Warum wurde, im Gegensatz zur Erhöhung des Mindestlohns, die Anhebung des "Durchschnittsentgelts" um etwa 11 % in den Medien nicht offen kommuniziert?

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Frage von Karlheinz E. •

Warum wurde, im Gegensatz zur Erhöhung des Mindestlohns, die Anhebung des "Durchschnittsentgelts" um etwa 11 % in den Medien nicht offen kommuniziert?

Sehr geehrter Herr Minister Heil,
kann es sein, dass dem Bürger, wie anscheinend so oft, unangenehme Wahrheiten verschwiegen werden?
Sie haben doch die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro als großen Erfolg verkauft, auch im Hinblick auf eine dann zu erwartende höhere Rente. Ich verstehe das alles so, dass es sich hier eher um ein "Nullsummenspiel" handelt. Ich bitte Sie um Aufklärung. Vielen Dank!

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Sehr geehrter Herr E.,

vielen Dank für Ihre Nachricht.

Das Durchschnittsentgelt der Anlage 1 zum Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) wird als Rechengröße der gesetzlichen Rentenversicherung jährlich aufgrund einer Rechtsverordnung, der sogenannten Sozialversicherungsrechengrößen-Verordnung, neu bestimmt.

Am 12. Oktober 2022 hat die Bundesregierung die Rechengrößen der Sozialversicherung für das Jahr 2023 gemäß der Einkommensentwicklung im Jahr 2021 angepasst und aus diesem Anlass auch eine Pressemitteilung herausgegeben (BMAS - Bundeskabinett beschließt Sozialversicherungsrechengrößen 2023). Die Rechengrößen der Sozialversicherung werden jedes Jahr nach gesetzlichen Vorgaben ermittelt. Für die Fortschreibung dieser Rechengrößen wird auf die durch das Statistische Bundesamt ermittelten Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer*in (ohne Personen in Arbeitsgelegenheiten mit Entschädigungen für Mehraufwendungen) jeweils nach der Systematik der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen zurückgegriffen (§ 68 Absatz 2 Satz 1 SGB VI). Auf dieser Basis werden vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales die relevanten Lohnzuwachsraten rechnerisch ermittelt.

Die den Sozialversicherungsrechengrößen 2023 zugrundeliegende Lohnentwicklung im Jahr 2021 (Ver-änderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer) betrug im Bundesgebiet 3,30 Prozent und in den alten Bundesländern 3,31 Prozent. Die Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer*in können im Vorjahresvergleich auch sinken. Beispielsweise betrug die den Sozialversicherungsrechengrößen 2022 zugrundeliegende Lohnentwicklung im Jahr 2020 im Bundesgebiet -0,15 Prozent und in den alten Bundes-ländern -0,34 Prozent.

Beim Durchschnittsentgelt ist zu unterscheiden zwischen dem vorläufigen und dem endgültigen Wert. Mit der Sozialversicherungsrechengrößen-Verordnung 2023 wurde das vorläufige Durchschnittsentgelt für das Jahr 2023 in Höhe von 43.142 Euro und das endgültige Durchschnittsentgelt für das Jahr 2021 in Höhe von 40.463 Euro bestimmt. Das vorläufige Durchschnittsentgelt 2023 wird ausgehend vom endgültigen Durchschnittsentgelt 2021 mit der doppelten Veränderungsrate der Löhne in den alten Ländern 2020/2021 bestimmt. Es wird zwei Jahre später durch den endgültigen Wert ersetzt. Die Festsetzung des vorläufigen Entgelts für das Jahr 2023 erfolgt also bereits Ende 2022 und kann sich daher naturgemäß nicht an der tatsächlichen Lohnentwicklung des Jahres 2023 orientieren. Diese ist Ende 2022 noch nicht bekannt. Es handelt sich bei der Festsetzung des vorläufigen Durchschnittsentgelts also eher um eine rein technisch geprägte Fortschreibung.

Der relativ große Unterschied zwischen dem vorläufigen Durchschnittsentgelt 2022 (38.901 Euro) und dem vorläufigen Durchschnittsentgelt 2023 (43.142 Euro) von knapp 11 Prozent ist insbesondere auf die gesetzlich vorgeschriebene Berechnung des vorläufigen Durchschnittsentgelts zurückzuführen. Das vor-läufige Durchschnittsentgelt 2022 wurde auf Basis der negativen Veränderungsrate der Löhne in den alten Ländern 2019/2020 ermittelt und fiel daher sogar geringer aus als das endgültige Durchschnittsentgelt 2020.

Ein Vergleich der vorläufigen Durchschnittsentgelte im Zeitablauf kann aufgrund dieser Fortschreibungsmechanik die tatsächliche Lohnentwicklung nicht abbilden. Die tatsächliche Lohnentwicklung kann erst durch das endgültige Durchschnittsentgelt abgebildet werden. Ohne der Sozialversicherungs-rechengrößen-Verordnung 2024 vorweg greifen zu wollen, mit der das endgültige Durchschnittsentgelt 2022 bestimmt wird, ist davon auszugehen, dass der endgültige Wert 2022 deutlich über dem vorläufigen Wert 2022 liegen und der Unterschied zwischen 2022 (endgültig) und 2023 (vorläufig) deutlich kleiner werden wird.

Mit freundlichen Grüßen
Hubertus Heil

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