Frage an Gabriele Molitor von Dieter von L. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrte Frau Molitor!
Ich wende mich nochmals an Sie und hoffe, daß mein Schreiben jetzt dem Moderations-Codex Genüge leistet.
1. Bleibt es zukünftig weiter bei dem bedingungslosen, jetzt allerdings
manchmal starrsinnig wirkenden Beharren auf den vor der Wahl geäußerten
Vorgaben?
2. Warum erkennt die FDP nicht die Enttäuschung vieler Wähler offen an? Was gedenkt die FDP zu tun, um diejenigen bei der Stange zu halten, die die FDP bei der Bundestagswahl erstmals gewählt haben, weil sie sich viel davon versprochen haben und jetzt enttäuscht sind?
3. Ist die FDP wirklich der Meinung in Vorbereitung der Wahlen in NRW auf
dem richtigen Weg zu sein?
4. Warum gibt man nicht einfach zu, das das Wachstumsbeschleunigungsgesetz
handwerklich genauso schlecht wie sein Name ist, kassiert es und erarbeitet
in Ruhe eine wirklich gute und vernünftige Steuerreform (das war nämlich
versprochen!!!)? Dies muss auch die Neuordnung der 7% bzw. 19%
Mehrwertsteuererhebung beinhalten!
5. Wie will man dem Wähler auf der Grundlage des gesunden Menschenverstandes
die Sinnhaftigkeit des 7%-Mehrwertsteuersatz im Hotelgewerbe (nur für die
Übernachtung) erklären?
6. Wundert man sich bei der FDP tatsächlich darüber, das sie bei solchen
Vorgaben (siehe auch den Schutzschirm über Apotheken und Pharmaindustrie)
den Eindruck der Klientel Politik vermittelt?
7. Wann beginnt man endlich über die zu reden und zu handeln, die in der großen Masse für den "Sozialstaat" zu sorgen? Das sind nicht nur die Konzerne/Banken mit ihren Managern, sondern die die täglich treu und brav aufstehen, arbeiten und Steuern bezahlen.
8. Wann beginnt man mit einem Rückschnitt der sozialen Wohltaten auf ein den derzeitigen Verhältnissen angepasstes Maß. Berechtigte Gehaltsforderungen im öffentlichen Dienst werden mit dem Hinweis auf leere Kassen zurückgewiesen. Die Ausgaben für Soziales steigen immer weiter. Das ist "verkehrte Welt".
Mit freundlichem Gruß,
Dieter von Lepel
Sehr geehrter Herr von Lepel,
haben Sie vielen Dank für Ihre E-Mail vom 6. Februar 2010, in der Sie mich mit einem umfassenden Fragenkomplex um eine Stellungnahme zur Schwerpunktsetzung und bisherigen Regierungsarbeit von uns Liberalen bitten. Gerne werde ich Ihnen hierzu meine Position darlegen. Um möglichst umfassend auf Ihre zahlreichen Fragen eingehen zu können, werde ich sie chronologisch beantworten.
1. Für die FDP gilt: Vor der Wahl gegebene Versprechen werden auch gegen politische Widerstände gehalten. Unsere Konzepte zielen nicht auf kurzfristige Wahlerfolge , sondern auf die seit langem notwendigen Strukturreformen in Deutschland. Hierfür setzen wir uns auch in Zukunft ein.
2. Die durch die Medien kolportierte angebliche Enttäuschung der Wählerinnen und Wähler bedeutet für uns, dass wir unsere Programme noch schneller auf den Weg bringen müssen, um unsere liberalen Ziele zu erreichen und damit Wähler weiterhin an uns zu binden und neue Wählerschichten aufzutun. Darüber hinaus gilt es, den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes immer wieder aufs Neue zu erklären, dass die von uns angestoßenen Reformen nach etwas mehr als vier Monaten in Regierungsverantwortung noch nicht vollständig umgesetzt sind.
3. Im Hinblick auf die Wahlen in Nordrhein-Westfalen überzeugen wir wie bereits in den vergangenen fünf Jahren in der schwarz-gelben Regierungskoalition durch Kompetenz und Engagement. Diese Arbeit vor Ort wird durch das Wirken der schwarz-gelben Koalition auf Bundesebene zusätzlich unterstützt.
4. Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz entlastet Familien mit Kindern um 4,6 Mrd. Euro durch ein um 20 Euro höheres Kindergeld und von 6.024 Euro auf 7.008 Euro angehobene Steuerfreibeträge für jedes Kind. Das belebt den Konsum und ist fair. Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz schafft durch die dauerhafte Einführung der so genannten körperschaftssteuerlichen Sanierungsklausel Anreize für Investoren, sich an der Sanierung von Unternehmen zu beteiligen. Mit der Anhebung der Grenze für Sofortabschreibung wird ein Bürokratieabbau erreicht und neue Anreize geschaffen. Durch diese Maßnahmen sinkt die Wahrscheinlichkeit von Insolvenzen, Arbeitsplätze werden gesichert, Investitionsanreize für mehr Wachstum werden geschaffen. Diese wenigen Beispiele zeigen eindeutig, dass nicht das Gesetz handwerkliche Fehler aufweist, sondern, dass die Berichterstattung hierzu jeden Sachverstand vermissen lässt.
Die von Ihnen angesprochene Steuerreform wird von uns Liberalen weiter vorangetrieben. Bisher haben wir eine Entbürokratisierung der Erbschaftssteuer und die Unterstützung der Abzugsfähigkeit bei der Krankenversicherung um 14. Mrd. Euro erreicht. Zusammengenommen werden die Bürgerinnen und Bürger seit dem 1. Januar 2010 in einem Gesamtvolumen von 21 Mrd. Euro entlastet. Ab dem 1.1.2011 kommen mit dem Stufentarif dann jährlich 17 Mrd. Euro dazu. Das Entlastungsvolumen liegt bei 24 Mrd. Euro pro Jahr. Nur durch diese finanzielle Entlastung von Bürgern und Unternehmen kann eine steigende Investitionsquote und die damit einhergehende Schaffung von Arbeitsplätzen erreicht werden. In die Krise „hineinzusparen“ wäre katastrophal.
5. Die Senkung des Mehrwertsteuersatzes für Beherbergungsleistungen auf 7 Prozent trägt seit Inkrafttreten zur Arbeitsplatzsicherung und zu neuen Investitionen im Hotelgewerbe bei. Laut einer aktuellen Umfrage sind von Seiten der Beherbergungsindustrie knapp 56 Mio. Euro in Modernisierungs- und Ausbaumaßnahmen investiert beziehungsweise für 2010 eingeplant worden. Diese Investitionen kommen vor allen Dingen dem örtlich ansässigen Handwerk sowie dem Mittelstand zu Gute. Der gesenkte Mehrwertsteuersatz wirkt – sowohl im Inland als auch im Hinblick auf die touristische Konkurrenz der 22 EU-Länder, die diesen Steuersatz bereits haben.
6. Den Vorwurf der Klientel-Politik weise ich entschieden zurück. Unsere Politik ist auf den Mittelstand und dessen Bedürfnisse ausgerichtet. Dabei wird keine bestimmte Gruppe oder Klientel bevorzugt behandelt. Im Übrigen wären die in den Medien vorgebrachten Anschuldigungen dahingehend zu hinterfragen, warum anscheinend kein Interesse an möglichen Spenden von Solarzellenherstellern an die Grünen oder von Automobilkonzernen an SPD und CDU/CSU als Gegenleistung für die Abwrackprämie besteht.
7. Ich bin davon überzeugt, dass die aktuelle Debatte um den deutschen Sozialstaat ohne das mutige Voranschreiten von Guido Westerwelle nicht denkbar gewesen wäre. Wir Liberale stehen hinter unserem Vorsitzenden und begrüßen diese dringend notwendigen Diskussion über die Zukunftsfähigkeit und die Finanzierbarkeit unserer Sozialsysteme. Mit unseren Konzepten zur Steuerreform und den richtigen Entlastungen setzen wir uns auch weiterhin für die große Masse der arbeitenden und den Sozialstaat tragenden Bevölkerung ein.
8. Deutschland muss auch in Zukunft ein Sozialstaat bleiben, der niemanden zurücklässt und dessen Netz der sozialen Sicherung Optionen bietet, um das eigene Leben wieder „in den Griff“ bekommen zu können. Die soziale Marktwirtschaft bildet dabei nach wie vor den Grundkern. Wie im vorherigen Absatz bereits beschrieben, setzt sich die FDP an dieser Stelle für neue Diskussionsansätze und damit verbundene neue Konzepte ein. Das Ziel ist eine gerechte Balance zwischen den Beitragszahlern und den Empfängern von Sozialleistungen. Dieses Gleichgewicht ist in den letzten Jahren aus den Fugen geraten.
Ich hoffe, dass ich Ihre Fragen mit meinen Ausführungen hinreichend beantworten konnte und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Gabriele Molitor