Frage an Ingrid Nestle bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Ingrid Nestle
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Frage von Reinhard W. •

Frage an Ingrid Nestle von Reinhard W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Nestle,

nun sickern ja mehr und mehr Informationen über die Bilderberg-Treffen zu uns Bürgern durch. Ich muss zugeben, dass es mich erstmal geschockt hat, zu erfahren, wie lange man diese Veranstaltungen geheimhalten konnte und was für (nicht immer unplausible) Spekulationen darüber im Internet zu finden waren, nicht zuletzt wegen dieser Geheimniskrämerei.

Erst danach erfahre ich, dass doch Frau Merkel und Herr Westerwelle und andere MdBs an diesen Treffen beteiligt waren, face-to-face mit den Herren Ackermann, Rockefeller, Döpfner, mit dem Geldadel und mit Nato-Generalsekretären und mit noch etwa 100 anderen aus denselben „Branchen“. Was für ein Vertrauensbruch v. a. angesichts einer nun intensiv betriebenen Sparpolitik der Regierung, in der die Wohlhabensten bislang so glimpflich davonkommen.

Es mag ja mitunter nützlich sein, einen „privaten“ Gedankenaustausch mit einflussreichen Persönlichkeiten aus der Wirtschafts-, Finanz- und Medienwelt zu haben, aber wenn ich diese Meetings vor dem Hintergrund der Duckmäuserei der regierenden Politiker gegenüber der Finanzwelt betrachte, reduziert sich mein Verständnis dafür drastisch.

1) Welchen Eindruck haben Sie von diesen Treffen?
2) Wie bekannt sind diese Meetings unter den Bundestagsabgeordneten überhaupt?
3) Werden sie im Plenum namentlich zur Sprache gebracht?
4) Wenn sich bei den Bilderberg-Treffen MdBs mit und ohne Regierungsverantwortung freiwillig dem Einfluss äußerst reicher und mächtiger Personen aussetzen, für wie plausibel halten Sie dann
a) eine beabsichtigte (Weiter)Verschuldung der Staatshaushalte und damit Machtübertragung der Politik an die Finanzwelt, eine Konsolidierung des Niedriglohnsektors und Sozialabbau in Deutschland?
b) eine mittels Regierungen verdeckte Inszenierung von Finanz- und Wirtschaftskrisen?
5) Gab es schon parlamentarische Anfragen einer Fraktion zur Aufklärung der Inhalte der Treffen und der Legitimität des Schweigens darüber?

Schöne Grüße

Reinhard Weng

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Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Weng,

ich weiß über die Bilderbergtreffen nur das, was im Internet frei zugänglich ist. Dass diese Informationen großen Raum für Spekulationen bieten, kann ich verstehen. Ich war - ebenso wie meine Kollegin Lisa Paus, welche Sie auch angeschrieben haben - nie bei solch einem Treffen und wurde auch noch nie dorthin eingeladen.

Niemand wird verhindern können, dass sich Personen, die sich für besonders wichtig und einflussreich halten, treffen und austauschen. Ich könnte mir aber vorstellen, dass der Einfluss dieser Personen auf die Politik nicht größer ist als der, den die Lobbyisten haben, die tagtäglich an die Türen der Abgeordneten klopfen.

Interessenvertretung ist Teil der Demokratie. Wir sollten jedoch verhindern, dass sie ausufert und für Transparenz sorgen. Besonders gefährlich ist dabei Geheimniskrämerei. So konnten in der Vergangenheit zum Beispiel in Ministerien arbeitende Lobbyisten an Gesetzen und Verordnungen mitschreiben, die ihre Unternehmen direkt betrafen, ohne dass dies erkennbar war. Um u. a. das in Zukunft zu verhindern, haben wir den Antrag " Transparenz schaffen – Verbindliches Register für Lobbyistinnen und Lobbyisten einführen" in den Bundestag eingebracht:
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/024/1702486.pdf

Als Ergänzung zu der ausführlichen Antwort von Frau Paus (siehe http://www.abgeordnetenwatch.de/lisa_paus-575-37861--f262355.html#q262355) hier noch folgender Link, unter dem Parteispenden an alle Parteien grafisch sehr übersichtlich dargestellt werden: http://labs.vis4.net/parteispenden/

Als Abgeordnete versuche ich so weit wie möglich viele unterschiedliche Informationsquellen zu erschließen, keine Geschenke von Lobbyisten anzunehmen und auch die Interessen hinter den Informationen mit im Blick zu behalten. Ich hoffe, dass mir dies so gut wie möglich gelingt. Aber ich bin mir auch der enormen Lobbymaschinerien hier in Berlin bewusst.

Mit freundlichen Grüßen
Ingrid Nestle

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