Frage an Gustav Herzog bezüglich Verkehr

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Gustav Herzog
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Frage von Philipp T. •

Frage an Gustav Herzog von Philipp T. bezüglich Verkehr

Sehr geehrter Herr Herzog,

als Bundestagabgeordneter des Wahlkreises Kaiserslautern möchte ich Ihre Meinung zum geplanten Vorhaben der Bundesregierung eine Infrastrukturgesellschaft für den Betrieb, Erhalt und Bau von Autobahnen zu errichten, erfahren.

Bis jetzt habe ich nicht verstehen können warum das Projekt so vorangetrieben wird und warum öffentliches Gut "privatisiert" werden soll. Auch verstehe ich nicht warum wir diesen Konstrukt brauchen. Soweit ich weiß kann die Bundesregierung günstig an Geld kommen, im Gegensatz zu eine GmbH, die ohne Staatsgarantien auskommen soll. Dies führt zu einer Senkung der Bonität. Zudem wird von einer Rendite für Investoren von ca. 7 % gesprochen. Ein vielfaches von dem was an Zinsen aufgebracht werden müsste, wenn der Bund selber Kredite aufnehmen würde.

Ist es möglich, dass trotz der Verneinung durch Herren Gabriel eine Privatisierung der betroffene Infrastruktur doch möglich ist? (Holger Mühlenkamp stellt fest: „An der Gesellschaft können sich private Anleger zwar nicht als Miteigentümer beteiligen. Aber ihnen können über stille Beteiligungen oder Genussscheine erhöhte Renditen verschafft werden“ Privatisierung durch die Hintertür?)

Welche Vorteile hat denn die Gemeinschaft von solch einem Konstrukt?(siehe mein Einwand bzgl. der Kredite)

Wird die Errichtung eine solche Gesellschaft einmalig bleiben, oder sind weitere Pläne vorhanden die Idee auf z. B. Schulen oder sonstige öffentliche Einrichtungen asuzudehnen?

Vor allem verstehe ich nicht wie eine Partei, die sich sozialdemokratisch nennt, so ein Projekt mit so viel Nachdruck forciert.

vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
mit freundlichen Grüßen

Philipp T.

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Sehr geehrter Herr Turmeier,

ich danke Ihnen für Ihre Frage zur Infrastrukturgesellschaft des Bundes. Sie gibt mir Gelegenheit, Ihnen meine persönliche Sichtweise mitzuteilen und zudem einige Feststellungen zu klären, die in der Berichterstattung kursieren.

Seit einigen Jahren wird bereits in Fachkreisen über die Reibungsverluste diskutiert, die durch die grundgesetzlich geregelte Auftragsverwaltung durch die Länder entstehen. Zwei große Expertengremien (Fratscher-Kommission und Bodewig II) haben sich damit befasst. Deren Ergebnisse haben gemein-sam mit dem Koalitionsvertrag dazu geführt, dass mit den Ländern Vorschläge für eine Reform der Auftragsverwaltung Straße erarbeitet und umgesetzt wurden.

Bei der Auftragsverwaltung haben wir eine zwischen Bund und Ländern geteilte Verantwortung. Der Bund stellt einen Bedarf fest, wie wir es gerade mit dem Bundesverkehrswegeplan 2030 getan haben. Der Deutsche Bundestag fertigt mit den Ausbaugesetzen einen gesetzlichen Auftrag. Die Länder planen und erhalten nach erteiltem Baurecht über den fünfjährigen Investitionsrahmenplan und die jährlichen Haushaltszuweisungen die finanziellen Mittel, die Maßnahmen umzusetzen. Das führte nicht nur zu erheblichen Unterschieden bei der Umsetzung durch die Länder, sondern insgesamt gab es Abstimmungsprobleme, die am Ende viel Geld und Zeit gekostet haben.

Aus diesen Gründen kam ich selber zu dem Schluss, dass dieses System einer dringenden Reform bedarf. Eine zentrale Bundesfernstraßengesellschaft habe ich aber von Anfang an als den falschen Weg angesehen. Meines Erachtens werden damit neue Probleme und Schnittstellen geschaffen, die ihrerseits erhebliche Verzögerungen mit sich bringen dürften. Das in einer Zeit, wo wir dringenden Umsetzungsdruck und Investitionsmittel auf Rekordniveau haben. Jetzt brauchen wir Verwaltungen, die das tun, was sie tun sollen: planen und bauen. Stattdessen werden sie in einen Umstrukturierungsprozess gezwungen, der sie mit sich selbst beschäftigen lässt. Das ist für mich der falsche Weg zur falschen Zeit.

Dennoch hat es Entscheidungen auf anderer Ebene gegeben: gegen die Meinung ihrer eigenen Verkehrsminister haben die 16 Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder mit Bundeskanzlerin Merkel eine Entscheidung getroffen. Als ein Teilvorhaben im Gesamtpaket der Bund-Länder-Finanzbeziehungen wurde die Errichtung einer Fernstraßengesellschaft vereinbart. Anders als kolportiert ist hier nicht BM Gabriel federführend sondern vielmehr BM Schäuble und BM Dobrindt. Die doppelte Privatisierungs-sperre wurde von BM Gabriel gefordert. Auch wenn Verfassungsrechtler Umgehungstatbestände annehmen, ist das Problem ja erkannt und der Willen bekundet, es zu bannen.
Als Arbeitsgruppe der SPD-Bundestagsfraktion haben wir bereits im Januar 2016 ein Positionspapier dazu verabschiedet, das sich eindeutig gegen eine Privatisierung ausspricht. Dieses schicke ich Ihnen gerne auf Nachfrage zu. Daraus wird deutlich, was die Fachpolitiker meiner Fraktion dazu feststellen und welchen Weg sie vorschlagen. Dass wir heute über eine Gesellschaft privaten Rechts verhandeln, liegt daher definitiv nicht an meiner Fraktion.

Meine ganz persönliche Meinung habe ich bereits angedeutet. Ich sehe die jetzige Auftragsverwaltung durch die Länder reformbedürftig, da sie unter ihren Möglichkeiten arbeitet. Dennoch halte ich die Auftragsverwaltung aus vielerlei Gründen für richtig und bin der Meinung, dass sie optimiert gehört statt abgeschafft.

Nun liegt uns ein heiß gestrickter Kabinettbeschluss vor und das Verfahren ist im Deutschen Bundestag angekommen. Wir werden alles tun, um jegliche Privatisierung der Gesellschaft und der Infrastruktur zu verhindern. Wir wer-den viel Arbeit investieren müssen, um noch etwas Vernünftiges mit sozial-demokratischem Stempel hinzubekommen. Das geschieht im Übrigen gemeinsam mit den Personalräten in den Straßenbauverwaltungen der Länder. Diese Woche hatten wir zu einer Auftaktveranstaltung nach Berlin eingeladen - der Saal war voll!
Noch wissen wir nicht, wo wir am Ende landen werden und das Vorgehen mit der Brechstange halte ich grundsätzlich für falsch. Wir arbeiten dafür, dass wir ein praktikables Ergebnis erzielen werden. Und das sage ich als jemand, der eine zentrale Bundesgesellschaft von Beginn an als den falschen Weg gesehen hat.

Lassen Sie mich zum Schluss noch ein Wort zu Öffentlich-Privaten-Partnerschaften sagen, weil sie in diese Diskussion hineingezogen werden. ÖPP ist eine Beschaffungsvariante, die es jetzt schon gibt und der wir als Sozialdemokraten sehr skeptisch gegenüber stehen. BM Ramsauer hat sie in letzter Wahlperiode sehr aktiv befördert, so dass wir den folgenden Absatz in den Koalitionsvertrag eingebracht und verankert haben:
„Öffentlich-Private Partnerschaften - Die Fortentwicklung von Öffentlich-Privaten-Partnerschaften (ÖPP) braucht einen breiten gesellschaftlichen Konsens. Wir wollen die Möglichkeiten der Zusammenarbeit von öffentlichen und privaten Geldgebern oder Infrastrukturgesellschaften als zusätzliche Beschaffungsvariante nutzen, wenn dadurch Kosten gespart und Projekte wirtschaftlicher umgesetzt werden können. Dies muss ebenso wie bei Betriebsvergaben in jedem Einzelfall transparent und unabhängig nachgewiesen werden. Wir gestalten ÖPP mittelstandsfreundlicher aus. Die Methodik der Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen werden wir evaluieren und standardisieren.“

Mit besten Grüßen

Gustav Herzog