Frage an Florian Post

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Florian Post
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Frage von Nicolai D. •

Frage an Florian Post von Nicolai D.

Sehr geehrter Herr Post,

TTIP und CETA stehen weiterhin in der Kritik. CETA steht kurz vor der Abstimmung im EU Parlament und es droht eine vorläufige Inkraftsetzung durch die EU.

Herr Gabriel hatte in der Vergangenheit stets betont, dass das Abkommen nur in Kraft treten dürfe, wenn die Parlamente aller EU-Mitgliedstaaten ihm zustimmen.
Zum heutigen Zeitpunkt hat Herr Gabriel keine Einwände gegen die vorläufige Inkraftsetzung.
Wie stehen sie zu der vorläufigen CETA Anwendung und wie beurteilen Sie die Einhaltung unserer Grundrechte im Rahmen dieses Abkommens?

Auch zum Thema der Schiedsgerichte scheint sich die Position von Hr. Gabriel zu ändern. Nachdem er diese in der Vergangenheit durch einen Internationalen Gerichtshof ersetzen wollte, plant sein Ministerum nun sogar Schiedsgerichte innerhalb der EU.
Warum werden Schiedsgerichte oder ein internationaler Gerichtshof benötigt wenn die beteiligten Staaten über funktionierende Rechtssysteme verfügen?
Wie stehen Sie zu diesen "Sondergerichten"?

Die TTIP Leaks zeigen offensichtlich die Bereitschaft der EU unsere Standards als Verhandlungsmasse anzubieten.
Wie beurteilen Sie die Vereinbarkeit der US amerikanischen mit den EU Standards und das Risko für den Verbraucherschutz bei einer Angleichung.

Von einer Transparenz der TTIP Verhandlungen ist trotz des eingerichteten Leseraums im Wirtschaftsministerium wenig zu spüren.
Die Abgeordneten dürfen nun die Verhandlungstexte zeitlich begrenzt einsehen, düren sich keine Notizen machen und dürfen denn den Orginaltet natürlich auch nicht mitnehmen.
Wie können sie als Abgeordneter die Vereinbarungen unter diesen Bedingungen juristisch bewerten?
Das erscheint mir, als ob mir ein Arbeitgeber einen Arbeitsvertrag zur Unterschrift vorlegt, ich diesen aber nicht mitnehmen und über die Inhalte nicht sprechen darf. Was würde mir ein Anwalt sagen, wenn ich ihn um eine Beratung zu diesem Vertrag bitten würde.

MfG

Nicolai Deutschmann

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Deutschmann,

vielen Dank für Ihre Anfrage vom 5. Juni 2016 zum Thema TTIP und CETA.

Sie äußern die Befürchtung die EU könne europäische Standards den USA als Verhandlungsmasse anbieten. Dieser Mutmaßung muss ich entschieden entgegentreten. Mit der SPD-Bundestagsfraktion wird es keine Absenkungen der europäischen Standards geben, weder beim Arbeitsschutz, noch bei den Gesundheits- oder Umweltstandards. Und insbesondere auch beim sog. Vorsorgeprinzip werden wir keine Abstriche zulassen. In Europa darf kein Produkt auf den Markt kommen, das womöglich gesundheitsgefährdend sein könnte. Im Gegensatz zu dem in Europa geltenden Vorsorgeprinzip herrscht in den USA das Risikoprinzip: Hier muss erst bewiesen werden, dass ein Produkt schädlich ist – solange darf es auf dem Markt bleiben. Die Anwendung des Risikoprinzips lehnen wir Sozialdemokraten daher strikt ab.

Sie sprechen auch das zentrale Thema der Transparenz der Verhandlungen an. Von Anfang an haben wir als SPD-Bundestagsfraktion auf mehr Transparenz in den Verhandlungen gedrungen, denn ohne Transparenz ist eine Unterstützung für TTIP in der Öffentlichkeit von vornherein undenkbar. Obwohl sich bei den TTIP-Verhandlungen vieles zum Positiven gewendet hat – die EU-Verhandlungspositionen und Texte stehen seit langem im Internet ( http://trade.ec.europa.eu/doclib/press/index.cfm?id=1252&langId=de ) und sind für jede Bürgerin und jeden Bürger frei zugänglich; auch die Verhandlungsberichte werden veröffentlicht und ein TTIP-Leseraum mit Zugangsrecht für Bundestagsabgeordnete wurde als erster Schritt eingerichtet – werden nach wie vor keine TTIP-Textvorschläge der US-Seite veröffentlicht.

Das eben jene TTIP-Textvorschläge der US-Seite, welche nun von Greenpeace geleakt wurden, bisher nicht veröffentlicht wurden, hat mit Vereinbarungen zwischen der Europäischen Kommission und der US-Regierung zu tun. Die Offenlegung der Dokumente bestätigt uns aber in unserer Haltung, wonach die Verhandlungen bestimmte rote Linien respektieren müssen, welche wir als SPD-Bundestagsfraktion im Frühjahr 2013 formuliert haben. Diese roten Linien gelten weiterhin: Wir halten am Vorsorgeprinzip fest! Wir werden eine Absenkung der Schutzstandards der EU nicht zulassen! Vergleicht man die Verhandlungspositionen der USA, wie sie in den von Greenpeace veröffentlichten Texten dargestellt sind, mit den Roten Linien, wie wir sie als SPD-Bundestagsfraktion formuliert haben, ist festzuhalten, dass wir von einer Einigung noch weit entfernt sind.

Sie erkundigen sich, wie die SPD zu privaten Schiedsgerichten steht. Die Antwort auf diese Frage fällt eindeutig aus: Die SPD lehnt private Schiedsgerichte in Handelsabkommen grundsätzlich ab.

Bei diesem Thema kam es leider in der Vergangenheit – auch aufgrund von irreführender Presseberichterstattung – immer wieder zu Missverständnissen. Das Thema Investitionsschutz wird aktuell nämlich nicht nur im Zusammenhang mit TTIP verhandelt. Neben den TTIP-Verhandlungen soll auch eine Reform des Investitionsschutzsystems innerhalb Europas auf den Weg gebracht werden. Es wird debattiert, was an die Stelle der aktuell bereits bestehenden ca. 190 innereuropäischen bilateralen Investitionsschutz-Abkommen künftig treten soll. Hierzu liegen Vorschläge auf dem Tisch, die jetzt besprochen werden: Die Vorschläge würden es ermöglichen, die bestehenden Investitionsschutzverträge zwischen EU-Mitgliedstaaten baldmöglichst zu beenden und damit das alte System der Investor-Staat-Streitbeilegung (Investor-state dispute settlement) abzuschaffen! Diese Vorschläge unterstützen wir als SPD-Bundestagsfraktion.

Mit Blick auf das Handelsabkommen CETA sprechen Sie auch das Thema einer sog. vorläufigen Inkraftsetzung durch die EU an. Falls die EU-Kommission dem Rat vorschlagen sollte, CETA vorläufig anzuwenden, wäre dies kein Novum. Zum Hintergrund dieser Praxis ist Folgendes anzumerken: Die vorläufige Anwendung völkerrechtlicher Verträge der EU ist im EU-Verfassungsrecht vorgesehen und entspricht der üblichen, langjährigen Praxis bei EU-Freihandelsabkommen. Immerhin haben wir der EU die ausschließliche Kompetenz zur Aushandlung und zum Abschluss von Handelsabkommen übertragen. Dafür gibt es auch gute Gründe. Wenn die EU mit ihrem großen Binnenmarkt gemeinsam mit einem Drittstaat verhandelt, hat sie eine bessere Verhandlungsposition als ein einzelner Mitgliedstaat. Davon profitiert insbesondere unser exportstarkes Land und gerade auch deutsche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Mit dieser europäischen Integration geht natürlich einher, dass die Mitgliedstaaten Kompetenzen abgeben. Das war und ist politisch gewollt.

Entscheidend ist jedoch, dass sich die vorläufige Anwendung eines EU-Abkommens immer nur auf diejenigen Teile des Abkommens bezieht, die eindeutig in der EU-Zuständigkeit liegen! Die Bereiche, die in mitgliedstaatlicher Kompetenz verblieben sind, werden erst nach dem erfolgreichen Abschluss der nationalen Ratifizierungsverfahren in Kraft treten. Das gesamte Abkommen kann also erst dann in Kraft treten, wenn auch Bundestag und Bundesrat ihm zugestimmt haben!

Voraussetzung für die vorläufige Anwendung des Teils von CETA, welcher in die EU-Zuständigkeit fällt, ist, dass sowohl der Rat als auch das Europäische Parlament dem Abkommen zugestimmt haben. Das Europäische Parlament nimmt seine Verantwortung der demokratischen Überprüfung des Abkommens sehr ernst. Es hat in der Vergangenheit bereits Abkommen abgelehnt, die seinen Ansprüchen nicht genügten.

Außerdem sind wir, als SPD-Bundestagsfraktion, der Auffassung, dass die Investitionsschutzbestimmungen von der vorläufigen Anwendung ausgenommen werden müssen, da hier auch mitgliedstaatliche Kompetenzen betroffen sind. In der Summe ist also festzuhalten: Der Teil von CETA, welcher politisch besonders kontrovers ist, wird ohne Zustimmung des Bundestages und Bundesrates nicht zur Anwendung kommen.

Mit freundlichen Grüßen
Florian Post