Frage an Gerda Hasselfeldt von Anton G. bezüglich Recht
Zur Zeit kritisiert Presse Und Politik (GRÜNE, SPD) das Münchner Oberlandesgericht und deren Präsidenten Dr. Huber in ungewöhnlicher Schärfe wegen der Akkreditierung von Journalisten für den NSU-Prozess. U.a. wird bemängelt, dass man nicht die Übertragung in einen anderen Saal für Journalisten zulasse. Ob das nac § 169 GVG rechtlich zulässig wäre, ist umstritten. Man kann dem Gericht kaum vorwerfen, dass es sich für den rechtssicheren Weg entschieden hat und nicht riskieren will, damit einen Revisionsgrund zu liefern.
Meine Frage:
Warum stellt der Gesetzgeber nicht durch eine Änderung des § 169 GVG klar, dass eine solche Übertragung zulässig ist? Gibt es eine solche Initiative?
Freundliche Grüße
Dr. Anton Ganslmayer
Sehr geehrter Herr Dr. Ganslmayer,
ich bedanke mich für Ihre Anfrage zum sogenannten NSU-Prozess vor dem Münchner Oberlandesgericht.
Wie Sie richtig feststellen, hat das Gericht aus Gründen der Rechtssicherheit keine Übertragung von Bild- und Tonaufnahmen in einen anderen Saal zugelassen. Eine solche Übertragung während der Gerichtsverhandlung zum Zweck der öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung ihres Inhalts, und sei es nur innerhalb des Gerichtsgebäudes, ist gemäß § 169 S.2 GVG nicht zulässig. Eine Zulassung der Übertragung von Bild- und Tonaufnahmen könnte durchaus negative Auswirkungen haben, denn es bestünde das Risiko, dass die Persönlichkeitsrechte nicht nur des Angeklagten, sondern auch sonstiger Verfahrensbeteiligter, nicht mehr gewahrt werden könnten.
Die Entscheidung des Gesetzgebers, die Übertragung von Bild- und Tonaufnahmen für die Öffentlichkeit auszuschließen, ist durch das Bundesverfassungsgericht mehrfach bestätigt worden. Schauprozesse sollen verhindert werden. Im Übrigen bedeutet der Grundsatz der Gerichtsöffentlichkeit auch nicht, dass es eine unbegrenzte Zugänglichkeit zu Gerichtsverhandlungen gibt. Zwar hat grundsätzlich jedermann (auch Medienvertreter) Zugang zu Gerichtsverhandlungen. Wenn die Platzkapazitäten allerdings ausgeschöpft sind, ist das Recht auf Zugang insoweit eingeschränkt. Das Bundesverfassungsgericht hat ebenfalls bestätigt, dass das Gericht keine Pflicht trifft, für größere Raumkapazitäten zu sorgen. Ich möchte aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24.01.2001, Aktenzeichen 1 BvR 2623/95 (sogenanntes NTV-Urteil) zitieren, wo es heißt: „Prozesse finden in der, aber nicht für die Öffentlichkeit statt“. Zweck der Öffentlichkeit von Gerichtsverfahren ist die Gewährleistung eines gerechten Verfahrens, nicht das Berichterstattungsinteresse bestimmter Medienvertreter oder womöglich die Sensationsgier des Publikums. Dass die Sachlage im Fall des „NSU-Prozesses“ es gebietet, auch türkischen Medienvertretern die Möglichkeit zu verschaffen, bei der Verhandlung anwesend zu sein, liegt auf der Hand und stellt insoweit einen noch nicht dagewesenen Fall dar.
Eine behutsame Änderung des § 169 GVG hin zu einer Ermöglichung der Videoübertragung innerhalb des Gerichtsgebäudes ist derzeit Gegenstand von Überlegungen. Ob eine solche Änderung umsetzbar ist, ohne die oben genannten Erfordernisse zu verletzen, werden wir gründlich prüfen. Dem aktuellen Prozess vor dem Münchner Landgericht würde eine eventuelle Rechtsänderung allerdings nicht mehr zugutekommen.
Mit freundlichen Grüßen
Gerda Hasselfeldt, MdB