Frage an Gabriele Molitor bezüglich Wirtschaft

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Gabriele Molitor
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Frage von Raphael S. •

Frage an Gabriele Molitor von Raphael S. bezüglich Wirtschaft

Guten Tag Frau Molitor,

ich wollte mich erkundigen, ob sie sich für oder gegen den ESM aussprechen und was in diesem Bezug ihre Beweggründe sind.

Meiner Meinung nach ist es sehr gefährlich eine Organisation mit Immunitäten auszustanden, welche die Möglichkeit hat, theoretisch beliebig Geld zu verlangen.
Ich bin über diese Entwicklung sehr besorgt, zu mal in den etablierten Medien kaum erwähnt wird, worum es sich bei dem ESM wirklich handelt und die ganze Sache eher verharmlost wird, anstatt Aufklärung zu betrieben.

Mit freundlichen Grüßen

Raphael Serafini

Porträtfoto Gabriele Molitor
Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Serafini,

haben Sie vielen Dank für Ihre E-Mail vom 20. April 2012, in der Sie mich um eine Stellungnahme zum geplanten Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) bitten. Gerne werde ich Ihnen hierzu meinen Standpunkt darlegen.

Der geplante Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) wird zukünftig ein wichtiger Garant für die weitere wirtschaftliche Stärke Deutschlands sein. In der vergangenen Sitzungswoche des Deutschen Bundestages hat die 1. Lesung zum gesamten ESM-Paket stattgefunden (ESM-Ratifizierungsgesetz, ESM-Finanzierungsgesetz, Gesetz zur Änderung des Bundesschuldenwesengesetzes zur Einführung der „Collective Action Clauses“, Ratifizierungsgesetz zur Änderung des Art. 136 AEUV, Ratifizierungsgesetz Fiskalvertrag).

Die Verhandlungen über diese sehr komplexen Gesetzespakete werden nach derzeitigem Stand bis Ende Mai andauern. Geplant sind zahlreiche Expertengespräche, Anhörungen des Haus-halts- und Europaausschusses sowie eine adäquate Beteiligung des Bundesrates. Während der parlamentarischen Beratungen besteht ein ständiger Austausch zwischen Legislative, Exekutive und Judikative. Ich bin zuversichtlich, dass wir im Ergebnis eine verlässliche Regelung finden, die auf den Beteiligungs- und Entscheidungsrechte des Parlaments basiert.

Gerade mit den aktuellen Änderungen am StabMech-Gesetz hin zu einer breiteren Beteiligung des Parlaments bei allen Entscheidungen hinsichtlich der europäischen Schuldenkrise wird die Rolle der Abgeordneten weiter gestärkt. Die FDP-Bundestagsfraktion wird auch weiterhin auf ein Maximum an parlamentarischer Mitbestimmung drängen. Wir wollen, dass alle Entscheidungen des ESM, die das Haushaltsrecht des Deutschen Bundestages berühren, durch einen strikten Parlamentsvorbehalt abgesichert und damit demokratisch legitimiert werden.

Bei den bisherigen Verhandlungen haben wir Liberale uns mit aller Energie für die Beteiligung der Gläubiger eingesetzt. Wir haben in der Koalition durchgesetzt, dass dies die Position der Bundesregierung bei den Verhandlungen über den ESM wurde. Damit konnte die Bundesregierung bei den Verhandlungen auf europäischer Ebene durchsetzen, dass es eine Gläubigerbeteiligung geben soll. Die FDP hat verhindert, dass gemeinsam finanzierte Schuldenrück-kaufprogramme auf Europäischer Ebene beschlossen werden. Denn das hätte dazu geführt, dass die deutschen Steuerzahler für die Altschulden anderer Euro-Staaten aufkommen müssten. Die FDP hat verhindert, dass sog. „Eurobonds“ beschlossen werden, die eine gesamtschuldnerische Haftung der Staaten der Eurozone für Schulden anderer Eurostaaten vorsehen.

Für uns steht fest, dass es ohne den ESM zu einem unkontrollierbaren finanziellen und wirtschaftlichen Zusammenbruch einzelner EU-Mitglieder kommen könnte, in dessen Folge auch extreme gesellschaftliche Verwerfungen nicht auszuschließen wären. Mit dem ESM hingegen wird angeschlagenen EU-Mitgliedern hinreichend Zeit gegeben, um die eigenen Haushalte zu sanieren und um die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Er bietet darüber hinaus einen Schutzschild gegen Währungsspekulationen gegen den Euro. Von einer stabilen Währung wiederum profitiert vor allem die deutsche Wirtschaft und mit ihr die aktuell mehr als 41 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Ohne den Euro und ohne unsere Einbindung in den europäischen Binnenmarkt würden sich deutsche Waren exorbitant verteuern, wodurch die Absatzmöglichkeiten gravierend eingeschränkt wären.

In diesem Sinne verstehe ich zwar Ihre Bedenken, teilen kann ich sie dennoch nicht. Ich versichere Ihnen, dass ich diese Entscheidung nicht leichtfertig treffe. Die im ESM genannten möglichen Kreditsummen sind nur schwer zu verdauen. Dennoch ist die Alternative einer deutschen Abkehr vom erfolgreichen Projekt der europäischen Integration für mich nicht tragbar. Nur in der Europäischen Union kann Deutschland im Wettbewerb der globalisierten Welt bestehen. Auf uns allein gestellt und mit einer eigenen Währung könnten wir nicht bestehen.

Gleichzeitig versichere ich Ihnen, dass Solidarität für uns Liberale keine Einbahnstraße ist. Jeder Hilfeleistung muss durch ein tragfähiges und zukunftsweisendes Anpassungsprogramm für den hilfesuchenden Mitgliedstaat untermauert sein. Ziel muss es sein, rasch eine eigene Kreditwürdigkeit am Kapitalmarkt zu erreichen. Als Europapartei werden wir uns auch weiterhin mit aller Energie dafür einsetzen, dass die der Verschuldungskrise zugrundeliegenden Probleme jetzt gelöst und nicht auf die nächste Generation verschoben werden.

Mit freundlichen Grüßen

Gabriele Molitor