Frage an Elisabeth Winkelmeier-Becker bezüglich Soziale Sicherung

Portrait von Elisabeth Winkelmeier-Becker
Elisabeth Winkelmeier-Becker
CDU
96 %
24 / 25 Fragen beantwortet
Frage von Jürgen P. •

Frage an Elisabeth Winkelmeier-Becker von Jürgen P. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrte Frau Winkelmeier-Becker,

Die 0,25%ige Erhöhung für Westrentner ist an Lächerlichkeit kaum zu überbieten.
Bei einer durchschnittlichen Rente im Westen von ca. € 1.000,-- sind das ganze € 2,50, im Osten immerhin € 32,90.

Auf die diversen Formeln wie Nachhaltigkeits-, Nachhol- oder Riesterfaktor (Altersvorsorgeaufwendung) möchte ich nicht eingehen, da die Werte, die in diese Formeln einfliessen, ohnehin kaum nachvollziehbar sind. Sollte sich trotz dieser Faktoren wider Erwarten einmal ein stärkerer Anstieg abzeichnen, so wird man dies durch weitere willkürliche Formeln zu verhindern wissen.
Seit vielen Jahren geht die inflationsbereinigte Kaufkraft der Renten und damit der Lebensstandard der Rentner kontinuierlich zurück.
Diese Tatsache ist jedem bekannt, doch die jeweilige Bundesregierung glaubt, dieses ignorieren zu können, da Rentner im Gegensatz zu anderen Bevölkerungsgruppen keine wirkungsvolle Lobby haben.
Meine Frage lautet: Welches sind die Dämfpungsfaktoren bei der Beamtenpension?
Gibt es da z.B. einen Nachhaltigkeitsfaktor?
Wieso koppelt man die Erhöhung der Pensionen nicht an die Rentenerhöhung?

Ich erwarte von der Bundesregierung nicht mehr und nicht weniger, als daß die Rente (wie auch in anderen EU-Ländern) zumindest jährlich der Inflationsrate angepasst wird und bei weiterem Verteilungsspielraum eine entsprechende Erhöhung vorgenommen wird.
Es ist auch kein Argument, daß dies bei Löhnen und Gehältern auch nicht der Fall ist, da hier jeder - im Gegensatz zum Rentner - seine Situation durch individuelles Handeln verbessern kann.

Ich kann nur hoffen, daß die Entscheidungsträger bei den kommenden Wahlen hierfür ihre Quittung erhalten.

mfg
Jürgen Pompe

Portrait von Elisabeth Winkelmeier-Becker
Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Pompe,

haben Sie vielen Dank für Ihr Fragen über Abgeordnetenwatch.

Ich kann gut nachvollziehen, dass der niedrige Steigerungswert für die Renten in Westdeutschland von Ihnen als unzureichend und die Differenz zur Steigerung der Renten in Ostdeutschland als geradezu provozierend empfunden wird. Ich möchte im Folgenden die Gelegenheit nutzen, Ihnen die Hintergründe näher zu erläutern.
Zunächst zu den Renten im Westen: Sicher ist Ihnen bekannt, dass die Renten sich nach einer mathematischen Formel berechnen, die im Grundsatz darauf beruht, dass die Lohnsteigerungen der aktiven Beschäftigten jeweils der Maßstab für die Rentensteigerung im Folgejahr sind. So ist gewährleistet, dass die Rentner an den Lohnzuwächsen der aktiven Berufstätigen teilnehmen. Die entsprechenden Regeln sind im Sozialgesetzbuch geregelt, und zwar im sechsten Buch –zur gesetzlichen Rentenversicherung (SGB VI). Die dortigen Vorschriften, wie etwa die §§ 67-69, wurden zuletzt unter der rotgrünen Koalition sowie in der großen Koalition geändert. Die grundsätzlichen Regelungsmechanismen gibt es allerdings schon seit vielen Jahren und sie sorgen dafür, dass die Finanzgrundlagen der gesetzlichen Rente solide bleiben.
An dieses geltende Recht war die Bundesregierung bei der Festlegung der Rentenanpassung 2013 gebunden. Somit folgt die Rentenanpassung nicht etwa einer willkürlichen politischen Entscheidung, sondern anhand objektiver Vorgaben des Gesetzes und des Statistischen Bundesamtes.

Die maßgebliche Steigerung der Löhne betrug im vergangenen Jahr in Westdeutschland 1,5 %. Dass die Steigerung der Rente deutlich dahinter zurückbleibt, beruht auf folgenden gesetzlichen Regelungen:

Zunächst machen sich hier noch Abschläge infolge der Rentengarantie bemerkbar: Wie Sie sicher wissen, hatten wir infolge der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 in den Jahren 2009 und 2010 auch einen starken Rückgang der Wirtschaft mit vielen Kurzarbeitern und mehr Arbeitslosen. In dieser Zeit gingen die Löhne der Berufstätigen zurück. Wegen der eingebrochenen Löhne hätten auch die Renten in der Krise eigentlich sinken müssen; dies wollten wir den Rentnern, die einen hohen Anteil ihrer Lebenshaltungskosten als Fixkosten haben (z.B. Miete) und die übrigen Preissteigerungen mit ihrer Rente auffangen müssen, nicht zumuten. Deshalb wurde 2010 eine gesetzliche Schutzklausel eingeführt, dass auch bei sinkenden Löhnen die Renten nicht ebenfalls sinken, sondern zumindest auf dem erreichten Niveau bleiben; im Vergleich zu den gesunkenen Löhnen war damit eine Besserstellung der Renten verbunden. Es war aber nicht gerechtfertigt, dass die Renten im Vergleich zu den Löhnen dauerhaft diesen relativen Vorteil behalten, denn dies wäre zu Lasten der Beitragszahler gegangen. Deshalb haben wir im Gegenzug der jungen Generation die Zusage gegeben, dass die Kosten der Rentengarantie in den Folgejahren bei den späteren Rentenanpassungen schrittweise wieder ausgeglichen würden. Bitte bedenken Sie: eine Rentenanpassung geht grundsätzlich nicht etwa auf Kosten der Regierung oder des Staatshaushaltes, sondern ist von den Erwerbstätigen aufzubringen, die mit ihren Beiträgen die Rente im Umlageverfahren finanzieren. Vielleicht haben Sie Kinder oder sonstige Verwandte und Freunde in diesem aktiven Alter und wissen deshalb, dass deren Belastung durch Rentenbeiträge schon ganz erheblich sind. Sicher haben Sie Verständnis, dass die Begünstigung der Renten in der Krise gegenüber den Arbeitseinkommen nicht dauerhaft fortgeschrieben werden kann. Dieser Ausgleichsfaktor macht insgesamt noch 0,71% aus, die in diesem Jahr teilweise abgeschmolzen werden.

Hinzu kommen der sogenannte Nachhaltigkeitsfaktor, der die Veränderung des Verhältnisses von Rentenbeziehern zu Beitragszahler berücksichtigt. Die Zahl der Rentner steigt im Verhältnis zu den Beitragszahlern stetig. Dies liegt vor allem daran, dass Rentner heute dank guter Gesundheit und längerer Lebenserwartung länger Leistungen der Rentenkasse beziehen: von ca. 10 durchschnittlichen Rentenjahren in den 60er Jahren ist der Rentenbezugsdauer mittlerweile auf über 17 Jahre gestiegen. Immer weniger Aktive müssen deshalb die Rente eines Rentners mit ihren Beiträgen aufbringen. Ein Teil dieser Entwicklung wurde durch steigende Rentenbeiträge aufgefangen, ein Teil wird aber auch durch den sogenannten Nachhaltigkeitsfaktor bei den Renten korrigiert. Dazu kommt noch der sogenannte Riesterfaktor, der berücksichtigt, dass die Aktiven heute auch außerhalb der gesetzlichen Rente gehalten sind, mehr private Vorsorge für ihr Alter zu betreiben und sie dafür auch Beträge aus ihrem Arbeitseinkommen verwenden müssen.

Dies alles zusammen führt dazu, dass die Rentenentwicklung im Westen in diesem Jahr so gering ausfällt – und sie können sicher sein, dass sich gerade die Politik in diesem Wahljahr ein anderes Ergebnis gewünscht hätte. Aber es ist eben nicht eine politische Entscheidung, welche Steigerung den Rentner etwa „zugebilligt“ wird, sondern dies wird nach der geltenden gesetzlichen Formel und anhand der Angaben des Statistischen Bundesamtes ermittelt.

Nun zu den Renten in Ostdeutschland: Seit der Wiedervereinigung werden die Rentensteigerungen im Westen und im Osten der Bundesrepublik getrennt berechnet. Das ist aus der Situation bei der Wiedervereinigung heraus zu erklären: auch die Rentner aus den Neuen Ländern mussten in das Umlageverfahren der Rentenkasse aufgenommen werden, weil ihre Alterssicherung anders nicht gewährleistet war. Vielfach wurde hiergegen eingewandt, dass sie doch nicht in die Rentenkasse eingezahlt hätten. Aber man muss auch sehen: Ihre eigenen Eltern hatten die damaligen Rentner ebenfalls in den Systemen der DDR versorgt; in das umlagefinanzierte, d.h. von den Beiträgen der aktiven Arbeitnehmer bezahlte Rentensystem der Bundesrepublik brachten sie auch die eigenen Kinder, d.h. die vielen jungen Menschen ein, die seither ebenfalls Beiträge in die Rente zahlen und sonst im System der DDR für ihre Eltern gesorgt hätten. So ganz ungerecht war die Entscheidung, die Rentner dann auch an den Zahlungen der Rentenkasse teilhaben zu lassen, also nicht. Außerdem gab es zwei weitere Elemente der Kompensation: zum einen wurde der Anteil des Bundeshaushaltes an der Rentenkasse massiv erhöht – er beträgt heute rund ein Drittel der Rentenausgaben. Außerdem wurde der Rentenwert für Rentner in den neuen Ländern deutlich geringer angesetzt (1990 Rentenwert Ost: 15,95 DM, West: 39,58 DM). Seither steigen die Renten im Osten ebenfalls nach den dortigen Löhnen unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeits-, Riester- und Nachholfaktoren.

In diesem Jahr kommen einige Effekte zusammen, die sich im Osten so vergleichsweise gut auswirken:

Zum einen gab es eine bessere Lohnentwicklung mit einer Steigerung von über 4 %. (wenn auch auf insgesamt niedrigerem Niveau, das macht an dieser Stelle allerdings keinen Unterschied); außerdem war der Nachholfaktor wegen der rechnerisch eigentlich notwendigen Absenkung der Rente in 2009/10 schon ausgeglichen. Der Westen war damals in der Krise einfach stärker betroffen, weil wir hier eine mehr exportorientierte Wirtschaft haben, so dass massive Exporteinbrüche auf die Löhne drückten.

Allerdings sind die Renten im Osten trotz dieser höheren Steigerung noch nicht auf dem Niveau der Westrenten angekommen: durch die zusätzlichen knapp 3% holt der Osten den Rückstand ein Stück weit auf und der aktuelle Rentenwert in den neuen Ländern steigt von 88,8 Prozent auf 91,5 Prozent des Wertes in den alten Ländern. Die Angleichung der Renten in Ost und West kommt damit einen wichtigen Schritt voran. Das ist nicht zu kritisieren, sondern zu begrüßen. Weiterhin bleibt es aber dabei, dass der Rentenwert im Osten immer noch spürbar hinter dem im Westen zurückbleibt.
Auch andere Sonderfaktoren gibt es hüben wie drüben: Geringere Rentenwerte im Osten werden ein Stück weit dadurch kompensiert, dass in einem Ehepaar häufiger als im Westen beide Partner eigene Rentenansprüche haben. Auf der anderen Seite setzen sich die generell höheren Löhne im Westen auch in höheren Rentenanwartschaften fort; günstig wirkt hier bei uns auch die über die Jahre geringere Arbeitslosigkeit, während im Osten viele Menschen in den 23 Jahren seit der Wiedervereinigung längere unfreiwillige Erwerbsunterbrechungen mit nur sehr geringen Anwartschaften aufzuweisen haben. Außerdem haben ältere Menschen im Westen häufiger zusätzlich zu ihrer gesetzlichen Rente noch Betriebsrenten und eigenes Vermögen bzw. (Wohn-) Eigentum.

Die Bundesregierung geht davon aus, dass voraussichtlich bis Ende des Jahrzehnts, also etwa 2019, die Lebensverhältnisse in Ost und West angeglichen sein werden. Es steht zu erwarten, dass dieser Aufholprozess nicht nur bei den Löhnen, sondern auch bei den Renten voranschreiten wird. Wenn dieser Prozess abgeschlossen ist, können wir auch das Rentensystem in Ost und West anpassen.

Insgesamt ist das System damit im großen und ganzen ausgewogen. Es kann nicht alle individuellen Ungerechtigkeiten und Ursachen unserer gelebten gemeinsamen Geschichte im geteilten und dann zum Glück wiedervereinten Deutschland ausgleichen – dafür waren die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Systeme doch zu ungleich. Bei einer Abwägung aller Umstände glaube ich allerdings weiterhin, dass heutige Senioren in Westdeutschland im Allgemeinen mit ihrer wirtschaftlichen und persönlichen Bilanz nicht schlechter da stehen, als Senioren im Osten und dass nicht viele tauschen wollten, wenn dies überhaupt möglich wäre.

Ich möchte nochmals betonen: Wie die Rentenanpassung konkret zum 1. Juli 2013 aussieht, ist keine aktuelle Entscheidung des deutschen Bundestags oder der Regierung, sondern das Ergebnis von Mathematik auf der Basis der statistischen Daten und geltenden Rechts.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen verdeutlichen, dass jeder der Faktoren seine Bedeutung und auch eine Berechtigung hat.

Zu den aufgeworfenen Fragen des Vergleichs von Rentenempfängern und den Empfängern von Versorgungsbezügen ist eine differenzierte Betrachtung not-wendig.
Bei der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beamtenversorgung handelt es sich um zwei verschiedene Alterssicherungssysteme, die auf jahrzehntelangen Traditionen beruhen und unterschiedlichen Entwicklungen unterworfen waren. Bei kurzfristigen Betrachtungen wird zudem häufig verschweigen, dass die Versorgungsbezüge seit 1958 um das Sechsfache, die Renten jedoch im selben Zeitraum um mehr als das Zehnfache gestiegen sind.

Seit 2004 hat es für die Beamten des Bundes fünf Nullrunden bzw. Bezügekürzungen gegeben. Zum ersten Mal nach mehrjährigen Nullrunden kam es 2008 wieder zu einer Anpassung der Versorgungsbezüge.

Die angesichts der demografischen Entwicklung in die Rentenanpassungsformel eingefügten Dämpfungselemente sind systemgerecht auf die Beamtenversorgung übertragen worden.

- Analog zur sogenannten „Riestertreppe“, die bei der Rentenanpassung die Aufwendungen der Beschäftigten für ihre zusätzliche private Altersvorsorge berücksichtigt, verminderten sich die acht nach dem 31. Dezember 2002 erfolgenden Anpassungen der Versorgungsbezüge. Das Versorgungsniveau der Alterssicherung der Beamten wurde dadurch bereits um insgesamt rund 4,33 Prozent gedämpft. Der höchstens erreichbare Ruhegehaltsatz verringerte sich von 75% auf 71,75%.
- Nach dem zeitlichen Auslaufen dieser Regelung zum 1. Januar 2011 erfolgt eine zusätzliche Dämpfung um jeweils 0,2 Prozentpunkte pro Versorgungserhöhung bis zum Jahr 2017, die dem Aufbau einer Versorgungsrücklage dient. Der pauschale Abschlag fand bereits im Zeitraum von 1999 bis 2002 Anwendung. Diese Regelung findet kein Pendant im rentenrechtlichen Bereich; sie war seinerzeit (1999) eine Übertragung des in der Rente angedachten, aber niemals eingeführten demographischen Faktors. Sie bewirkt eine dauerhafte Absenkung des Versorgungsniveaus um ca. 2%.
- Mit beiden Maßnahmen wird eine um ca. 6,4% geringere Steigerung der Versorgungsbezüge erreicht als ohne die entsprechenden Maßnahmen.

Aufgrund der bereits abgeschlossenen („Riesterfaktor“) bzw. noch laufenden („demographischer Faktor“) Anpassungen, die in ihren Endergebnissen vergleichbar der Rentenversicherung systemgerecht in der Beamtenversorgungversorgung entsprechende Wirkung zeigen, bedurfte es keiner (weiteren) Einführung eines Nachhaltigkeitsfaktors.

Mit freundlichen Grüßen

Elisabeth Winkelmeier-Becker

Was möchten Sie wissen von:
Portrait von Elisabeth Winkelmeier-Becker
Elisabeth Winkelmeier-Becker
CDU