Frage an Gustav Herzog bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Gustav Herzog
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Frage von Haidemarie W. •

Frage an Gustav Herzog von Haidemarie W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Herzog,

immer wieder wird propagiert, vor Allem von Herrn Steinbrück, dass Alle den Gürtel enger schnallen müssen, außer natürlich die Abgeordneten. Da sie darauf pochen, daß durch höhere Diäten die Unabhängigkeit der Abgeordneten gewahrt bleibt, frage ich mich, wie kann es dann sein kann, dass sie sich bewußt, mit Nebentätigkeiten in der Wirtschaft und einem dadurch nicht unerheblichen Nebenverdienst und eventuellen zukünftigen, hoch dotierten Positionen, in die Abhängigkeit begeben? Wenn bei Plenarsitzungen und Abstimmungen der Plenarsaal nur in etwa zu einem Drittel besetzt und zum Teil sogar beschlußunfähig ist , stellt sich mir die Frage, was diese, zum Wohle des Volkes gewählten Leute in dieser Zeit wohl tun. Um dieses verkrustete System aufzubrechen, hätte ich folgenden Vorschlag: 100 hochqualifizierte und fachlich kompetente Abgordnete, unter Verbot von jeden Nebentätigkeiten, die Regierung bilden zu lassen. Diese sind natürlich finanziell so auszustatten, dass sie einen Vergleich mit in etwa gleichen Positionen in der Wirtschaft standhalten. Dafür kommen sie dann für ihre Alters- und Krankenvorsorge selber auf. Dieses würde unserem Land gut tun und finanzielle Ressourcen frei setzen, die für andere Dinge, die der Bevölkerung zu Gute kommen, eingesetzt werden können. Des Weiteren könnten die Bundesländer zusammen gelegt werden, um auch hier dem ausufernden Behördenwahnsinn ein Ende zu setzen.

Ich war selber lange Zeit Mitglied der SPD und bin ausgetreten, weil ich die Politik nicht mehr mit meinem Gewissen verantworten konnte. Das Beispiel Eichel und Schily, unter Anderem, hat mich davon überzeugt, dass die SPD für mich nicht mehr wählbar ist.

Mit freundlichen Grüßen

Haidemarie Walter

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau Walter,

zunächst bitte ich um Entschuldigung, dass die Antwort auf Ihren Beitrag bei Abgeordnetenwatch so spät erfolgt.

In Ihren Ausführungen legen Sie dar, warum Sie Nebentätigkeiten von Abgeordneten generell für falsch halten und was für Alternativen zum bestehenden System Ihrer Meinung nach vorzuziehen wären.
Auch, wenn ich mich persönlich entschieden habe, als Abgeordneter keine bezahlte Nebentätigkeit auszuüben, trete ich dafür ein, dass Abgeordnete weiter ihrer bisherigen Tätigkeit nachgehen können oder durch sonstige Tätigkeit Geld verdienen. Dies muss aber sowohl in der Art der Tätigkeit als auch in der Höhe transparent sein.
Unabhängig von der grundgesetzlich garantierten Berufsfreiheit: Ich will keine Parlament, in der ALLE "nur" Abgeordnete sein dürfen. Dies hätte zwingend zur Folge, dass viele Menschen mit bisher gut bezahlter Tätigkeit weniger Interesse hätten oder als Selbständige und Freiberufler ihre aufgebaute berufliche Existenz verlieren würden. Ich will aber auch nicht verschweigen, dass diese Diskussion für mich noch nicht abschließend beendet ist. Es fällt auch mir manchmal schwer, bestimmte Verhaltensweisen von Kollegen zu erklären und mit dem Statut als Abgeordneter für zweifelsfrei vereinbar und wünschenswert zu verteidigen.

Wenn Sie übrigens kritisieren, dass manche Abgeordnete ihr Mandat als Sprungbrett für künftige gut dotierte Posten in der freien Wirtschaft nutzen, so kann ich Ihnen sagen, dass es ebenso unzählige ehemalige Kolleginnen und Kollegen gibt, die nach ein oder zwei Legislaturperioden ausscheiden und in Arbeitslosigkeit oder sehr schlecht bezahlten Jobs landen, da sie in den 4 bzw 8 Jahren im Bundestag den Anschluss an ihren bisherigen Beruf verloren haben.

Ihren Vorschlag zu den "100 hochqualifizierten Abgeordneten" sehe ich aus den o. g. Gründen sehr kritisch und gebe zudem zu bedenken, dass der Kontakt des frei gewählten Abgeordneten zur Bevölkerung in seinem Wahlkreis sowie sein Engagement für die Belange seiner Heimat eine wesentliche Qualifikation darstellen, die der "synthetische" Abgeordnete gar nicht haben kann. Wir müssen so gut arbeiten und auch vor Ort präsent sein, dass wir wiedergewählt werden, diese Motivation hätte der Kollege des anderen Modells nicht.

Zudem beklagen Sie, dass das Plenum bei Beratungen und Abstimmungen nur zu einem Drittel besetzt ist. Die Arbeit des Abgeordneten in Berlin umfasst insbesondere Facharbeit in den entsprechenden Arbeitsgruppen und Ausschüssen, Anhörungen mit Vertretern von Verbänden und anderen externen Fachleuten, Gespräche mit Besuchern aus dem Wahlkreis und intensive Büroarbeit, dabei vor allem die Bearbeitung von Bürgeranliegen und Bürgeranfragen. Daher besuchen wir meist das Plenum nur, wenn Themen aus unseren jeweiligen Fachgebieten debattiert und abgestimmt werden, bzw wenn Debatten Themen von großer Reichweite behandeln. Bei Namentlichen Abstimmungen besteht übrigens Anwesenheitspflicht.

Wenn Sie Interesse an einem weiteren Gedankenaustausch zum Thema haben, so zögern Sie nicht, mich bei einem meiner zahlreichen Termine vor Ort in der Pfalz oder besuchen Sie mich im Bundestag, wenn Sie mal in Berlin sein sollten.

Mit freundlichen Grüßen

Gustav Herzog, MdB