Frage an Gustav Herzog bezüglich Verkehr

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Frage von Oliver R. •

Frage an Gustav Herzog von Oliver R. bezüglich Verkehr

Guten Tag Herr Herzog!

Verkehrsminister Ramsauer hat per Presseerklärung die Novelle der StVO vom September 2009 für nichtig erklärt. Damit soll wohl seiner Meinung nach wieder die alte StVO gütlig sein. Für Sie als Abgeordneter der Opposition dürfte es doch sehr interessant sein, dass sich Herr Ramsauer hier über die Verfassung stellt und per Pressemeldungen Rechtsnormen für ungültig erklärt. Zwar kann die StVO durchaus rechtswidrig sein, jedoch ist sie nach meinem Rechtsverständnis natürlich weiterhin gültig - lediglich die Fehler müssten schnellstens beseitigt werden.

Auf der Homepage des BMVBS wurde nun wieder die alte Version der StVO online gestellt, als sei es nun wieder die aktuell gültige Version. Ich halte das für einen Skandal.

Gerade für mich als Radfahrer gibt es gewaltige Unterschiede zwischen altern und neuer StVO - es ist für mich nicht nachvollziehbar, dass hier nun eine solche Rechtsunsicherheit durch den Verkehrsminister geschaffen wird.

Meiner Ansicht nach verhält sich Herr Ramsauer hier verfassungswidrig! Was gedenken Sie als Abgeordneter der Opposition hier zu tun?

mfg
Oliver Rübel

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Sehr geehrter Herr Rübel,

ich danke Ihnen für Ihre Anfrage, ob die bloße Verkündung der Nichtigkeit einer vom Bundesrat mit beschlossenen Verordnung durch Bundesminister Ramsauer, die er per Pressekonferenz verbreiten ließ, rechtmäßig ist.
Diese Frage stelle ich mir auch und bisher konnte sie mir keiner aus dem Stehgreif beantworten. Mein Rechtsverständnis sieht hier einige Unstimmigkeiten, mir liegen jedoch zur Zeit nicht alle Fakten zu diesem Vorgang vor. Ich werde mir hier auch Expertenrat einholen und Sie über die Ergebnisse in Kenntnis setzen, sobald sie mir vorliegen.

Bis dahin verbleibe ich mit herzlichen Grüßen
Gustav Herzog

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SPD

Sehr geehrter Herr Rübel,

wie bereits angekündigt habe ich mich zur Klärung der juristischen Sachfragen zur „Schilderwaldnovelle“ an die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages gewandt. Gerne gebe ich die Informationen vollständig als Zitat an sie weiter. Bevor ich jedoch den Text zitiere erlaube ich mir eine persönliche Anmerkung: eigentlich sollte der gesunde Menschenverstand und der normale Anstand ausreichend sein, die Bedeutung eines Schildes zu erfassen, sich an die Regeln zu halten und bei Fehlverhalten die Sanktionen (Bußgeld) zu akzeptieren.

Sachverhalt:

„Mit der 46. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 5. August 2009 (BGBl. I S. 2631), umgangssprachlich als „Schilderwald-Novelle“ bezeichnet, sollte in Deutschland der Abbau des Verkehrs-„Schilderwaldes“ durch die Streichung mehrerer Verkehrszeichen vorangetrieben werden.1 Daneben sah die Verordnung eine Klarstellung der Zeichen für den Beginn und das Ende von Umweltzonen sowie eine Änderung der Anlage zur Fahrerlaubnis- Verordnung vor. Zahlreiche Übergangsbestimmungen, deren Gültigkeitszeit abgelaufen war, sollten aufgehoben werden. Mit Artikel 1 Nr. 28 der Verordnung sollte auch die Regelung in § 53 Abs. 9 StVO, nach der Verkehrszeichen in veralteter Gestaltung ihre Gültigkeit behalten, sofern sie vor dem 1. Juli 1992 aufgestellt wurden, aufgehoben werden. Damit wären alle Verkehrszeichen in veralteter Gestaltung ungültig geworden.
Eine kürzlich durchgeführte Prüfung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) hat ergeben, dass in der Verordnung versäumt wurde, entsprechend der Vorgabe aus Artikel 80 Abs. 1 Satz 3 GG sämtliche gesetzliche Ermächtigungsgrundlagen für den Erlass dieser Verordnung zutreffend anzugeben. Insbesondere sei die Ermächtigungsgrundlage für die Zeichen, welche den Beginn und das Ende von Umweltzonen kennzeichnen, falsch angegeben worden. Die Ermächtigungsgrundlage für die Änderung der Anlage zur Fahrerlaubnis-Verordnung fehle gänzlich. Hierdurch würde gegen Artikel 80 Abs. 1 Satz 3 GG verstoßen, was zur Nichtigkeit der Rechtsverordnung in Gänze führe. Die Folge sei insbesondere, dass die in § 53 Abs. 9 StVO a.F. enthaltene Übergangsbestimmung weiterhin Gültigkeit habe. In seiner Pressemitteilung vom 13. April 2010 hat das BMVBS erklärt: „Die Novelle ist wegen eines Verstoßes gegen das verfassungsrechtlich verankerte Zitiergebot nichtig. Das bedeutet: Es gilt weiterhin die StVO in der Fassung vor dem 1. September 2009. die alten Schilder müssen nicht ausgetauscht werden.“

Bewertung:

In Frage steht, ob ein Bundesminister eine Verordnung für nichtig erklären darf. Eine Rechtsverordnung, die nicht vollständig die gesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen zitiert, auf denen sie beruht, ist rechtswidrig. Die Missachtung des Zitiergebots des Artikel 80 Abs. 1 Satz 3 GG führt zur Nichtigkeit der Verordnung.3 Nichtigkeit bedeutet, die Rechtsnormen sind von Anfang an ungültig und nicht anzuwenden. Sie entfalten keinerlei Rechtswirkung.
Allerdings behält das Grundgesetz die Feststellung der Nichtigkeit bestimmter Rechtsnormen dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vor. Nach Artikel 100 Abs. 1 GG darf nur das BVerfG feststellen, ein förmliches Gesetz, also ein Parlamentsgesetz, sei nichtig. Dieses „Verwerfungsmonopol“ des BVerfG gilt jedoch nicht für untergesetzliche Normen, z.B. für Rechtsverordnungen.
Jedes Gericht kann die Rechtswidrigkeit einer Verordnung und damit ihre Unanwendbarkeit fest stellen. Exekutive und Bürger sind an rechtswidrige Rechtsverordnungen nicht gebunden. Rechtlich betrachtet ist die Erklärung des BMVBS irrelevant. Ihr kommt keine rechtsgestaltende oder rechtsaufhebende Bedeutung zu. Mit seiner Erklärung hat der BMVBS lediglich auf die nach seiner Auffassung gültige Rechtslage hingewiesen. Daher ist seine Äußerung nicht zu beanstanden.“