Frage an Filiz (Phyliss) Demirel bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Filiz (Phyliss) Demirel
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Iris P. •

Frage an Filiz (Phyliss) Demirel von Iris P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Demirel,

wie stehen Sie dazu, dass sich das rot-grüne regierte Hamburg im Bundesrat am 7.7.2017 für eine Vertagung des Themas Vergütung für Berufsbetreuer*innen ausgesprochen hat ?

Welche Chancen sehen Sie, dass das Thema Vergütung der Berufsbetreuer*innen noch in dieser Legislatur behandelt wird?

Was werden Sie im Falle Ihrer Wahl unternehmen, dass dieses sozial- und gesellschaftspolitisch wichtige Thema nicht erneut in der Versenkung verschwindet. Wir fürchten ernsthaft um unseren Berufsstand, wenn es nicht bald zu einer Erhöhung der Vergütung und einer qualitativen Entwicklung des Berufes kommt.

Zudem wüsste ich gern, warum sich in Hamburg offenbar niemand für das Thema der rechtlichen Betreuung wirklich zuständig fühlt und zu interessieren scheint. In der Betreuung geht es schließlich um die Sicherung und Wahrung von Menschenrechten für Menschen mit Störungen in der Selbstsorgekompetenz ( z.B. durch psychische und seelische Erkrankungen).

Es grüßt Sie

I. P.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau P.,

vielen Dank für Ihre Frage. Mit Ihrer Tätigkeit als Berufsbetreuerin nehmen Sie eine wichtige Aufgabe im Gemeinwesen wahr. Ich stimme Ihnen zu, dass es ein wichtiges Anliegen ist, für betreuungsbedürftige Menschen eine angemessene Betreuung sicherzustellen.
Zu dem von Ihnen angesprochenen Thema Betreuervergütung ist zunächst festzuhalten, dass die Vergütung der Berufsbetreuer in den letzten Jahren keinesfalls stagnierte. Sowohl die Umstellung des Vergütungssystems auf das Pauschalmodell 2005 als auch der Wegfall der Umsatzsteuerpflicht 2013 haben zu einer erheblichen Steigerung des durchschnittlichen Einkommens von Berufsbetreuern geführt.
Unabhängig davon wollen wir aber eine grundlegende Qualitäts- und Strukturdebatte im Betreuungsrecht führen. Zu dieser Debatte gehört auch, aber nicht isoliert, die Frage der Betreuervergütung. Eine von dieser Debatte isolierte Anhebung der Betreuervergütung, wie nun in dem Gesetzentwurf zur Verbesserung der Beistandsmöglichkeiten unter Ehegatten und Lebenspartnern zum Ehegattenbeistand vorgesehen, halten wir für nicht sinnvoll. Hierfür spricht zum einen die aktuelle Struktur der Betreuervergütung, die sich aus dem Stundensatz und dem Stundenansatz zusammensetzt. Auch Sie stellen diese Verknüpfung her, wenn Sie darauf hinweisen, dass es um die Wahrung von Menschenrechten geht. Die Gestaltung der Betreuervergütung in der Zukunft muss daher umfassend unter Berücksichtigung aller relevanten Aspekte diskutiert werden. Wesentliches Element der anstehenden Debatte, das nicht aus dem Blick verloren werden darf, ist schließlich die Qualität der Betreuung. Es ist aber nicht ersichtlich, wie eine isolierte Erhöhung des Stundensatzes zu einer unmittelbaren Qualitätssteigerung bei der Betreuung führen soll.
Grundlage der Debatte müssen zudem wissenschaftliche Erkenntnisse sein, die auf einer gründlichen und methodisch einwandfreien Datenbasis beruhen. Diese Grundlage bietet der vorliegende zweite Zwischenbericht des Forschungsvorhabens „Qualität der rechtlichen Betreuung“ leider nicht. Im Hinblick auf die Betreuervergütung fehlt eine tragfähige Tatsachengrundlage völlig. Ich will im Folgenden beispielhaft nur einige wenige Mängel des Berichts im Bereich der Betreuervergütung aufgreifen. So basiert der Zwischenbericht bei der Einnahmen- und Ausgabenentwicklung auf Selbstaufschreibungen von nur 101 der gut 11.000 selbstständigen Berufsbetreuer in Deutschland, wovon nur 70 auch Angaben für das Jahr 2008 gemacht haben. Die teilnehmenden Betreuer wurden auch nicht zufällig ausgewählt, vielmehr konnte jeder Betreuer teilnehmen, was die wegen der geringen Beteiligung ohnehin schon wenig aussagekräftige Auswertung noch problematischer macht.
Darüber hinaus arbeitet der Zwischenbericht bei der Einkommensermittlung offenbar mit absoluten Zahlen. Es wird nicht berücksichtigt, ob die teilnehmenden Betreuer in Vollzeit tätig sind oder nur in Teilzeit, wie dies bei einem nennenswerten Anteil der Berufsbetreuer der Fall ist. Das macht die ermittelten Durchschnittswerte völlig unbrauchbar.
Wir hoffen, dass diese und weitere Mängel im Abschlussbericht behoben sein werden und dieser damit als Grundlage für die Weiterentwicklung der rechtlichen Betreuung dienen kann und wir die umfassende Diskussion zur angestrebten Qualität der rechtlichen Betreuung einschließlich der Fragen zur Betreuervergütung auf ausreichender Tatsachenbasis führen können.

Freundliche Grüße,
Filiz Demirel

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