Fragen zur Grundsicherungshöhe und Arbeitslosenstatistik

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Fabio De Masi
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Frage von Kanstansin K. •

Fragen zur Grundsicherungshöhe und Arbeitslosenstatistik

Sehr geehrter Herr De Masi, wie stehen Sie zum Thema Bürgergeld/ Grundsicherung ( Sozialhilfe, Altersgrundsicherung) und Mindestlohn? Hauptsächlich zum Thema Höhe, Anpassung bezgl. Inflation und einer aussagekräftigeren Arbeitslosenstatistik?

Mit freundlichen Grüßen

Kanstansin K.

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BSW

Sehr geehrter Herr K.,

 

gemäß EU-Mindestlohnrichtlinie müsste der Mindestlohn aktuell 14 Euro pro Stunde betragen und nach der nächsten Bundestagswahl voraussichtlich bereits 15 Euro erreichen. Ein Antrag des BSW zur Anhebung des Mindestlohns auf 14 Euro wurde von CDU/CSU, SPD, Grünen, FDP und AfD im Bundestag abgelehnt. Neben der Höhe des Mindestlohns ist jedoch auch der Schutz der Tarifbindung wichtig.

 

Ich halte eine aussagekräftigere Arbeitslosenstatistik für erforderlich. Die Tagesschau schreibt dazu:

„Wer sich nicht zur Arbeitssuche meldet, taucht in der Statistik nicht auf. Gleiches gilt für alle, die nicht mindestens 15 Stunden pro Woche arbeiten könnten oder wollen. Auch wer krankgeschrieben ist, fällt in dieser Zeit aus der Statistik. In der Arbeitslosenstatistik fehlen aber vor allem jene, die durch Instrumente der Arbeitsmarktpolitik gefördert werden. Das betrifft die Fort- und Weiterbildung genauso wie Trainings- und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Wer einen Ein-Euro-Job hat oder einen Gründungszuschuss erhält, ist damit offiziell nicht arbeitslos.

In der Statistik fehlen zudem Personen ab einem Alter von 58 Jahren, die mindestens seit zwölf Monaten Arbeitslosengeld II beziehen und in dieser Zeit keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung angeboten bekommen haben. Dieser Sonderregel wurde zwar mit Einführung des Bürgergelds im Januar 2023 gestrichen. Wer bis Ende 2022 aufgrund dieser Regelung nicht als arbeitslos galt, wird aber aufgrund von Übergangsregelungen auch nicht neu als arbeitslos in der Statistik geführt.

Zusätzlich streicht die Arbeitsagentur alle aus der Statistik, die eine Vermittlung erschweren, weil sie ihre Pflichten bei der Jobsuche nicht erfüllen - zum Beispiel, weil sie nicht oder nicht zeitnah dazu bereit sind, an Maßnahmen der Arbeitsagenturen teilzunehmen, oder weil sie sich weigern, eine "zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für sie oder ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes" anzunehmen.“

https://www.tagesschau.de/wirtschaft/konjunktur/hg-arbeitslosenzahlen-101.html

Wir streben für ältere Beschäftigte bzw. langjährig Versicherte eine längere Arbeitslosenversicherung an, die im Alter vor dem schnellen Abstieg in das Bürgergeld schützt und kritisieren die Zumutbarkeitskriterien, die Druck ausüben, auch schlecht entlohnte Tätigkeiten anzunehmen und somit das Lohngefüge unter Druck setzen. 

Derzeit führt insbesondere die CDU eine Debatte über das Bürgergeld und erweckt den Eindruck, als hätten die wirtschaftlichen Probleme Deutschlands im Zuge von Wirtschaftskrieg und Kürzungspolitik der Ampel-Regierung mit einem zu hohen Bürgergeld und einer zu geringen Arbeitsbereitschaft zu tun. Dabei ist die Beschäftigung auf einem Höchststand. Es handelt sich daher überwiegend um eine Phantomdebatte, die von den unzureichenden öffentlichen und privaten Investitionen und der Schwäche der Nachfrage durch die gesunkenen Reallöhne ablenkt. 

Ein Problem ist jedoch real: Es gibt verbreitet das Modell Schwarzarbeit plus Bürgergeld, da Niedriglöhne zu gering sind. Selbstverständlich gibt es auch Fälle von Menschen, die sich Arbeit verweigern und ist kritisch zu diskutieren, ob etwa die Privilegierung von ukrainischen Flüchtlingen beim Bürgergeld Fehlanreize stiftet. Auch sind Mitwirkungspflichten – etwa zur Qualifizierung – bei jüngeren Bürgergeldempfängern wichtig, um Depression und eine dauerhafte Entwertung von Fähigkeiten zu verhindern. Allerdings funktioniert bei diesen Härtefällen der viel diskutierte Leistungsentzug in der Regel ohnehin nicht, wie Studien belegen. Zudem gibt es eine Schranke des Existenzminimums, die laut Bundesverfassungsgericht nicht zu unterschreiten ist. Ganz abgesehen davon, dass die fiskalischen Schäden durch die oben beschriebenen Problemlagen nur ein Bruchteil der Schäden durch Finanzkriminalität von Unternehmen und Vermögenden ausmachen. 

Wir sollten in Deutschland daher dringend eine Qualifizierungsoffensive starten und mehr öffentlich investieren sowie den Mindestlohn erhöhen.

Mit freundlichen Grüßen

Fabio De Masi