Frage an Hubertus Heil bezüglich Arbeit und Beschäftigung

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Hubertus Heil
SPD
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Frage von Angelika D. •

Frage an Hubertus Heil von Angelika D. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Heil,

es ist ja begrüssenswert, dass Sie zuminest rezitieren können, wie es eigentlich sein sollte. Das bedeutet aber natürlich noch lange nicht, daß es tatsächlich so ist. Ein Schelm beispielsweise, wer vermutet, dass die heutzutage allerorten beklagte Energiepreiserhöhung, entstanden durch die Art und Weise, wie die Privatisierung der Energieversorgung gelöst wurde, dann vielleicht auch damit zusammenhängt, daß so viele Parlamentarier lukrative Pöstchen bei eben diesen Energieversorgern haben.
Schön ist auch, zu betrachten, wie Sie immer die eigentlich relevanten und wohl unangenehmsten Teile der Fragen einfach weglassen und gar nicht beantworten. Das Interessante an abgeordnetenwatch.de sind dann halt auch meist die Fragen, die nicht wirklich beantwortet werden, denn dort steckt auch eine Antwort drin. Anders als beispielsweise in Fernsehinterviews, kann man die "Antwort" hier aber noch lange Zeit nachlesen. Ich denke die bei der Verwendung und Analyse der verschiedenen Fragen und Antworten z.B. im Schulunterricht, kann man einiges über das Wesen der Politik lernen.
Interessant ist auch zu sehen, wie manche wohl zu unbequeme Fragen einfach von der Seite verschwinden, bevor sie "beantwortet" werden können. Also nochmal zu meiner ursprünglichen Frage, die Sie ja nicht beantwortet haben. Finden Sie es nicht auch ein wenig unglaubwürdig, wenn Sie der polit. Konkurrenz Populismus vorwerfen, und ihr dann mit Ihren Placebo-Parteitagsbeschlüssen ( z.B. ALG I- Verlängerung für Ältere) hinterherhecheln. Ist es schon "sozial", wenn die SPD einen winzigen Teil des Unfugs, den sie selbst verbockt hat, zurücknimmt? Wie "sozial" ist es, wenn ein Parteivorsitzender ALG II-Empfänger als "Ungewaschen und unrasiert" diskriminiert? Wie sozial ist es wenn die SPD ALG II-Empfängern, die im Krankenhaus liegen, das ALG II um bis zu 35% kürzen lässt? Da können Sie, als Vertreter der "Neuen Mitte" bitte mal explizit und ohne das übliche Umdenheissenbreireden drauf antworten.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Diabel,

vielen Dank für Ihre Anfrage, auf die ich Ihnen nochmals gerne antworten und Ihrer Bitte folgend zu den Themen ALG I-Verlängerung für Ältere und Kürzung des ALG II bei längeren Krankenhausaufenthalten Stellung nehmen möchte.

Der Deutsche Bundestag hat am 25.1.2008 in 2. und 3. Lesung den Gesetzentwurf zur Verlängerung des Arbeitslosengeldes als auch die Anschlussregelung für die 58er-Regelung verabschiedet.

Mit dem Gesetzentwurf werden die Beschlüsse des Koalitionsausschusses vom 12. November 2007 umgesetzt. Es geht dabei insbesondere um die soziale Sicherung von älteren Arbeitnehmern und um die Verbesserung ihrer Integration in den Arbeitsmarkt. Trotz der steigenden Erwerbstätigenzahlen der über 55-jährigen gelingt bei Arbeitslosigkeit die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt nicht immer. Deshalb verlängern wir die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes, sorgen für eine Nachfolge der ausgelaufenen 58er-Regelung und schaffen mit dem Eingliederungsgutschein ein neues Arbeitsmarktinstrument für diese Personengruppe.

Die zentralen Regelungen sehen vor, die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld I für ältere Arbeitnehmer ab 1. Januar 2008 in drei Stufen zu verlängern. Je nach Dauer der Vorversicherungszeiten erhalten mindestens 50-jährige Arbeitslose bis zu 15 Monate, mindestens 55-jährige Arbeitslose bis zu 18 Monate und mindestens 58-jährige Arbeitslose bis zu 24 Monate Arbeitslosengeld.

Ältere Arbeitslose, die länger als 12 Monate arbeitslos sind, haben einen Anspruch auf einen Eingliederungsgutschein, um ihre Chancen auf einen neuen Arbeitsplatz zu erhöhen. Dieser Gutschein verpflichtet die Bundesagentur für Arbeit zur Zahlung eines Eingliederungszuschusses an einen neuen Arbeitgeber. Bei der geförderten Arbeit muss es sich um ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis mit einer Mindestdauer von einem Jahr und wenigstens 15 Stunden handeln.

Um Härten für Arbeitslosengeld-II-Bezieher nach dem Auslaufen der sogenannten 58er-Regelung zum 31. Dezember 2007 abzufangen, werden die entsprechenden Regelungen im Sozialgesetzbuch II modifiziert. Arbeitslosengeld-II-Bezieher ab dem 58. Lebensjahr sollen unverzüglich in Arbeit oder in eine Arbeitsgelegenheit vermittelt werden. Sie können erst nach vollendetem 63. Lebensjahr auf eine Rente mit Abschlägen verwiesen werden. Aber auch nach dem 63. Lebensjahr wird es Ausnahmen für Härtefälle geben, die in einer Verordnung noch festzulegen sind.

Zur Kürzung von ALG II bei längeren Krankenhausaufenthalten: Sie sprechen hier in der Tat ein heikles Thema an. Zum 1. Januar 2008 ist die Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales in Kraft getreten. Die Verordnung legt unter anderem fest, wie zukünftig mit dem Anteil für Verpflegung im Regelsatz von Arbeitslosengeld II- Beziehern im Falle eines Krankenhausaufenthaltes umgegangen werden soll.

Damit hat das Bundesministerium per Verordnung jedoch lediglich eine Klarstellung des Sachverhaltes vorgenommen. Diese Klarstellung war auch dringend nötig. Bis dahin bestimmten nämlich die Sozialgerichte darüber, ob und wenn ja, um wie viel der monatliche Betrag gekürzt werden darf, wenn die Essensversorgung anderweitig gesichert ist. Dabei haben die Sozialgerichte diese Frage sehr unterschiedlich mit den entsprechenden Folgen für die Betroffenen beurteilt. Während beispielsweise ein ALG II-Bezieher in Schleswig-Holstein seinen vollen Regelsatz behalten durfte, sah es das Sozialgericht Karlsruhe als statthaft an, sogar mehr als den Essensanteil von rund 35 Prozent des Regelsatzes zu kürzen.

Um diese Ungleichbehandlung zu beenden, hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales eine Regelung entworfen, die vorsieht, dass der bei einem Krankenhausaufenthalt gesparte Essensanteil am Regelsatz - also 35 Prozent - prinzipiell gegen gerechnet werden darf. Allerdings wurde eine Bagatellgrenze von rund 83 Euro eingezogen, welche die meisten Menschen vor einer Kürzung ihrer Regelleistung schützen wird. Selbst nach 20 Tagen stationärer Behandlung würden sie noch ihren vollen Regelsatz erhalten.

Die Verwaltungsverordnung hat den vorherigen sehr unbefriedigenden Zustand also deutlich verbessert und Rechtssicherheit für die Betroffenen geschaffen. Dennoch sieht die SPD-Fraktion noch folgende Probleme:

1. Das Justizministerium hat zwar grünes Licht für die Verordnung gegeben, der Petitionsausschuss des Bundestages schätzt die Gesetzeslage jedoch einstimmig anders ein. Er sagt, dass in diesem Punkt eine Verordnung nicht ausreicht und wir eine gesetzliche Regelung brauchen. Dieser Widerspruch muss geklärt werden!

2. Es ist fraglich, ob die Regelung tatsächlich Einsparungen erbringt. Man muss hier natürlich auch anfallende Verwaltungskosten gegen rechnen.

3. Wir müssen uns die Frage stellen, ob im Falle eines Krankenhausaufenthaltes für die betroffenen Menschen nicht auch Mehrkosten anfallen. Die Betroffenen sparen das Geld für Verpflegung, aber möglicherweise müssen entsprechende Kleidung oder Hygieneartikel besorgt werden, die dann nicht über den Regelsatz abgedeckt sind. Eine Anrechnung der Verpflegung könnte somit dem Pauschalierungsgrundsatz widersprechen, der gerade darin besteht, dass Besonderheiten des Einzelfalles auszublenden sind.

Sie sehen, es gibt also auch auf unserer Seite noch offene Fragen, die geklärt werden müssen. Daher werden wir im Frühjahr 2008 die Regelsätze generell auf den Prüfstand stellen. In diesem Zusammenhang werden wir dann auch die Verwaltungsverordnung gründlich unter die Lupe nehmen.

Ich hoffe, dass ich Ihnen hiermit meine Sicht der Dinge ausführlich und klar darlegen konnte.

Mit freundlichen Grüßen

Hubertus Heil, MdB

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