Frage an Ingrid Arndt-Brauer bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben

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Ingrid Arndt-Brauer
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Frage von michael k. •

Frage an Ingrid Arndt-Brauer von michael k. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben

Sehr geehrte Frau Bauer
Warum können die Politiker nicht endlich mal einschreiten um die hohen Benzinpreise zu stoppen ,wir alle wissen das der Staat dadurch enorme Steuereinnahmen hat doch die Belastung wird immer mehr auf die Bürger unseres Landes abgewälzt ,was haben wir damit zutun das die Amerikaner einen Krieg angefangen haben denn sie sowieso nicht Gewinnen können,ich glaube dieser Krieg wäre niemals zustande gekommen wenn es in dem Land keine Oelfelder geben würde.

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SPD

Sehr geehrter Herr Koopmeiners,

vielen Dank für Ihre Zuschrift. Die seit über einem Jahr anhaltenden Preissteigerungen auf den internationalen Energiemärkten (die ihre Parallele zur Preisentwicklung auf den Rohstoffmärkten finden) sind zunehmend ein Thema für die Medien und Bürger. Ohne Frage nimmt der Staat über die Mineralölsteuer Gelder ein. Diese benötigt er jedoch auch, z. B. für den Ausbau und Erhalt der Verkehrsinfrastruktur. Mit der Ökologischen Steuerreform hat die Bundesregierung seit 1998 bis heute in fünf Schritten die Mineralölsteuer auf Benzin und Diesel um insgesamt 15,3 Cent je Liter erhöht. Im gleichen Zeitraum ist an den Tankstellen der Durchschnittspreis für Normalbenzin von 0,78 Euro auf 1,27 Euro ( + 49 Cent) und für Diesel von 0,58 Euro auf 1,12 Euro ( + 54 Cent) angestiegen. Die Ökosteuer macht demnach weniger als ein Drittel der Preissteigerungen aus. Die Einnahmen aus der Ökosteuer fließen zu rund 90 Prozent in die Rentenkassen und entlasten alle Beitragszahler um derzeit rund 16 Mrd. Euro jährlich. Wer die Ökosteuer abschaffen will, muss das Geld an anderer Stelle eintreiben.
Die Ölpreissteigerungen der letzten Jahre haben vielfältige Hintergründe, die ich nachfolgend kurz skizzieren möchte: Der Ölpreis liegt heute um mehr als das Sechsfache über dem zur Jahreswende 1998/1999 (10/65 $/bl) und damit inflationsbereinigt erstmals über eine längere Zeit hinweg deutlich über der Marke der beiden Ölpreiskrisen der 1970er Jahre. Da die Ölförderkosten im gleichen Zeitraum kaum gestiegen sind und die notwendigen Neuinvestitionen nach fast einem Jahrzehnt der Investitionszurückhaltung erst anlaufen, verbleiben die Gewinne fast ausschließlich bei den großen Ölkonzernen. Mehr als 80 Prozent des internationalen Ölgeschäfts werden von staatlichen Unternehmen beherrscht, nur gut 15 Prozent sind im eigentlichen Sinne privatwirtschaftlich organisiert. In Deutschland wird nur lediglich knapp 3 Prozent des eigen verbrauchten Öls gefördert (in Niedersachsen und im Wattenmeer). 2004 bezogen wir 8 Prozent aus dem Nahen Osten, 15 Prozent aus Afrika (Algerien, Libyen), 34 Prozent aus Europa (Großbritannien, Norwegen) und 42 Prozent aus der GUS (allein 34 Prozent aus Russland).
Wesentliche Faktoren für den von keiner relevanten Analysten- oder Forschungsgruppe so voraus gesagten anhaltend steigenden Ölpreis sind

* das entgegen allen Prognosen seit rund 15 Jahren anhaltend hohe Wachstum (über 9 Prozent) in China sowie ebenfalls sehr hohe Wachstumsraten in Indien und Teilen Südostasiens. Stromengpässe in China führen zur ineffizienten Stromerzeugung mit Öl/Dieselaggregaten. Die massive Automobilisierung verschärft diese Situation.
* weitgehend ausgereizte Förderkapazitäten in den arabischen Förderländern. Der Spielraum für zusätzliches Öl wir auf unter 1 Mio. bl/d geschätzt. Neue Förderkapazitäten kommen aufgrund der Investitionsvorläufe erst mit erheblichem zeitlichem Verzug auf den Markt.
* die unsichere politische und ökonomische Lage in wichtigen Förderländern sorgt zusätzlich für Preisaufschläge:

Der Irak ist entgegen den amerikanischen Erwartungen weit davon entfernt, ein sicheres Ölförderland zu sein. Er kann nur Teile seiner Kapazitäten ausschöpfen.

· Saudi-Arabien hat den Höhepunkt der Ölförderung überschritten und ist politisch nicht stabil.

· Venezuela wird aufgrund der politischen Konflikte von den USA nicht mehr als „sicheres“ Lieferland bewertet.

· Die politisch-militärische Krise um den Iran verstärkt den Risikoaufschlag für Mittelost-Öl.

· Die marktwirtschaftliche Grundausrichtung Russlands ist – zumindest aus angelsächsischer Sicht - durch den Yukos-Skandal in Frage gestellt.

· China tritt international zunehmend als Nachfrage-Konkurrent v.a. zu den USA auf und kann sich dabei auf historisch einmalige Devisenreserven und Bilanzüberschüsse stützen.

* der Handel mit Öl entwickelt sich weg vom physischen Handel (wet barrels) zum Handel mit „Papieröl“ (paper barrels). Dieser Papiermarkt ist seit dem Platzen der New Economy Blase sehr attraktiv geworden. Finanzstarke Fonds gehen in dieses spekulative Geschäft. Wie hoch dieser „Spekulationsaufschlag“ ist, kann nur geschätzt werden.

Für die Bildung des Benzin- und Dieselpreises kommt hinzu, dass in den USA seit mehr als 20 Jahren keine neuen Raffinerien gebaut wurden und dieser Markt regelmäßig in Europa große Mengen nachfragt, was zu Verknappungen führt. Unvorhergesehene Ausfälle großer Raffinerien durch Brände/Natureinflüsse schlagen ungebremst auf den Preis durch.

Die Handlungsreichweite und Durchschlagskraft der nationalen
Energiepolitik hat in den letzten Jahrzehnten rapide abgenommen. Viele Entscheidungsbefugnisse sind nach Brüssel delegiert worden oder werden von internationalen Abkommen (z.B. WTO) vorstrukturiert. Nationale Energiepolitik vollzieht oft das, was im Grundsatz bereits entschieden wurde. Dennoch verbleiben erhebliche Ausgestaltungsspielräume, die verantwortungsvoll genutzt werden müssen. Durch die von der EU in den 1990ern durchgesetzte Liberalisierung der europäischen Strom- und Gasmärkte (mit dem Ziel der Schaffung eines einheitlichen EU-Energiemarktes) wurde die Gestaltungsmöglichkeit von Politik zurück gedrängt. Dies ist von besonderer Bedeutung, da es sich um einen typischen Bereich der Daseinsvorsorge handelt, in dem der Staat eine besondere Verantwortung besitzt. Dies drückt sich u.a. durch unsere weltweit einmalig pluralistische kommunalwirtschaftliche Struktur aus. Die EU hat weitgehend das angelsächsisch geprägte Handelsmodell durchgesetzt. Profitiert hat sie dabei von der Globalisierung der internationalen Finanzmärkte, die dem Prozess der Liberalisierung des europäischen Energiesektors zusätzlichen Schub verliehen hat. Im Unterschied zu Strom und Gas ist der _*Ölmarkt *_dem Zugriff der deutschen und selbst der europäischen Politik weitestgehend entzogen. Eine Regulierung findet nur indirekt über Umweltstandards und Steuern statt. Die Preisbildung liegt in der Hand der Marktteilnehmer, eine Preisaufsicht existiert faktisch nicht.

Was wir aber tun können ist <>Energiepolitik als grundlegende und langfristige Strukturpolitik zu begreifen und zu betreiben. Wir haben mit dem *Erneuerbare Energien Gesetz (EEG)* das weltweit erfolgreichste Fördermodell für die Stromerzeugung aus regenerativen Energien geschaffen. EEG und weitere Fördergesetze haben große Erfolge, vor allem bei der Nutzung von Wind und Solarenergie, gebracht. Technologisch steht Deutschland bei den erneuerbaren Energien in der internationalen Spitzengruppe. Daraus erwachsen große Chancen für unsere Exportwirtschaft. Mit dem Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) wurde das deutsche Energierecht grundlegend modernisiert. Das neue Energiewirtschaftsgesetz sorgt für mehr Wettbewerb bei Strom und Gas. Wir stärken die Aufsicht über die Netze, schaffen mehr Transparenz über die Kosten und Renditen und setzen Anreize für Investitionen sowie für eine auch in Zukunft hohe Qualität der Energieversorgung. Wir haben den Atomausstieg mit einem gesellschaftlichen Konsens über ein geordnetes Auslaufen der Atomkraft im Atomgesetz ermöglicht und Planungs- und Rechtssicherheit geschaffen. Der Atomausstieg liefert gesicherte Rahmenbedingungen für die - mit Blick auf das Alter der deutschen Kraftwerke dringend erforderlichen - Ersatz- und Modernisierungsinvestitionen. Die Energiepolitik der Zukunft baut auf die drei Säulen Energiesparen, Effizienzsteigerung und Erneuerbare Energien. Angesichts der absehbaren globalen Verteilungskonflikte bei den Rohstoffen, der ökologischen Gefahren und der steigenden direkten wie indirekten Kosten ist die Fortsetzung unseres Weges in die Effizienzrevolution und Solarwirtschaft unverzichtbar. Wir sind in einer Vorreiterrolle, auf die wir stolz sein können. Die ökologische Modernisierung schafft die Märkte der Zukunft, denn mit den effizienten Technologien und erneuerbaren Energien wird eine neue "lange Welle" von Arbeit und Wertschöpfung ausgelöst.

Mit freundlichen Grüßen
gez. Ingrid Arndt-Brauer