Frage an Eckhard Pols bezüglich Humanitäre Hilfe

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Eckhard Pols
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Frage an Eckhard Pols von Tim D. bezüglich Humanitäre Hilfe

Sehr geehrter Herr Pols,

am 4. März diesen Jahres haben Sie gegen die Aufnahme besonders schutzbedürftigter Geflüchteter aus den griechischen Lagern gestimmt.
Von 246 Abgeordneten der CDU/CSU haben nur drei für die Aufnahme gestimmt.

In dem für knapp 3.000 Personen konzipierten Lager lebten zeitweilig 20.000 Menschen (März 2020) - über die Hälfte sind Kinder, viele von ihnen unbegleitete Minderjährige.

Es entsteht der Eindruck, dass hier Schutzbedürftige, von Krieg, Folter, Hunger und lebensgefährlichen Überfahrten traumatisierte Menschen als Puffer benutzt werden, um andere Flüchtlinge davon abzuschrecken, die Flucht anzutreten. Jean Ziegler, Vizepräsident des Beratenden Ausschusses des UN-Menschenrechtsrats, bezeichnete die Zustände in dem Flüchtlingslager als Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Vor dem aktuellen Hintergrund, dass erste Coronafälle in dem Lager erkannt wurden UND das Lager fast vollständig abgebrannt ist, empfinde ich es heute als noch unmenschlicher, die Menschen dort ihrem eigenen Schicksal zu überlassen.

Ich bin mir sicher, dass die wenigsten Menschen in Ihrem Wahlkreis, Ihr Abstimmungsverhalten zu dem Thema begrüßen würden, wenn Sie eine Vorstellung davon hätten, welchen Strapazen, welchem Leid die Menschen in Moria und anderen überfüllten Lagern in Griechenland ausgesetzt sind.
Besonders vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen besteht akuter Handlungsbedarf.

Deshalb meine Fragen an Sie:

Möchten Sie den Menschen in den Flüchtlingslagern Griechenlands helfen, wenn ja, wie?
Soll Moria eine abschreckende Wirkung haben?
Sind Menschen, die zu Corona-Risikogruppen gehören, Ihrer Auffassung nach jetzt neben unbegleiteten Minderjährigen auch "besonders schutzbedürftigt"?
Warum haben Sie gegen die Aufnahme Geflüchteter aus Moria gestimmt?
Würden Sie heute wieder so abstimmen?

Vielen Dank
Viele Grüße

T. D.

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CDU

Sehr geehrter Herr Dingler,

haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht zur aktuellen Situation auf der griechischen Insel Lesbos. Auch ich bin der Meinung, dass die gegebene Situation vor Ort so nicht haltbar ist und wir dringend eine Lösung finden müssen.

Gerne beantworte ich zunächst ‚kurz und knapp‘ Ihre Fragen und werde dann einige inhaltliche Ausführungen zu meinen Antworten machen:

Möchten Sie den Menschen in den Flüchtlingslagern Griechenlands helfen, wenn ja, wie?

Soll Moria eine abschreckende Wirkung haben?

Sind Menschen, die zu Corona-Risikogruppen gehören, Ihrer Auffassung nach jetzt neben unbegleiteten Minderjährigen auch "besonders schutzbedürftigt"?

Warum haben Sie gegen die Aufnahme Geflüchteter aus Moria gestimmt?

Würden Sie heute wieder so abstimmen?

- Natürlich möchte die Bundesregierung und auch ich helfen. Erste Hilfsmaßnahmen haben bereits am 10. September begonnen.

- Eine abschreckende Wirkung ist nicht Sinn und Zweck eines Lagers wie Moria.

- Die „besondere Schutzbedürftigkeit“ ist in der für alle EU-Länder gültigen Aufnahmerichtlinie (https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=celex%3A32013L0033) geregelt. Menschen mit schweren körperlichen Erkrankungen sind hier umfasst, so dass es aus meiner Sicht auf den Verlauf der Infektion ankommt. Ein milder Verlauf kann aus meiner Sicht keine „besondere Schutzbedürftigkeit“ begründen.

- Dem Antrag der Grünen habe ich seinerzeit nicht zugestimmt, weil er einen Alleingang Deutschlands bedeutet hätte. Ich bin der festen Auffassung, dass nur helfen kann, wer sich auch dauerhaft die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Möglichkeiten dazu erhält. Hierzu müssen wir mindestens auf europäischer Ebene agieren. Daher würde ich auch wieder so abstimmen.

In Reaktion auf die Bitte Griechenlands um Hilfsgüter unmittelbar nach dem Brand auf Lesbos hat Deutschland unverzüglich Schritte in die Wege geleitet, um den Bedarf mit abzudecken. Das THW hat in der Nacht vom 10. September auf den 11. September 2020 Material zusammengeführt und dieses mit einem ersten Konvoi nach Griechenland transportiert. Dabei handelt es sich um ca. 1.400 Feldbetten, 78 Zelte, 400 Schlafsäcke und Iso-Matten, die am Morgen des 15. September 2020 in Athen eingetroffen sind. Am 14. September 2020 ist ein zweiter THW-Konvoi mit 6.000 Schlafsäcken, 2.000 Decken, 2.160 lso-Matten Richtung Griechenland aufgebrochen. Ein dritter THW-Konvoi ist seit dem Morgen des 16. September 2020 mit 450 Familienzelten, 2 Sanitärcontainern und 5.500 Schlafsäcken auf dem Weg. Ein vierter THW-Konvoi wird in wenigen Tagen mit weiteren 500 Decken, 3.500 Schlafsäcken, 1.000 Faltkanistern, 1.000 Gewebeplanen und 2 Sanitärcontainern nach Griechenland aufbrechen. Zudem ist der Transport von 10.000 Koch-Sets und 48 Waschtischen vorgesehen. Zusätzlich werden 20 Sanitärcontainer vom THW über eine Spedition nach Griechenland verbracht, die dort voraussichtlich ab dem 26. September 2020 eintreffen werden. Zudem stellt das THW 295 große Müllbehälter zur Verfügung, die in Kürze in Athen eintreffen werden.

Auch die Aufnahme von Schutzsuchenden nach Deutschland ist ständiger und wesentlicher Bestandteil der Unterstützung unserer griechischen Partner. Nach den schweren Bränden in der Unterkunft für Asylsuchende auf Lesbos hat die Bundesregierung am 15. September beschlossen, einen Beitrag zur Linderung der humanitären Notlage zu leisten und der griechischen Regierung anzubieten, 408 Familien mit insgesamt 1.553 Personen aufzunehmen. Des Weiteren hat Herr Bundesminister Horst Seehofer bereits die unmittelbare Aufnahme von bis zu 150 der rund 400 unbegleiteten Minderjährigen von der Insel Lesbos zugesagt.

So unerträglich die Bilder, die uns täglich aus Lesbos erreichen, auch für mich sind, so will ich dennoch betonen, dass ich persönlich die Entscheidung der Bundesregierung kritisch sehe. Denn sie löst leider das grundsätzliche Problem nicht. Seit der Flüchtlingskrise 2015 wird in Europa nach Lösungen für ein einheitliches Vorgehen und eine gerechte Verteilung von Flüchtlingen gerungen. Aufgrund der Blockadehaltung einiger Länder konnte bislang bedauerlicherweise keine Einigung erzielt werden. Das kann natürlich nicht zufriedenstellen. Die Bewältigung aber einigen wenigen Ländern zu überlassen, ist unsolidarisch und funktioniert meines Erachtens nicht. Durch den deutschen Alleingang wird nun das Finden einer gesamteuropäischen Lösung, an der sich alle Staaten Europas beteiligen, weiter erschwert.

Daher muss die Aktion aus meiner Sicht ein Einzelfall bleiben. In sehr enger Abstimmung mit unseren griechischen Partnern werden wir dafür Sorge tragen, dass diese Geste nicht als Signal missverstanden wird. Deutschland ist weder bereit, die humanitären Probleme allein zu lösen, noch kann über Brandstiftung der Weg nach Mitteleuropa eröffnet werden. Deswegen begrüße ich es sehr, dass Griechenland nur die Umsiedlung von anerkannten Asylberechtigten gestattet und die Asylbewerber ihre Verfahren in der sehr schnell auf Lesbos zu errichtenden neuen Aufnahmeeinrichtung in Kara Tepe durchführen müssen.

Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird sich während der laufenden EU-Präsidentschaft aber auch danach mit allem Nachdruck dafür einsetzen, dass sich die Mitgliedstaaten der EU auf eine Reform des Europäischen Asylsystems einigen, die den enormen Anforderungen gerecht wird und auch verhindert, dass die EU-Staaten an der Außengrenze überfordert werden. Für mich ist dies die einzig langfristige Lösung, um Humanität auf der einen und Ordnung auf der anderen Seite zu gewährleisten.

Mit freundlichen Grüßen

Eckhard Pols