Frage an Dirk Niebel bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Portrait von Dirk Niebel
Dirk Niebel
FDP
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Dirk Niebel zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Gerhard S. •

Frage an Dirk Niebel von Gerhard S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Niebel,

Der Neuauflage des EU-Verfassungs-Vertrages dem "Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union", hat die Bundesregierung bereits zugestimmt. Der Bundesrat und Sie als Mitglied des Bundestages müssen hierüber noch abstimmen.

Wir möchten Sie hiermit auf den nachfolgenden Artikel 2 "Das Recht auf Leben", der mit das Fundament für die Grundrechte in Europa darstellen soll und über das Sie abstimmen werden, aufmerksam machen:
(Deutscher Bundestag, Drucksache 15/4900;gekürzt wegen Zeichenbeschränkung)

Artikel 2 2)

Recht auf Leben

(1) Jeder Mensch hat das Recht auf Leben.

(2) Niemand darf zur Todesstrafe verurteilt oder hingerichtet werden.

E r l ä u t e r u n g

1. Absatz 1 dieses Artikels basiert auf Artikel 2 Absatz 1 Satz 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention
, der wie folgt lautet:
"(1) Das Recht jedes Menschen auf Leben wird gesetzlich geschützt …".

2. "Die Todesstrafe ist abgeschafft. Niemand darf zu dieser Strafe verurteilt oder hingerichtet
werden." Auf dieser Vorschrift beruht Artikel 2 Absatz 2 der Charta.

3. So müssen die in der EMRK enthaltenen "Negativdefinitionen" auch als Teil der Charta betrachtet werden:
a) Artikel 2 Absatz 2:
"Eine Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie durch
eine Gewaltanwendung verursacht wird, die unbedingt erforderlich ist, um
a) jemanden gegen rechtswidrige Gewalt zu verteidigen;
b) jemanden rechtmäßig festzunehmen oder jemanden, dem die Freiheit rechtmäßig entzogen ist, an der Flucht zu hindern;
c) einen Aufruhr oder Aufstand rechtmäßig niederzuschlagen".

b) Artikel 2 des Protokolls Nr. 6:
"Ein Staat kann in seinem Recht die Todesstrafe für Taten vorsehen, die in Kriegszeiten
oder bei unmittelbarer Kriegsgefahr begangen werden …".

Wir möchten von Ihnen, einem Vertreter des gesamten deutschen Volkes, der nur seinem Gewissen verpflichtet ist, wissen, ob Sie für oder gegen das genannte Vertragswerk stimmen werden.

Für eine Antwort sei vorab gedankt.
--
Initiative von Marx&Skaleneffekte.de

Portrait von Dirk Niebel
Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Schiller,

ich werde dem Vertrag von Lissabon zustimmen, denn er zeigt gegenüber dem zurzeit noch geltenden Vertrag von Nizza eine Vielzahl wichtiger Verbesserungen. Die EU wird handlungsfähiger und auch ein Stück weit demokratischer. Das bedeutet jedoch nicht, dass die FDP-Bundestagsfraktion dem Vertrag völlig kritiklos gegenüber steht. An einigen Stellen hätten wir uns mehr und besseres gewünscht. Kritisch sehen wir beispielsweise, dass der "freie und unverfälschte Wettbewerb" - anders als im ursprünglichen Verfassungsvertrag - im Reformvertrag nicht mehr explizit als "Ziel der Union" genannt wird.

Aus Anlass der bevorstehenden Ratifizierung des Vertragswerks haben wir uns auch mit der von Ihnen aufgeworfenen Problematik befasst. Die Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention und die Zusatzprotokolle sind für Deutschland – unabhängig von den EU-Verträgen – bindendes Recht. In Ihrer Mail zitieren Sie das Sechste Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention vom 28.04.1983, welches die Todesstrafe unter bestimmten Voraussetzungen „in Kriegszeiten oder bei unmittelbarer Kriegsgefahr“ zulässt. Deutschland hat jedoch, ebenso wie die große Mehrheit der anderen EU-Staaten, auch das 13. Zusatzprotokoll vom 03.05.2002 ratifiziert, welches die Verhängung der Todesstrafe auch in Kriegszeiten untersagt. Am vollständigen Verbot der Todesstrafe in Deutschland ändert sich durch die EU-Verträge deshalb nichts.

Mit freundlichen Grüßen

Dirk Niebel