Warum tut sich die Regierung schwer mit einer deutlichen Antwort an Russland ?

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Hubertus Heil
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Frage von Jürgen S. •

Warum tut sich die Regierung schwer mit einer deutlichen Antwort an Russland ?

Guten Tag,in der Ukraine-Krise/Krieg werden Rußland/Putin als Aggressor gebranmarkt. Aber eine deutliche Reaktion, die auch unsere Breitschaft, Nachteile in Kauf zu nehmen zeigt, fehlt meines Erachtens.
Warum ist als symbolischer Akt nicht wenigstens ein autofreier Sonntag oder ein Tempolimit für die Dauer des Krieges erlassen worden, wenn man schon nicht auf den Import fossiler Energie aus Rußland verzichten kann ?

Mit freundlichen Grüßen
J. S.

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Sehr geehrter Herr S.,

zunächst möchte ich mich für Ihre Nachricht und Ihre Ideen bedanken.

In Anbetracht der grausamen Bilder, die uns tagtäglich aus der Ukraine erreichen, kann ich Ihre Forderung nach einer unabhängigeren Energieversorgung und einer starken Sanktionierung Russlands gut nachvollziehen.

Der völkerrechtswidrige Angriff Putins auf die Ukraine markiert eine Zeitenwende. Es ist das erste Mal seit über 80 Jahren, dass auf europäischem Boden ein Land einen großflächigen militärischen Überfall auf ein friedliebendes Nachbarland gestartet hat. Vor allem die Frauen, Männer und Kinder in der Ukraine zahlen einen hohen Preis. Ihnen gelten unsere volle Solidarität und Unterstützung.

Seit Präsident Putin die Invasion der Russischen Föderation am 24. Februar begonnen hat, hat die internationale Gemeinschaft umfangreiche restriktive Maßnahmen verhängt, die Russlands Wirtschafts- und Finanzsystem schwer beeinträchtigen. Dies konnten wir zügig umsetzen, sodass Russland möglichst schnell in seine Schranken gewiesen wird. In den vergangenen Wochen wurden im engen Austausch zwischen dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und der Mineralölwirtschaft Schritte eingeleitet, die Lieferbeziehungen mit Russland zu beenden.

Ich kann Ihnen versichern, dass wir nach wie vor entschlossen sind, noch weitere Maßnahmen im Rahmen unserer fortlaufenden Reaktion zu ergreifen.

Eines ist jedoch klar: Wir werden nicht von heute auf morgen auf die Energielieferungen verzichten können. Denn das hieße, dass bei uns die Arbeitslosigkeit in die Höhe schießt und unsere wirtschaftliche Stabilität und der soziale Zusammenhalt in Gefahr geraten würden.

Realistisch betrachtet wird eine weitestgehende Unabhängigkeit von russischen Rohstoffen erst ab Sommer 2024 zu erreichen sein.

Insbesondere die Reduktion von Gasimporten aus Russland stellt uns aufgrund der hohen Abhängigkeit und den nationalen Infrastruktur-Voraussetzungen vor eine große Herausforderung. Die Importanteile fossiler Energiequellen aus Russland liegen für Öl aktuell bei 35 Prozent, für Kohle bei 50 Prozent und für Gas bei 55 Prozent.

Zur Gewährleistung einer längerfristigen Versorgungssicherheit ist es daher erforderlich, zunächst eine geordnete Lösung für eine alternative und nachhaltige Energieversorgung zu finden. In der Übergangszeit liegt die Verantwortung bei Bund, Ländern, Kommunen, Unternehmen und den privaten Haushalten den Gaseinsatz durch Energieeffizienz, Energieeinsparung und Elektrifizierung erheblich zu reduzieren.

Dabei gilt: Mit jeder eingesparten Kilowattstunde wird ein wichtiger Beitrag zur Energieunabhängigkeit geleistet.

Um diesen Prozess zu beschleunigen, hat die Bundesregierung angekündigt, die Erneuerbaren Energien in den nächsten Jahren maximal auszubauen. Im Vordergrund steht dabei die Förderung von Flüssiggas-Terminals. Die Bundesregierung arbeitet im engen Austausch mit den betroffenen Bundesländern daran, bereits 2022 und 2023 mehrere schwimmende LNG-Terminals in Deutschland in Betrieb zu nehmen. Der Bau weiterer LNG-Terminals, wie beispielsweise ein Terminal in Brunsbüttel, befinden sich in konkreten Planungsprozessen und stehen voraussichtlich ab 2026 für die Versorgung bereit.

Flankiert werden diese Maßnahmen durch den nunmehr erhöhten Erdgasbezug aus Norwegen und den Niederlanden sowie der signifikanten Steigerung von LNG-Importen.

Für eine Unabhängigkeit vom russischen Öl arbeitet die Bundesregierung mit Hochdruck daran, die Lieferketten derartig umzustellen, dass zumindest bis zum Jahresende mit einer nahezu völligen Einstellung der Mineralölimporte gerechnet werden kann.

Im Gegensatz zum Gas besteht bei der Öl-Versorgung die Möglichkeit, kurzfristig auf die nationalen strategischen Ölreserven zurückzugreifen. Diese können einen vollständigen Ausfall aller Importe für einen bestimmten Zeitraum ausgleichen und ermöglichen uns, zumindest im Bereich der Rohöllieferungen schnell und wirksam auf die aktuelle Situation in der Ukraine zu reagieren.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen und wünsche Ihnen in diesen schweren Zeiten alles Gute.

Mit freundlichen Grüßen

Hubertus Heil

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