-Selbständige“ zukünftig in dem Berufsbildungsverfahren nicht anders behandelt werden als alle anderen Baubetriebe, die einen, zwei, drei oder mehr gewerbliche Arbeitnehmer beschäftigen, d. h. einerseits zur Beitragsabführung verpflichtet werden und andererseits Erstattungsleistungen in Anspruch nehmen können.
Ich hoffe, dass ich Ihnen mit meiner Antwort den Hintergrund für diese Maßnahme verständlich erläutern konnte.

Mit freundlichen Grüßen
Dietmar Nietan

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