Frage an Ilse Aigner von Andreas Bernhard R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Grüß Gott, Frau Aigner,
angesichts der sich zuspitzenden und dadurch auch ins öffentliche Interesse gerückten Ereignisse in Ägypten darf ich Sie um Ihre Einschätzung zu folgenden Fragen bitten:
1. Inwieweit waren Ihnen als Bundestagsabgeordnete denn die alltäglichen Menschenrechtsverletzungen unter dem Regime Mubarak bekannt und bewusst? Dass es sich im Inneren gegenüber Andresdenkenden eher um ein Terrorregime handelt ist mir selbst nicht zuletzt durch Informationen von amnesty international seit etwa 20 Jahren vertraut. Ich kann mir schwer vorstellen, dass die Mitglieder des Bundestages nicht mindestens an ebenso gute Informationsquelen gelangen.
2. Wie bewerten Sie vor diesem Hintergrund die langjährige Haltung der deutschen Regierungen, deren öffentlich gezeigte freundschaftliche Haltung gegenüber Präsident Mubarak keine klare Kritik an den diversen Menschenrechtsverletzungen erkennen ließ? Denken Sie rückblickend, dass es im Sinne der oft zitierten Realpolitik wirklich vertretbar ist, Regierungen à la Mubarak als Stabilitätsfaktor im arabischen Raum zu stützen und dabei über Misshandlungen, Verschwindenlassen, rigide Einschränkungen von Meinungs- und Religionsfreiheit et cetera anscheinend weitgehend hinwegzusehen?
3. Wie nehmen Sie die momentanen Verlautbarungen Ihres Ministerkollegen Herrn Dr. Werstewelles und unserer Bundeskanzlerin Frau Dr. Merkel wahr? Die Berichte und Einschätzungen von Fachleuten und Journalisten und Journalistinnen vor Ort bringen einhellig die Enttäuschung der ägyptischen Menschen, die unter Einsatz ihres Lebens für Freiheit und Menschenrechte kämpfen, zum Ausdruck, dass die europäischen und US-amerikanischen Verlautbarungen allesamt so zögerlich und unentschlossen wirken. Meinen Sie nicht, deutliche Worte inklusive Sanktionsandrohungen wären überfällig?
4. Wie stehen Sie unter dem Eindruck der aktuellen Ereignisse zur deutschen Politik beispielsweise gegenüber China?
Mit freundlichen Grüßen vom Tegernsee
A. Rullmann-Stekl
Sehr geehrter Herr Rullmann-Stekl,
vielen Dank für Ihre Fragen.
Die Situation der Menschenrechte in Ägypten ist nach wie vor prekär. Unter der Regierung Mubarak ist es in der Vergangenheit immer wieder zu Verstößen gegen die Menschenrechte gekommen.
Ich teile allerdings nicht Ihre Einschätzung, wonach die Bundesregierung in dieser Frage keine klare Kritik zu erkennen gegeben habe. Im Gegenteil, bereits 2008 ist der damalige Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Günter Nooke, zu Gesprächen in den Jemen und nach Ägypten aufgebrochen, um mit Regierungsvertretern, NGOs und Vertretern der UN über diverse Menschenrechtsthemen sowie die Lage christlicher Minderheiten zu diskutieren. Wiederholt haben Mitglieder der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag in der jüngsten Vergangenheit auf die Lage der koptischen Christen in Ägypten aufmerksam gemacht und Religionsfreiheit angemahnt. Auch die Bundeskanzlerin hat sich noch vor wenigen Tagen sehr besorgt über die Einhaltung der Menschenrechte in Ägypten geäußert und das Recht der Opposition auf Demonstrationen und Meinungsfreiheit gefordert.
Die Lage in Ägypten ist derzeit sehr unübersichtlich. Nicht einmal Nahostexperten können mit Gewissheit sagen, welche Richtung die Entwicklungen einschlagen werden. Persönlich wünsche ich dem ägyptischen Volk, dass es seinen eigenen Weg in Demokratie und Wohlstand gewaltfrei finden möge. Ich möchte in diesem Zusammenhang noch einmal an den Appell der Bundeskanzlerin Merkel bei der Münchner Sicherheitskonferenz erinnern, die zu einem Verzicht auf zu viel Einflussnahme von außen in der derzeitigen Lage aufgerufen hat. Gerade wir Deutschen können hier auf reiche Erfahrungen beim geordneten Übergang in die Demokratie zurückblicken. Wenn sich das ägyptische Volk an die Europäische Union oder direkt an die Bundesrepublik wendet, werden wir es bei der Ermöglichung demokratischer Wahlen nach Kräften unterstützen.
Mit freundlichen Grüßen
Ilse Aigner MdB