Frage an Gregor Gysi bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Gregor Gysi
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Frage von Karl-Heinz S. •

Frage an Gregor Gysi von Karl-Heinz S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dr. Gysi,
ich habe an diverse Abgeordnete des Bundestages die Frage nach einer volksabgestimmten Verfassung gestellt. Die schematisierten Antworten, dass das Grundgesetz durch die Eingliederung der DDR in die Bundesrepublik in den Verfassungsrang erhoben wurde, ist nach meiner Meinung eine Veralberung des Volkes.

Immer mehr Völkerrechtler stellen dies in Frage und schließen sich der, nach meiner Meinung nach richtigen, Darstellung des leider verstorbenen W. Ullmann an, dass eine abgestimmte Verfassung erst die Handlungen der Staatsorgane legitimieren würde.

Grosse Sorge bereitet mit die Entmachtung des legislativen Organe in unserem Land durch Eingriffe der EU. Grundlegende Dinge in unserem Land werden von einer Bürokratie geregelt, die fernab der Kontrolle handelt, ohne Rücksicht auf nationale Bedürnisse der Bürger. Es ist ja leider so, dass z. B. in Deutschland rumänisches Lohnniveau angekommen ist, aber die Lebenshaltungskosten bleiben. Das führt zu staatfinanzierter Armut. Die Abkoppelung der Bürger von der Politik und eine EU- und Staatsverdrossenheit ist in allen Ländern der EU deutlich spürbar.
Die Bürger fühlen sich im Turbokapitalismus alleine gelassen, nur noch Verfügungsmasse der Mächtigen. Besonders perfide finde ich die Tatsache, dass die Bundesregierung immer darauf verweist, dass bei miesen Gesetzen nur Richtlinien der EU umgesetzt werden. Aber die fallen ja nicht vom Himmel, sie sind im Ministerrat bis ins kleinste vorbereitet, mit deutscher Mitwirkung. Ausserdem führt das zu einer Umgehung der parlamentarischen Demokratie.

Auch Roman Herzog stellt dies immer wieder dar: http://www.welt.de/politik/article715345/Europa_entmachtet_uns_und_unsere_Vertreter.html

Meine Fragen:
Wie stehen Sie zur Frage der Volks-Verfassung?
Wie wollen Sie der Entmachtung der Parlamente entgegentreten?
Welche Möglichkeiten des Mitwirkens und der Mitnahme der Bürger sehen Sie?

Alles Gute für Sie

Karl-Heinz Stock

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Sehr geehrter Herr Stock,

vielen Dank für Ihre Nachricht vom 11.12.
Der Artikel 146 GG lautet:
"Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist."

Es bleibt also nach wie vor eine Aufgabe, einen Verfassungsentwurf zu erarbeiten, der vom Volk durch Volksentscheid angenommen werden muss. Nur unsere Fraktion hat schon zu früherer Zeit den Entwurf einer solchen Verfassung und den Entwurf eines Gesetzes über Volksentscheide vorgelegt. Beide Entwürfe wurden von den anderen Fraktionen abgelehnt. Es gibt von den anderen Fraktionen kein Interesse daran, eine solche Verfassung zu erarbeiten.

Hinsichtlich der EU-Bürokratie bitte ich nur zu beachten, dass es dort keine einzige nennenswerte Entscheidung gibt, die nicht die Zustimmung der Bundesregierung gefunden hat. Man darf nicht so tun, als ob das dritte unheimliche Mächte sind, sondern muss wissen, dass die Bundesregierung über die EU vieles organisiert, was in Deutschland geschieht.

Wir brauchten eine EU-Verfassung, die nicht nur politische, sondern auch soziale Grundrechte garantiert. Darüber hinaus muss es eine Angleichung der Lebensstandards geben, aber nicht nach unten, sondern nach oben.

Aber Sie wissen, dass wir diesbezüglich im Bundestag ziemlich einsam kämpfen, dafür aber immer entschlossener.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gysi

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