Frage an Helge Lindh bezüglich Innere Sicherheit

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Helge Lindh
SPD
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Frage von Dr. Lienhard W. •

Frage an Helge Lindh von Dr. Lienhard W. bezüglich Innere Sicherheit

Guten Tag!

Sollte die Bundesrepublik DIE SOZIALEN MEDIEN zur Verantwortung ziehen, wenn sie sich zum Sprachrohr von VERSCHWÖRUNGSMÄRCHEN machen lassen?

Am 6. Januar 2021 hat der Wahlverlierer Trump in Washington Tausende seiner Anhänger aufgefordert, vom Platz hinter dem Weißen Haus zum Parlament zu ziehen mit der Begründung, die US-Wahlen seien gefälscht, der Sieg sei ihm gestohlen worden.

Tausende der Demonstranten haben seinen Verschwörungsmärchen geglaubt, die Trump über die „sozialen Medien“ verbreiten durfte. Folglich hatten viele der Demonstranten kein Unrechtsbewußtsein.

Als Kämpfer gegen den angeblichen Wahlbetrug sind Trump-Anhänger ins Parlament der USA eingedrungen, um die Stimmenauszählung zu verhindern und dafür zu sorgen, daß der selbsternannte Wahlgewinner, Herr Trump, Präsident bleibt.

Während sie für Trump Gesetze brachen, handelten viele in dem Glauben, sie verhülfen dem wahren Sieger zu seinem Recht. Also gaben sie CNN-Reportern sogar Interviews.

Jahrelang durfte Trump Zeitungen wie die Washington Post als Lügenpresse ungestraft beschimpfen. So hat Trump das Fundament gemeinsamer Wahrheiten ausgehöhlt. In Deutschland beobachten wir ähnliche rechtslastige Angriffe auf die Presse.

Hätte Vizepräsident Pence auch diesmal wieder das Spiel seines Chefs mitgemacht, wäre es vermutlich zum Bürgerkrieg gekommen.

Trumps Lügen, verbunden mit Angriffen auf die Presse und der Aufforderung zum Parlament zu ziehen, kann man als versuchten Staatsstreich ansehen.

Möglich geworden ist der Putschversuch, weil Trump monatelang über die sozialen Medien Twitter, Instagram und Facebook ungestraft seine Lügen und Verschwörungsmärchen verbreiten durfte.

Trumps Putschersuch wäre ohne FACEBOOK UND TWITTER als Sprachrohr nicht möglich gewesen.

DARAUS ERGIBT SICH FÜR MICH DIE FRAGE:

Was wollen Sie tun, um in Deutschland die Verbreitung offensichtlicher Verschwörungsmärchen wirksam zu bekämpfen?

Beste Grüße
Lienhard Wawrzyn

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Wawrzyn,

vielen Dank für Ihre Nachricht. Die jüngsten Ereignisse in den USA sind besorgniserregend und werfen die Frage auf, wie es so weit kommen konnte. Donald Trumps erschreckendes Verhalten ist und war höchst unprofessionell, das dürfen wir keinesfalls relativieren.
Glücklicherweise bekommen Verschwörungstheoretiker in Deutschland und Europa viel Gegenwind. Gibt es einen kleinen Teil der Bevölkerung, der solchen Theorien und Lügen Glauben schenkt, so gibt es einen viel größeren Teil, der dem entgegensteht, aufklärt und auf seriösen Fakten beharrt. Dennoch sind diese gesellschaftlichen Trends nicht zu unterschätzen – wir dürfen sie nicht einfach so hinnehmen.

In unserem digitalen Zeitalter hat sich eine neue Art der Kommunikation etabliert – die sozialen Netzwerke sind das zugehörige Medium. Soziale Medien geben viele Freiheiten. Diese Entwicklung bringt Nachteile, sowie Vorteile, mit sich. Die Verbreitung von Verschwörungstheorien, rechter Hetze und Fake News ist leichter als je zuvor, gleichzeitig verbreiten sich aber auch Bildung, Aufklärung und seriöse Informationen global. Leider missbrauchen und manipulieren Manche diese Freiheit - Donald Trump ist Vorreiter im Missbrauch der sozialen Medien.

Die vier Jahre Amtszeit Donald Trumps waren wohl vier Jahre zu viel. Seine launischen und populistischen Verhaltensweisen sind weit entfernt von einer vorbildlichen Politik. Dennoch hat die amerikanische Demokratie durchgehalten und diesen Härtetest zwangsweise bestanden. Die Unterstützung des Präsidenten und die durch ihn ausgelösten gewalttätigen Proteste haben vermutlich auch mit fehlender politischer Bildung und den besonders deutlichen sozialen Ungleichheiten in den USA zu tun. Unzufriedenheit und das Gefühl nicht integriert zu werden, wirken sich auf die politische Haltung aus. Als Bundestagsabgeordneter habe ich das Glück, meine Vorstellungen bundesweit verbreiten zu können. Dabei sind meine Ideale und die der SPD, Minderheiten zu integrieren, die soziale Ungerechtigkeit zu bekämpfen und Bürgerinnen und Bürger ihre Ängste zu nehmen. Donald Trump hingegen nutzt Schwäche und Ängste und stachelt damit Menschen an. Das ist schrecklich und unmenschlich.

Ich bin überzeugt, dass das Einschreiten von sozialen Netzwerken sehr wichtig ist, um klare Grenzen zu setzen. Das Netzwerk „Twitter“ hat – wenn auch viel zu spät - genau das Richtige getan, indem falsche Informationen auch als diese gekennzeichnet wurden und im Falle Donald Trumps, der gesamte Account gesperrt wurde. Es ist bedauerlich, dass so etwas überhaupt nötig war.

Mit fast wöchentlichen Morddrohungen, und der schon verlässlichen Meldung jeder meiner Tweets auf Twitter, erlebe ich den Missbrauch der sozialen Medien leider regelmäßig. Dementsprechend ist mein Bewusstsein hinsichtlich dessen, wozu diese Medien verleiten können, sehr hoch. Der Versuch der Nachverfolgung von Täterinnen und Tätern scheitert leider genauso regelmäßig. Aktuelle gesetzliche Regelungen reichen nicht aus.
Soziale Netzwerke haften schon lange ab Kenntnis als Plattformbetreiber für Rechtsverletzungen ihrer Nutzer (Notice-and-Takedown). Dennoch haben die sozialen Netzwerke diesen gesetzlichen Auftrag nur unzureichend erfüllt. Aufgrund dessen wurden, im letzten Jahr, zwei neue Gesetzesentwürfe verabschiedet. Der „Gesetzesentwurf zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität“ und das „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“:

Ersterer verschärft gezielt den Umgang mit Rechtsextremismus, Drohungen und Diskriminierung im Netz. Die vorher sehr laschen Vorschriften werden strenger und sollen die Hasskriminalität in sozialen Medien eindämmen. Durch die neuen Maßnahmen können IP-Adressen von Täterinnen und Tätern nachverfolgt werden. Folglich zieht der Missbrauch der sozialen Netzwerke endlich Konsequenzen mit sich.

Im Netzwerksdurchsetzungsgesetz werden zwei zentrale Neuerungen vorgeschrieben:
Zum einen werden Anbietern sozialer Netzwerke erstmals Vorgaben zum Umgang mit Beschwerden gemacht. Sie müssen wirksame Verfahren etablieren und über diese regelmäßig ausführlich und transparent berichten.
Des Weiteren werden Anbieter verpflichtet, eine*n inländische*n Zustellbevollmächtigte*n zu veröffentlichen sowie eine*n Empfangsberechtigte*n für Anfragen der Strafverfolgungsbehörden zu benennen, der oder die diese Anfragen binnen 48 Stunden beantworten muss. Oftmals scheiterten bisher Strafverfahren oder Unterlassungsklagen schon daran, dass seitens der sozialen Netzwerke keine Ansprechpartner*innen greifbar oder erreichbar waren oder die Anbieter*innen sich bereits für die Entgegennahme von Klageschriften für unzuständig erklärten und auf die Mutterkonzerne in den USA verwiesen.
Mit diesen beiden Gesetzesentwürfen, kann künftig sowohl gegen Fake News und Missbrauch des Präsidentenstatus im Netz, als auch gegen Hasskriminalität vorgegangen werden. Bedauerlicherweise ist Deutschland, mit diesen Innovationen, Vorreiter. Es lässt sich nur hoffen, dass andere Staaten unserem Beispiel folgen.

Also Ja: Die Bundesrepublik sollte die sozialen Medien zur Verantwortung ziehen, wenn sie als Sprachrohr von Verschwörungstheorien missbraucht werden. Um die Verbreitung alternativer Fakten über soziale Medien, effektiv zu bekämpfen, haben wir die beiden Gesetzesentwürfe verabschiedet. Die SPD-Bundestagsfraktion und ich stehen hinter diesen Gesetzesentwürfen und plädieren für die zeitnahe Verabschiedung der Gesetze.

Passend zu dieser Thematik war ich am 25.01. mit Medienmachern und Wissenschaftlern im Diskurs. Im „Solinger Zukunftsdiskurs“ haben wir über Demokratie, den Erhalt der Wahrheit und den Weg dahin gesprochen. Schauen Sie sich das gerne an.

Zögern Sie nicht für ein persönliches Gespräch auf mich zu zukommen. Gerne stehe ich für Rückfragen und ein telefonisches, virtuelles wie persönliches Treffen – sobald dies wieder unkomplizierter möglich ist – zur Verfügung.

Herzliche Grüße und bleiben Sie gesund
Helge Lindh, MdB

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