Frage an Felix Schreiner bezüglich Gesundheit

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Felix Schreiner
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Frage von André D. •

Frage an Felix Schreiner von André D. bezüglich Gesundheit

Wieso wird in dem »Gesetz zum Schutz vor Behandlungen zur Veränderung der Unterdrückung der sexuellen Orientierung oder der selbstempfundenen ›Geschlechtsidentität‹« Homosexualität mit Gender Dysphoria vermischt? Bei Homosexualität ist der affirmative Ansatz zu begrüssen. Was denken Sie, wird passieren, wenn Personen mit Depressionen und Gender Dysphoria als einzige Option die irreversible medizinsche Veränderung nahegelegt wird? Wollen Sie solche Gesetze dann auch auf Mädchen mit Anorexia vorschreiben? Ärztinnen und Ärzte sind per Gesetz und durch den hippokratischen Eid verpflichtet Menschen zu helfen. Wie kann dies noch geleistet werden, wenn sie gleichzeitg mit diesem Gesetz verpflichtet werden, einen einen gesunden Körper eines Menschen mit Depressionen irreversibel zu verändern und diesen Menschen zu einer chronisch kranken Person zu machen (Stichwort Hormontherapie)?

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Sehr geehrter Herr D.,

haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage.

In Deutschland werden nach wie vor Maßnahmen durchgeführt, die eine sexuelle Orientierung - wie Homo- oder Bisexualität - oder die selbstempfundene geschlechtliche Identität - wie Trans- oder Intersexualität - verändern oder unterdrücken sollen. Diese Konversionsbehandlungen hinterlassen bei Betroffenen oftmals psychische Schäden. Negative und schädliche Effekte sind wissenschaftlich zuverlässig nachgewiesen. Ein Nutzen hingegen nicht.

Sexuelle Orientierung ist ein multidimensionales Konstrukt. Zu unterscheiden sind u.a. die gleichgeschlechtliche sexuelle Attraktion, gleichgeschlechtliches sexuelles Verhalten, die homosexuelle Identität und physiologischen Reaktionen auf gleichgeschlechtliche Reize.

Im Auftrag der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld (BMH) wurde vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf ein Gutachten zur Fragestellung von sogenannten Konversionsbehandlungen bei homosexueller Orientierung erstellt. Dieses finden Sie hier: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/K/Konversionstherapie/Gutachten_Prof._Dr._med._Peer_Birken.pdf

Das Gutachten zeigt, dass es keine medizinisch-psychotherapeutischen Indikationen für eine Wirksamkeit von Konversionsbehandlungen gebe und diese zudem forschungsethisch problematisch seien.

Der Begriff "Konversionstherapie" habe im Feld Tradition und sei als geläufig anzusehen. Dennoch sei er aus zwei Gründen problematisch: Erstens könne von einer Therapie streng genommen schon deshalb keine Rede sein, weil Homosexualität keine Störung oder Krankheit sei und damit auch keine Indikation für eine Therapie vorliege. Zudem kämen Interventionen zur Anwendung, die klassischerweise nicht dem Therapiebegriff zugeordnet würden, wie z.B. religiöse Methoden oder selbstorganisierte Maßnahmen. Zweitens unterstelle der Begriff einer Konversion ein eindimensionales und binäres Konzept sexueller Orientierung, welches dem aktuellen Forschungsstand nicht gerecht werde.

In dem Gutachten finden sich verschiedene Empfehlungen aus sexualwissenschaftlicher, psychiatrischer und psychotherapeutischer Sicht:

- Wenn es zu einer psychischen Belastung durch nicht-heterosexuelle Orientierung kommt, so kann diese Belastung Ausgangspunkt einer Beratung oder Therapie sein, die jedoch nicht zum Ziel haben darf, die sexuelle Orientierung zu verändern. Vielmehr sollte versucht werden, die Symptombelastung (z.B. durch Depression) zu verringern. Dies kann z.B. im Rahmen einer professionellen Beratung, Psychotherapie oder auch in Selbsthilfegruppen erfolgen.

- Die sich durch gesellschaftliche Haltungen zu nicht-heterosexuellen Orientierungen ergebenden individuellen Stressoren (so genannter Minority Stress) sollten durch Maßnahmen auf mehreren Ebenen möglichst weitgehend reduziert werden. Dies kann affirmative psychotherapeutische Ansätze mit einschließen, für deren Wirksamkeit inzwischen auch eine kontrollierte Studie vorliegt (Pachankis et al. 2015), sowie gesellschaftlich-politische und pädagogische Prozesse (z.B. im Rahmen des Schulunterrichts).

- Zukünftige Forschung sollte aus ethischen Gründen von weiterer Erforschung von sogenannten „Sexual Orientation Chance Efforts“ (SOCE) Abstand nehmen und sich der Erforschung von Minority Stress sowie von affirmativen therapeutischen Angeboten widmen.

https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/K/Konversionstherapie/Gutachten_Prof._Dr._med._Peer_Birken.pdf

Die Bundesregierung spricht sich auch aus diesen Gründen, ebenso wie die maßgeblichen nationalen und internationalen wissenschaftlichen und psychotherapeutischen Verbände sowie der Bundesrat, deutlich gegen sogenannte Konversionstherapien aus.

Mit dem Gesetz zum Schutz vor Konversionsbehandlungen sollen diese an Minderjährigen generell sowie an Volljährigen, deren Einwilligung auf einem Willensmangel - etwa Zwang, Drohung, Täuschung oder Irrtum- beruht, verboten werden. Untersagt wird auch die Werbung für solche Behandlungen. Ziel ist der Schutz der sexuellen Selbstbestimmung.

Verstöße gegen das Verbot der Konversionsbehandlungen werden als Straftaten mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr sanktioniert. Wer gegen das Verbot der Werbung, des Anbietens und Vermittelns verstößt, muss mit einem Bußgeld von bis zu 30.000 Euro rechnen.

Die Behandlung von medizinisch anerkannten Störungen der Sexualpräferenz (Gender Dysphoria) ist vom Anwendungsbereich des Gesetzes ausdrücklich ausgenommen. Im Entwurf ist klargestellt, dass operative medizinische Eingriffe oder Hormonbehandlungen, die darauf gerichtet sind, der selbstempfundenen geschlechtlichen Identität der Person oder ihrem Wunsch nach einem eher männlichen oder eher weiblichen körperlichen Erscheinungsbild zum Ausdruck zu verhelfen, keine Konversionsbehandlungen sind.

In dem Gesetzentwurf geht es nicht darum, die selbstempfundene Geschlechtsidentität mit einer medizinisch anerkannten Störung der Sexualpräferenz zu vermischen. Es geht lediglich darum, explizit die Angebote von operativen medizinischen Eingriffen oder Hormonbehandlungen nicht unter dem Begriff der Konversionsbehandlungen zu klassifizieren, da solche Maßnahmen/ Optionen denjenigen offenstehen sollten, die sich aus freiem Willen und im Einklang mit dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit für sie entscheiden.

Wie Sie richtig feststellen, sind Ärztinnen und Ärzte dazu verpflichtet, Menschen bestmöglich und im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu helfen. Das Gesetz zum Schutz vor Konversionsbehandlungen verpflichtet sie nicht, Menschen mit einer Geschlechtsidentitätsstörung einen medizinischen operativen Eingriff oder eine Hormonbehandlung zu empfehlen. Im Gegenteil: Wenn es zu einer psychischen Belastung durch nicht-heterosexuelle Orientierung kommt, so kann diese Belastung Ausgangspunkt einer Beratung oder Therapie sein, die jedoch nicht zum Ziel haben darf, die sexuelle Orientierung zu verändern. Dies kann z.B. im Rahmen einer professionellen Beratung, Psychotherapie oder auch in Selbsthilfegruppen erfolgen.

Generell möchten wir das Beratungsangebot für betroffene Personen und für deren Angehörige sowie für beruflich und privat mit dem Thema befasste Personen erhöhen.

Herzliche Grüße - bleiben Sie gesund!

Felix Schreiner, MdB

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