Wie ist Ihre Meinung zur Sterbehilfe?

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Helge Lindh
SPD
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Frage von Helga W. •

Wie ist Ihre Meinung zur Sterbehilfe?

Sollte ein hochbetagter Mensch (90 Jahre und darüber) nicht das Recht haben, seinem Leben freiwillig
ein Ende zu setzen anstatt als dauerhaft Bettlägeriger würde- und sinnlos und gegen seinen Willen
weiter am Leben erhalten zu werden? Ich (94) wünsche mir, dass dies endlich und ohne langwierige
Formalitäten möglich sein wird.

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Antwort von
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Liebe Frau W.,

vielen Dank für Ihre Nachricht.

Zu den Kernprinzipien eines würdevollen Lebens gehört zweifellos die Möglichkeit eines würdevollen Sterbens. Dieser intuitive Gedanke wird jedoch weniger selbstverständlich, wenn wir über Fälle diskutieren, in denen der Tod bewusst gewählt wird, sei es aufgrund von Krankheit, belastenden Lebensumständen oder einfach weil ein Mensch sein Leben nicht mehr als lebenswert ansieht. In einem wegweisenden Urteil vom 27. Februar 2020 bekräftigte das Bundesverfassungsgericht die Autonomie des Einzelnen in dieser Entscheidung, einschließlich des Rechts, bei Dritten Hilfe für den assistierten Suizid zu suchen.

Trotz der Aufhebung des §217 StGB, der das "Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe" regelte, begegnen Menschen, die Suizid begehen wollen, sowie diejenigen, die bereit sind, ihnen dabei zu helfen, nach wie vor erheblichen rechtlichen und faktischen Hürden. 

Meiner Auffassung nach bedarf es daher einer klaren gesetzlichen Neuregelung, die Folgende Eckpunkte besonders zur Geltung bringen muss:

  1. Der freie Wille: Unterstützung bei der Selbsttötung sollte nur dann angeboten werden, wenn die betroffene Person in der Lage ist, einen freien Willen zu bilden. Das bedeutet, sie muss die Tragweite der Entscheidung verstehen und ohne äußeren Druck handeln können.

  2. Obligatorische Beratung: Vor dem Arztbesuch sollte ein Gespräch in einer niedrigschwelligen Beratungsstelle stattfinden, um die Betroffenen über alle möglichen Alternativen aufzuklären.

  3. Solidarität: In rechtlicher Hinsicht bedeutet Liberalisierung die Schaffung eines normativen Rahmens, der diejenigen, die bereit sind, Suizidassistenz zu leisten, nicht mit Strafe bedroht.

Die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema Sterbehilfe ist keine leichte Aufgabe. Dennoch müssen wir uns dieser Herausforderung stellen und Menschen unterstützen, die sich für ihren Tod entschieden haben. Denn wie bereits betont, die Kernfrage bleibt: "Darf Suizid sein?". Die Sorgen um eine Liberalisierung der Sterbehilfe, die vermeintlich schwerstkranke und alte Menschen unter Druck setzen könnte, sind verständlich. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass wir diese Herausforderung meistern können, indem wir unser Sozialstaatsmodell stärken und die Bedingungen der Alten- und Krankenpflege verbessern.

Letztendlich geht es um die Achtung des autonomen Willens jedes Einzelnen. Es ist unsere Pflicht als Gesellschaft, die Rechte jedes Einzelnen zu achten, auch wenn die Entscheidung schwer zu ertragen ist. Leider hat der Deutsche Bundestag einem unter anderen von mir eingebrachten Antrag, der diesen Anforderungen gerecht geworden wäre, nicht zugestimmt. Kein Antrag zur Neuregelung der Sterbehilfe konnte eine Mehrheit finden. Es wird keine gesetzliche Neuregelung der Suizidhilfe geben. Der bisherige ungeregelte Zustand bleibt bestehen - und damit auch Rechtsunsicherheit für Betroffene, Angehörige und Ärzt*innen. Diejenigen, die sich nach einer würdevollen und selbstbestimmten Entscheidung sehnen, werden weiterhin im Dunkeln gelassen. 

Ich hoffe, dass wir gemeinsam einen Weg finden, der trotzdem den Bedürfnissen aller Betroffenen gerecht wird. Ich werde mich weiterhin für eine Liberalisierung der Sterbehilfe einsetzen.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr
Helge Lindh

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