Frage an Gregor Gysi bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Frage von Markus B. •

Frage an Gregor Gysi von Markus B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dr. Gysi,
ich finde Ihre Teilnahme an diesem Forum sehr gut und beeindruckend und wende mich an Sie, weil Sie aus einem Wahlkreis Berlins kommen und als Rechtsanwalt zu meiner Frage sicher Bescheid wissen. Es ist gut, richtig und unabdingbar, dass es das Grundgesetz der Bundesrepublik gibt, die Laender ihre Landesverfassungen haben, sich dazu bekennen und im Sinne unserer FDGO gerichtlich werten und anwenden. Ich habe aber im Zuge meines Studiums erkennen muessen, dass unter anderem das Land Berlin einen Verfassungsgerichtshof einrichtete, der bei Verfassungsbeschwerden durch den Einzelnen angerufen werden kann. Andere Bundeslaender, zum Beispiel Baden-Wuerttemberg, haben zwar auch ein Landesverfassungsgericht, aber nicht die Moeglichkeit, dass dieses durch einen Einzelnen angerufen werden kann. Als Folge daraus, kann ein Betroffener im Bundesland Berlin, der seine Grundrechte durch eine Massnahme nach einem Bundesgesetz, zum Beispiel die Strafprozessordnung, als ungerecht beeintraechtigt sieht, dieses entweder im Verfahrensgang beim Bundesverfassungsgericht, oder aber beim Verfassungsgericht des Landes Berlin einklagen. Als Beispiel hierfuer fuehre ich das sogenannte "Honecker-Urteil" des Berliner Verfassungsgerichtes unter Aktenzeichen NJW 1993, 515 an. Letzteres fuehrt dazu, dass ein Bundesland die Rechtmaessigkeit eines Bundesgesetzes auslegt. In der Konsequenz heisst das, dass jedes Bundesland ein Bundesgesetz und deren Rechtmaessigkeit anders auslegen kann und das fuehrt dazu, dass die Buerger je nach Bundesland anders behandelt werden, wenn ihnen ein Grundrecht nach einem Bundesgesetz, zum Beispiel der Strafprozessordnung, eingeschraenkt wird. Das ist aber ein durchaus ersichtlicher Verstoss gegen Artikel 3 (1) GG, der Gleichheit vor dem Gesetz. Waere es daher hier nicht im Sinne des Buergers, wenn man Bundesgesetze und deren Verfassungsmaessigkeit nur von Bundesgerichten entscheiden laesst? Wie sehen Sie dieses Thema? -M. Bressler-

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Sehr geehrter Herr Bressler,

Ihre Frage ist nicht so einfach zu beantworten. In der von Ihnen angeführten Entscheidung des Landesverfassungsgerichts ging es ja letztlich darum, ob die Berliner Verfassung eingehalten wurde oder nicht. Im übrigen achten die Landesverfassungsgerichte sehr auf die Entscheidungen anderer Verfassungsgerichte. Nach meiner Kenntnis ist es bisher nicht zu erheblichen Widersprüchen zwischen Landesverfassungsgerichten gekommen. Wenn doch, dann ist das eben auch ein Ergebnis des Föderalismus. Letztlich ist aber die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts zur verbindlichen Auslegung des Grundgesetzes ziemlich eindeutig.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gysi

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