Frage an Florian Toncar bezüglich Finanzen

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Florian Toncar
FDP
83 %
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Frage von Ulrike N. •

Frage an Florian Toncar von Ulrike N. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Herr Toncar,

zur Bundestagswahl 2021 führen wir (Gemeinwohlökonomie Deutschland, Monetative e.V., Samuel-Pufendorf-Gesellschaft für politische Ökonomie e.V., Entrepreneurs4Future Stuttgart und Genossenschaft für Gemeinwohl) eine mehrstufige Befragung aller Bundestagsparteien zu den Themen Geld- und Finanzpolitik durch. Nachfolgend finden Sie das dritte Fragenpaket zum Themenbereich:
C. Maßnahmen zu umweltschonendem Wirtschaften

C.1) Mit welchen Empfehlungen zu steuerlichen Anreizen und Konjunkturprogrammen kann der Finanzausschuss Investitionen in umweltschonende Technologien und nachhaltige Konsummuster beschleunigen?

C.2) Mit welchen handelspolitischen Maßnahmen kann ein fairer Wettbewerb ermöglicht und das Unterlaufen ökologischer und sozialer Standards verhindert werden?

C.3) Soll der Ausstieg aus Kohle, Gas und Öl beschleunigt werden? Und wenn ja, wie?

C. 4) Welche Konzepte gibt es für die Finanzierung öffentlichen, nachhaltigen und gemeinnützigen Wohnungsbaus?

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Antwort von
FDP

Sehr geehrte Frau Niethammer,

vielen Dank für Ihre Fragen, die ich gerne wie folgt beantworte:

Zu Frage C.1:

Wir in der FDP-Bundestagfraktion möchten private Investitionen in Zukunftstechnologien erleichtern. Dazu möchten wir Forschung und Entwicklung stärker steuerlich fördern, die Rahmenbedingungen für die Bereitstellung von Wagniskapital verbessern, ebenso wie die Abschreibungsbedingungen. Zudem benötigen wir generell niedrigere Steuersätze für Unternehmen und private Haushalte, damit mehr Geld für Investitionen zur Verfügung steht.
Um sicherzugehen, dass klimafreundlich investiert wird, möchten wir das EU-Emissionshandelssystem auf sämtliche Verursacher klimaschädlicher Emissionen ausweiten. In dessen Rahmen wird eine begrenzte und jährlich sinkende Anzahl an Emissionsberechtigungen vergeben, die zwischen den Verursachern von Treibhausgasemissionen frei gehandelt werden können. Das sorgt dafür, dass klimaschädliche Technologien automatisch unrentabler werden, und es entsteht ein Wettbewerb um die effizientesten Technologien zur Vermeidung von Treibhausgasemissionen.
Ebenso möchten wir Anleger dabei unterstützen, gemäß ihrer Vorstellungen in nachhaltige Anlageformen zu investieren, auch über den Klimaschutz hinaus. Dabei muss berücksichtigt werden, dass der Nachhaltigkeitsbegriff vielschichtig ist (z.B. ökologisch, sozial, gute Unternehmensführung) und es keine allgemeingültige Definition gibt. Wichtig ist daher in erster Linie Transparenz: Anleger müssen erkennen, welche Nachhaltigkeitskriterien bei einzelnen Anlageprodukten konkret zugrunde gelegt werden, damit sie Investitionen nach ihren Vorstellungen tätigen können. Dazu muss die EU-Taxonomie zur Klassifizierung nachhaltiger Anlageformen weiterentwickelt werden, so dass sie unterschiedliche Dimensionen und Definitionen von Nachhaltigkeit berücksichtigt, ebenso wie die Möglichkeit technischer Innovationen. Zudem müssen die Anlageentscheidungen weiterhin freiwillig bleiben: Die Taxonomie muss ein Informationsinstrument sein, kein staatliches Steuerungsinstrument für Investitionen.

Zu Frage C.2:

Handelsabkommen bieten die Möglichkeit, gemeinsam mit den Handelspartnern hohe ökologische und soziale Standards international zu verankern, wenn die Wirtschaftskraft der jeweiligen Freihandelszone so stark ist, dass auch andere Staaten nicht an ihr vorbeikommen. Die Bundesregierung und die Europäische Union müssen hier in die Offensive gehen, denn vielen anderen Wirtschaftsmächten sind diese Standards weniger wichtig. Das Freihandelsabkommen Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP) zwischen China und 14 weiteren Staaten der Region, das ca. 30 Prozent der Weltbevölkerung umfasst und Ende vergangenen Jahres unterzeichnet wurde, nimmt beispielsweise kaum Rücksicht auf Standards in Bereichen wie Umwelt, Klima, Arbeitsbedingungen oder Rechtsstaatlichkeit, die uns wichtig sind. So drohen diese Standards weltweit unterlaufen zu werden.

Mit dem Umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommen EU-Kanada (CETA) existiert ein fertig verhandeltes umfassendes Abkommen mit einem wichtigen Handelspartner, welches hohe Standards setzt. Wir in der FDP-Bundestagsfraktion setzen uns dafür ein, dieses schnell zu ratifizieren. Das Abkommen zwischen der EU und der südamerikanischen Freihandelszone Mercosur möchten wir ebenfalls zeitnah umsetzen, ergänzt um eine Zusatzvereinbarung zum Schutz und Erhalt bestehender Waldflächen. Zur Überwachung des im EU-Mercosur-Abkommen vorgesehenen Mechanismus zur Umsetzung des Paris Klimaschutzabkommens fordern wir die Einsetzung einer Regenwaldkommission, die aus Regierungsvertretern und zivilgesellschaftlichen Akteuren besteht.

Langfristig möchten wir einen umfassenden transatlantischen Wirtschaftsraum schaffen, der aufgrund seiner wirtschaftlichen Bedeutung weltweit Standards setzen kann. Mit US-Präsident Joe Biden besteht hier eine gute Chance, da er die USA wieder in das Pariser Klimaschutzabkommen geführt hat, und Biden im Gegensatz zu seinem Vorgänger sehr an einer Zusammenarbeit mit Europa interessiert ist. Bei anderen Staaten, die weiter weg von unseren Standards sind, streben wir eine stufenweise Kooperationsvertiefung an: Hier sollte der schrittweise Abbau von Handelshürden nach und nach mit Kooperationen in anderen Bereichen wie Umwelt- und Sozialstandards verbunden werden.

Näheres zu diesen Fragen können Sie unserem Antrag „Transatlantischer Wirtschaftsraum als europäische Antwort auf das Regional Comprehensive Economic Partnership-Freihandelsabkommen” entnehmen: https://dserver.bundestag.de/btd/19/257/1925732.pdf

Zu Frage C.3: Soll der Ausstieg aus Kohle, Gas und Öl beschleunigt werden? Und wenn ja, wie?

Die Verbrennung sämtlicher fossiler Energieträger muss verbindlich zurückgefahren werden, so dass die Pariser Klimaziele sicher erreicht werden. Das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum Klimaschutzgesetz muss uns allen ein Weckruf sein. Um dies zu gewährleisten, möchten wir den bereits bestehenden europäischen Emissionshandel nutzen, in dessen Rahmen eine begrenzte und jährlich sinkende Anzahl an Emissionsberechtigungen vergeben wird, die zwischen den Verursachern von Treibhausgasemissionen frei gehandelt werden können (siehe auch die Antwort auf Frage C. 1). Diesen Mechanismus möchten wir von seinem aktuellen Umfang des Stromsektors, der energieintensiven Industrie und dem innereuropäischen Flugverkehr auf alle Verursacher von Treibhausgasen erweitern. So haben die Verursacher der Emissionen den Anreiz, möglichst kostengünstige Lösungen zur Vermeidung selbiger zu finden und durchzusetzen.

Zu Frage C. 4:

Diese Frage hatte Ihr Kollege Klaus Karwat mir bereits in Teil B Ihres Fragenkataloges gestellt. Darauf hatte ich wie folgt geantwortet:

Angesichts des eklatanten Wohnraummangels in den großen Städten und Ballungsgebieten ist es uns in der FDP-Bundestagsfraktion sehr wichtig, den Wohnungsbau zu vereinfachen, unabhängig davon, ob die Bauträger öffentlich, genossenschaftlich, oder privatwirtschaftlich organisiert sind. Um gerade Vermieter zu unterstützen, die ihre Wohnungen zu sehr günstigen Preisen vermieten, möchten wir deren steuerliche Benachteiligung beenden: Die Regelung im Einkommensteuergesetz, laut der Vermieter, welche weniger als 50% der ortsüblichen Miete verlangen, ihre Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung nur anteilig abziehen können, möchten wir auf Mietverhältnisse zwischen nahen Angehörigen beschränken (https://www.fdpbt.de/sites/default/files/2020-10/1923677.pdf - zum Zeitpunkt der Einbringung des Gesetzentwurfes lag die Schwelle noch bei 66%, daher bezieht sich die Gesetzesbegründung noch auf diesen Wert).
Zudem möchten wir in der FDP-Bundestagsfraktion mit mehreren Maßnahmen generell günstigeren Wohnraum schaffen: Dazu gehören unter anderem die Vereinfachung von Bauvorschriften, schnellere Genehmigungsverfahren, und die Bereitstellung von mehr Bauland. Zudem möchten wir den steuerlichen Abschreibungssatz für Wohnungsbau erhöhen, die Umwandlung von Büro- und Gewerbeflächen in Wohnungsfläche baurechtlich vereinfachen, und die Infrastruktur im ländlichen Raum fördern, damit dieser attraktiver wird und sich der Druck auf den Wohnungsmarkt in Ballungsräumen vermindert. Genaueres dazu können Sie in unserem Positionspapier nachlesen: https://www.fdpbt.de/sites/default/files/2021-05/Beschluss_Wohnungsbau_foerdern.pdf

Dr. Florian Toncar, MdB
Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion

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