Frage an Ingrid Nestle bezüglich Soziale Sicherung

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Ingrid Nestle
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Frage von Gerhard W. •

Frage an Ingrid Nestle von Gerhard W. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrte Frau Nestle,

als Vater einer erwachsenen schwerstbehinderten Tochter bitte ich Sie um eine Stellungnahme zu der aktuell geplanten Regelbedarfsstufe 3, welche laut Gesetzentwurf der Bundesregierung für Menschen mit Behinderung lediglich 80 % des Bedarfs von erwachsenen Leistungsberechtigten ohne Behinderung vorsieht. Eine 100%-Anhebung für den oben genannten Personenkreis soll in den nächsten Wochen entschieden werden.

Warum wurde dieser Teil abgekoppelt????

Das BSG hat in seinem Urteil B 8 SO 8/08 R vom 19.05.2009 bereits festgestellt: "Dies wäre jedoch mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs 1 GG nicht vereinbar, weil bezogen auf die Minderung des Regelsatzes bzw der Regelleistung wegen Annahme einer Haushaltsersparnis zwischen der Personengruppe der SGB-XII- und SGB-II-Leistungsempfänger keine sachlichen Gründe für eine unterschiedliche Behandlung erkennbar sind."
Diese geplante Kürzung des Regelsatzes ist also diskriminierend und somit verfassungswidrig.
Mit welchen Argumenten wollen Sie rechtfertigen, dass Eltern von erwachsenen Kindern mit Behinderung jetzt gezwungen werden sollen, die Sozialgerichte mit Massenklagen zu überschütten?

Mit freundlichen Grüßen

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Wahnfried,

vielen Dank für Ihre Anfrage.

Die Einführung der neuen Regelbedarfsstufe 3 betrifft tatsächlich fast ausschließlich Menschen mit Behinderung, die oftmals gerade wegen der Behinderung nicht in der Lage sind, selbst für ihren Lebensunterhalt zu sorgen, und deshalb noch bei ihren Eltern leben. Auch aus unserer Sicht stellt dies eine Diskriminierung behinderter Menschen dar und beeinträchtigt deren Teilhabechancen massiv.

Wir als Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen haben die von Ihnen kritisierte Änderung von Anfang an mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpft. Bereits kurz nach Bekanntwerden des Vorhabens fragte unser behindertenpolitischer Sprecher Markus Kurth die Bundesregierung nach der Rechtfertigung dieser Maßnahme. Die Antwort offenbarte aus unserer Sicht, dass die Kürzung ohne jeden sachlichen Grund und aufgrund einer Schätzung „ins Blaue hinein“ erfolgt. Wir teilen Ihre Kritik daher voll und ganz.

In der parlamentarischen Beratung versuchten wir bereits, sie mit einem Änderungsantrag zu verhindern. Ebenso wurde das Thema von uns in das Vermittlungsverfahren eingebracht. Die Ankündigung der Überprüfung der neuen Regelbedarfsstufe wurde nur auf Drängen der Vertreter von SPD und Bündnis 90 / Die Grünen Bestandteil des Vermittlungsergebnisses. Dennoch sind wir mit dem Vermittlungsergebnis auch in diesem Punkt unzufrieden, gerade weil die Angleichung nicht sofort erfolgt, sondern lediglich, ohne jede verbindliche zeitliche Vorgabe, geprüft werden soll.

Wir werden mit allen uns als Oppositionsfraktion zur Verfügung stehenden Mitteln für eine möglichst baldige Angleichung der Grundsicherungsleistungen für nicht erwerbsfähige Menschen ohne eigenen Haushalt an die für erwerbsfähige ALG-II-Beziehende kämpfen.

Mit freundlichen Grüßen

Ingrid Nestle

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