Frage an Gabriela Heinrich bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Gabriela Heinrich, SPD-Bundestagsabgeordnete für Nürnberg-Nord
Gabriela Heinrich
SPD
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Frage von Andreas R. •

Frage an Gabriela Heinrich von Andreas R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Heinrich,

In Frankreich herrscht eine ausgeprägte Trennung von Kirche und Staat. Ein Gotteslästerungsparagraph wie in Deutschland (§ 166 StGB) wäre dort undenkbar. In Frankreich wird zwischen der Diskriminierung einer Person wegen seiner Religion, d.h. Diskriminierung, und der Kritik an einer Religion unterschieden. Ersteres ist selbstverständlich verboten, letzteres ist dort selbstverständlich erlaubt. Dies äussert sich etwa in den Karikaturen der Zeitschrift Charlie Hebdo. Die Anschläge auf die Zeitschrift haben gezeigt, welch hohes gut die Pressefreiheit in einer Gesellschaft darstellt. In Staaten in denen Religion nicht kritisiert werden kann, werden Frauen, Homosexuelle, Andersdenkenden oft mithilfe von Gotteslästerungsparagraphen verfolgt.

Leider wird auch durch den deutschen Gotteslästerungsparagraphen die Meinungsfreiheit in Deutschland regelmässig ausgehebelt. Satirezeitschriften wie Titanic wurden schon wegen Lapalien von der Kirche verklagt. Das Rockmusical "Das Maria-Syndrom", eine Hommage an Frank Zappa, wurde 1994 mithilfe des §166 verboten. Nicht weil der Komponist Michael Schmidt-Salomon geschützt werden wollte, sondern weil katholische Fundamentalisten ihn mit Morddrohungen überzogen hatten. Quelle http://hpd.de/artikel/10934 Auch wurde der Paragraph im Karneval angewandt, um gegen satirische Aussagen in "Stunksitzungen" vorzugehen. Geschützt wurden in solchen Fällen in der Konsequenz also nicht die Pressefreiheit, sondern die "religiösen Gefühle". Es ist somit kein Wunder, dass es eine Satirelandschaft wie in Frankreich in Deutschland nicht gibt. Deutschen Journalisten und Kulturschaffenden fehlt beim Thema Religion oft der Mut zur Kritik.

Wäre es nicht jetzt, wo das schreckliche Verbrechen in Frankreich geschehen ist, an der Zeit den Paragraphen endlich fallen zu lassen, auch um ein Zeichen gegen Fundamentalismus und für die Menschenrechte zu setzen?

Mit freundlichen Gruessen
Andreas Reichhardt

Gabriela Heinrich, SPD-Bundestagsabgeordnete für Nürnberg-Nord
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Reichhardt,

ich sehe derzeit keine Notwendigkeit, den § 166 abzuschaffen, da er den öffentlichen Frieden als geschütztes Rechtsgut als Kern beinhaltet und nicht das religiöse oder weltanschauliche Empfinden. Kritik und auch Satire in Bezug auf Religion sind in Deutschland aufgrund der bestehenden Rechtslage nicht strafbewehrt. Strafbewehrt ist nur die geistige Brandstiftung, also vor allem Hetze gegen eine Religion. In der Praxis gibt es kaum Verfahren, und in der jüngeren Vergangenheit wurde deutlich, dass zum Beispiel Satire nicht eingeschränkt wird. Sogar der Papst verlor eine Klage gegen das Satiremagazin Titanic, das sehr unschmeichelhafte Karikaturen von ihm gedruckt hatte.

In der aktuellen Legislaturperiode steht eine Abschaffung des Paragraphen nicht zur Debatte, zumal unser Koalitionspartner in der Vergangenheit sogar eine Verschärfung gefordert hatte. Dabei wollten die Unionsparteien den „öffentlichen Frieden“ aus dem Paragraphen streichen, damit letztlich jede Beleidigung von Religion strafbar wird. Eine solche Verschärfung des Paragraphen lehne ich strikt ab.

Mit freundlichen Grüßen
Gabriela Heinrich

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