Frage an Ingrid Arndt-Brauer bezüglich Senioren

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Ingrid Arndt-Brauer
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Frage von Ulrich D. •

Frage an Ingrid Arndt-Brauer von Ulrich D. bezüglich Senioren

S.g. Frau Arndt-Brauer,
ich stimme mir Ihren Begründungen nicht in allen Punkten überein, aber ich begrüße Ihre sachliche Stellungsnahme zu allen angefragten Punkten.
Die Erhöhung der Renten um 0,54% hat allgemein eine große Verstimmung bei den Rentnern erzeugt. Allein die Erhöhung der Krankenkassenbeiträge ab 1.4.07 um 8,58€ p. M. bei ca. 6€ p.M. Rentenerhöhung spricht für sich. Sie geben über dem Tisch 10 und nehmen unter den Tisch 15 - es dient sicher nicht dem Vertrauen zu unseren Abgeordneten.
Die eigentliche "Lebenslüge" ist in der Rentebetrachtung nicht die sogenannte "Generationengerechtigkeit" (was dieses auch immer sein soll), sondern die Absicherung der Beamten und Abgeordneten von 942 Mrd. € der heutigen 45 jährigen Beamten und Abgeordneten bei einer Lebenserwartung dieser Personen von 76,8 Jahren.
Gleichzeitig erhalten Beamte - (und Abgeordneten noch mehr) - 71% ihrer Dienstbezüge und zusätzlich 50% -85% der Krankenkosten bis zur Chefarztbehandlung.(Quelle: Der Spiegel vom 19.3.2007)
Eine Führungskraft erhält nach 45 Versicherungsjahren 1600€ Rente.
1.Warum erhält ein Beamter und eine Führungskraft mit fast gleichem Lebenseinkommen 5 mal mehr Rente ohne je einen eigenen Beitrag geleistet zu haben (also zusätzlich!) zu den Sozialsystemen?
2. Sind Sie der Meinung, dass diese Rentenzuordnung gerecht ist?
3. Halten Sie in Anbetracht die "Lebenslüge" in der Rentenbewertung der Generationsgerechtigkeit im Verhältnis zu den unglaublichen Zahlungen von Rentenbeträgen an Beamte und Abgeordnete für weiter sinnvoll und gerechtfertigt?
5. Sollte unter dieser Betrachtung die Anzahl der Beamten - wie in Sachsen - auf 3% aller im öffentlichen Dienst Tätigen begrenzt werden?
4. Wie wollen Sie diese Summe (siehe oben) finanzieren oder wollen Sie Rentenansprüche aus diesem Grunde bei der jungen Generation senken?
5. Glauben Sie, dass die Wähler diese Zusammenhänge nicht verstehen?

MfG
Ulrich Dissars aus

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Dissars,

vielen Dank für Ihre Mail, mit der Sie die Ungleichheit von Beamten- und Abgeordnetenpensionen einerseits sowie der Renten und der geplanten diesjährigen Rentenanpassung um 0,54% andererseits kritisieren.

Der Vergleich der durchschnittlichen Höhe von Renten und Pensionen geht aus mehreren Gründen methodisch fehl: Es gibt in der heutigen Rentnergeneration zahlreiche Klein- und Kleinstrenten bei Personen, die nur kurzzeitig (versicherungspflichtig) gearbeitet haben und danach beispielsweise Hausfrau wurden oder als Selbstständige nicht mehr der Versicherungspflicht unterlagen. Beamte, bei denen eine solche Situation eintritt, werden auf eigenen Antrag aus dem Beamtenverhältnis entlassen und in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert, weshalb es Klein- und Kleinstpensionen zwangsläufig nicht gibt, sondern diese auch noch in Form von Renten anfallen.

Die unterschiedlichen Statusverhältnisse (Beamte und Tarifbeschäftigte) sind nicht gleichmäßig über die unterschiedlichen Qualifikationen verteilt, sondern es dominiert beispielsweise im höheren Dienst (Juristen, Lehrer usw.) der Beamtenstatus, während weniger qualifizierte Tätigkeiten eher durch Tarifbeschäftigte wahrgenommen werden. Weiterhin sagt die Höhe von Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung nichts darüber aus, welche weiteren ganz oder teilweise arbeitgeberfinanzierten Zusatzversorgungen die Rentner zusätzlich zur gesetzlichen Rente erhalten. Die Tarifrechtbeschäftigten des öffentlichen Dienstes und viele andere Arbeitnehmer, zumindest in Großunternehmen, erhalten betriebliche Alterversorgung. Bei der Beamtenversorgung handelt es sich um eine sog. Vollversorgung, die nicht nur die Rente ersetzt, sondern auch die Zusatzversorgung. Außerdem unterliegen die Beamtenpensionen noch für eine lange Übergangszeit einer *stärkeren Besteuerung* als die Renten!!

Das Beamtenverhältnis beinhaltet im Gegenzug zu den Versorgungsansprüchen Einschränkungen (fehlendes Streikrecht) und Verpflichtungen (Versetzbarkeit). Zudem verpflichten sich Beamte bis zum Ende ihres Arbeitslebens "dem Staate" zu dienen. Mit einem Wechsel von einer Beamtentätigkeit, in eine mitunter lukrativere Stelle im öffentlichen Dienst oder der Wirtschaft ginge ein Verlust der Versorgungsansprüche einher (Nachversicherung in der gesetzlichen RV) .

Die Begrenzung der Zahl der Beamten wie in Sachsen muss kein Vorteil sein. Verschiedene Gutachten zu diesem Problem haben ergeben, dass der Angestelltenstatus für die öffentliche Hand nicht wirtschaftlicher ist. In der Praxis werden Lehrkräfte, obwohl für sie der Beamtenstatus rechtlich nicht zwingend ist, in den meisten Ländern doch als Beamte beschäftigt. Das Land Schleswig-Holstein, das im Schulbereich über mehrere Jahre im Sinne der Antragsteller verfahren war, ist inzwischen zur Verbeamtung zurückgekehrt. Dem Leistungsprinzip kann auch im Rahmen des Beamtenstatus Rechnung getragen werden, beispielsweise durch Leistungselemente in der Besoldung und die Vergabe von Führungspositionen auf Probe. Schließlich würde durch eine Beschränkung des Beamtentums auf Hoheitsfunktionen nicht der unterschiedliche Status der Beschäftigten in einer Dienststelle entfallen, denn jedenfalls in den Bereichen Polizei, Bundeswehr und Justiz würden neben Angestellten und Arbeitern weiterhin auch Beamte bzw. Soldaten und Richter tätig werden müssen. Insgesamt wird man feststellen können, dass auf dem Weg zu einem effizienten und bürgerfreundlichen Staat der Beschränkung des Beamtentums nicht die entscheidende Bedeutung zukommt.

Was die Altersabsicherung der Abgeordneten betrifft, wird bereits länger über eine Reform der Bezüge nachgedacht. Die Entscheidungsfindung ist aber noch nicht abgeschlossen. Eine Überführung in die gesetzliche Rentenversicherung ist aber nicht einfach. So benötigt man zum Bezug einer Altersrente der gesetzlichen RV 15 Beitragsjahre. Viele Abgeordnete erreichen diese aber nicht, da ihr Mandat nur auf max. vier Jahre begrenzt ist. Das Risiko der Abwahl ist relativ hoch, so das es nicht verwunderlich, das im Parlament solche Abgeordnete in größerer Zahl vertreten sind, die in einen sicheren Beruf zurückkehren können (öffentlicher Dienst, Beamte etc.). Über die Höhe der Abgeordnetenpensionen kann man streiten. Unstrittig ist hingegen, dass jeder volljährige Bürger Abgeordnete/r werden kann! Die Gruppe der Abgeordneten ist kein exclusiver Club, sondern das sog. Mandat steht allen offen! Insofern vermag ich keine grundsätzliche Privilegierung zu erkennen. In meiner Fraktion sind eine Vielzahl von Berufsgruppen repräsentiert.

Ihre Kritik an der geplanten Rentenerhöhung teile ich nicht. In den letzten Jahren sind die Renten trotz sinkender Einkommen nicht gekürzt worden, obwohl dies streng genommen hätte geschehen müssen. Zum anderen verschulden wir uns jedes Jahr immer noch auf Kosten der nachkommenden Generationen, die ohnehin auch die übrigen bislang angehäuften Schulden, sprich Zinsen, tragen muss. Der Steuerzuschuß zur gesetzlichen Rentenversicherung, den übrigens alle Bürgerinnen und Bürger aufbringen - auch Beamte und Abgeordnete - beträgt heute schon 78 Mrd. € jährlich! Eine weitere Steigerung ist nicht vertretbar. Hier konkretisiert sich das Thema Generationengerechtigkeit!

Die Finanzierungsprobleme in der Rente haben nichts mit den keineswegs "unglaublichen" Zahlungen an Beamte und Abgeordnete zu tun. Sie sind - neben einem Rückgang an sozialversicherungspflichtigen Stellen und Sonderzahlungen (Weihnachtsgeld etc.) - vor allem dem fortschreitenden demographischen Wandel geschuldet. Die Zahl der Rentner nimmt zu, die der Jüngeren ab. Im Jahre 2030 müssen voraussichtlich zwei Arbeitnehmer für einen Rentner aufkommen (heute etwas mehr als drei). Hinzu kommt eine deutlich verlängerte Rentenbezugszeit, durch die (zum Glück) steigende Lebenserwartung) und eine verkürzte Lebensarbeitszeit (längere Ausbildung, Studium etc.). Die geplante Rentenerhöhung halte ich für angemessen und gerecht. Trotz guter Konjunktur dürfen wir die Rentenkassen nicht überfordern, um die Balance zwischen den Generationen nicht zu beeinträchtigen. Bedenken Sie, dass die Jüngeren in weitaus stärkerem Maße gefordert sind, zusätzlich zur gesetzlichen Rente, privat vorzusorgen.

Mit freundlichen Grüßen

Ingrid Arndt-Brauer