Frage an Edith Sitzmann bezüglich Finanzen

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Edith Sitzmann
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Gerhard P. •

Frage an Edith Sitzmann von Gerhard P. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Frau Sitzmann ,

das Vorhaben die kalte Progression abzumildern, wurde von den SPD/Grünen geführten Bundesländern im Bundesrat gestoppt. Warum eigentlich? Der Staat schröpft doch den arbeitenden Bürger schon genug. Ich denke da nur an die Steuer auf Benzin/Diesel. Warum nimmt man uns von jeder Gehaltserhöhung durch die Steuerprogression noch etrwas weg ? Das finde ich weder gerecht, noch sozial. Man sollte auch nicht immer den vorrangigen Schuldenabbau dafür in den Vordergrund schieben, wer hat denn die Schulden gemacht ? Doch nicht der brave und ehrlich zahlende Steuerbürger.

Mit freundlichen Grüßen

G. Prugel

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Prugel,

Sie haben vollkommen recht, die Entlastung unterer Einkommen ist ein erstrebenswertes Ziel, wofür wir Grüne kämpfen.
Die von der schwarz-gelben Koalition vorgelegten Vorschläge würden dieses Ziel aber nicht erreichen, darum haben wir sie im Bundesrat abgelehnt.

Sieht man sich die Vorschläge genauer an, hätte die im Gesetzentwurf vorgesehene Tarifverschiebung vor allem zwei negative Effekte:

1) Einnahmeausfälle für die öffentliche Hand in Höhe von € 6 Mrd.

Davon trägt der Bund über das Finanzausgleichsgesetz rund € 3,75 Mrd., Länder und Kommunen den Rest. Allein Berlin würde auf diesem Wege über 120 Millionen Euro jährlich verlieren – paradox: Die Konsolidierungshilfe, die der Bund dem Haushaltsnotlagenland zahlt, liegt nur bei 80 Millionen. Nordrhein-Westfalen würde fast eine halbe Milliarde Euro pro Jahr verlieren.

Natürlich haben Sie recht: man kann nicht alle Maßnahmen blockieren mit dem Hinweis auf den vorrangigen Schuldenabbau.
Aber angesichts einer Staatsverschuldung von über 80% des BIP halten wir Steuersenkungen ohne Gegenfinanzierung z.B. durch eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes für nicht verantwortbar.

2) Ungerechte Entlastungswirkungen: Durch die prozentuale Verschiebung des Einkommensteuertarifs werden höhere Einkommen deutlich stärker entlastet als niedrige.

Wer € 1.200 im Monat verdient, hätte netto rund € 60 mehr im Jahr. Bei € 3.000 sind es schon fast € 180 und wer € 6.000 Monatslohn bezieht, wird um über € 360 pro Jahr entlastet. Angesichts der sich immer weiter polarisierenden Einkommenssituation in Deutschland ist das ein Schritt in genau die falsche Richtung: Nur fünf Staaten der OECD haben seit Mitte der 90er Jahre einen höheren Anstieg der Einkommensungleichheit zu verzeichnen als Deutschland. Heute verdienen die Mitglieder der obersten 10 Prozent der deutschen Gesellschaft etwa achtmal so viel wie die untersten 10 Prozent, in den 90er Jahren lag das Verhältnis noch bei sechs zu eins.

Es zeigt sich, dass die Aussage der schwarz-gelben Koalition, „kleine und mittlere“ Einkommen entlasten zu wollen, Blendwerk ist. Denn der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Entlastung mit steigendem Einkommen zunimmt. Hier zeigt sich, dass es der Bundesregierung primär um eine Entlastung ihrer Klientel geht, die aber durch die tatsächliche Entwicklung der Steuerbelastung und der Verteilungswirkung des Steuersystems in den letzten Jahren nicht gerechtfertigt ist.

Fazit: Die Rechtsverschiebung des Einkommensteuertarifs lehnen wir ab, weil sie weitere Löcher in die Haushalte von Bund und Ländern reißt, sozial ungerecht und mit einem Gesamtblick auf das Steuer- und Transfersystem nicht gerechtfertigt ist.

Mit freundlichen Grüßen

Edith Sitzmann