Frage an Jens Koeppen bezüglich Umwelt

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Jens Koeppen
CDU
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Frage von Andreas S. •

Frage an Jens Koeppen von Andreas S. bezüglich Umwelt

Sehr geehrter Herr Koeppen
Angesichts der neu aufgeflammten Diskussion über Atomkraft in Deutschland würde ich gerne ihre persönliche Einstellung dazu kennenlernen.
1. Was halten Sie vom Atomkonsens?
2. Im vergangenen Jahr standen zeitweilig 6 Atomkraftwerke gleichzeitig still (durch Revisionen, Brände, Kurzschlüsse und bauliche Mängel). Trotzdem hat Deutschland in diesem Jahr Strom in nicht unerheblichen Mengen exportiert! Wie erklären Sie sich vor diesem Hintergrund die Warnungen der großen Konzerne vor einer „Stromlücke“?
3. Alle Parteien wollen einen Ausbau der erneuerbaren Energien. Diese Anlagen müssen an das Stromnetz angeschlossen werden. Seit Jahren gibt es Klagen der Besitzer solcher Anlagen über die Netzbetreiber wegen Behinderungen und Verzögerungen beim Anschluss. Dies ist nicht nur ärgerlich sondern schreckt auch Investoren in diesem Bereich ab. Halten Sie es für sinnvoll wenn Konzerne direkten Einfluss darauf nehmen können ob und wann Konkurrenten am Markt teilnehmen dürfen?
4.Die deutschen AKWs sind die sichersten der Welt! Die Schweden haben ähnliches bis zum letzten Sommer von ihren Anlagen geglaubt und standen kurz vorm Super-GAU! Es beruhigt mich auch nicht gerade wenn in den „sichersten“ Anlagen es zu Bränden (Kontrollraum verqualmt, Krümmel 2007) und nicht zu erklärenden Wasserstoffexplosionen direkt am Reaktorbehälter (Brunsbüttel 2001) kommt. Bei dieser riskanten Technik darf das Prinzip des Einäugigen unter den Blinden nicht gelten! Meine Frage: Sind Sie dafür, dass Atomkraftwerke für den Fall eines Unfalls versichert werden müssen?
5.Das ehemalige Endlager der DDR in Morsleben ist vollgelaufen und z.T. bereits eingestürzt. Das „Forschungsbergwerk“ Asse II (Salz) bei Wolfenbüttel ist bereits radioaktiv verseucht, Grundwasser läuft in die Grube und laut Experten ist die Standsicherheit ab 2014 nicht mehr gewährleistet. Die Verhältnisse in Gorleben sind ähnlich. Darf es eine Geld- oder politische Frage sein wohin der Atommüll gebracht wird?

MfG

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CDU

Sehr geehrter Herr Strohmeyer,

die Debatte rund um die Kernenergie und damit verbunden der Ausstieg aus derselben, ist besonders vor dem Hintergrund weltweit steigender Energiepreise ein Thema, welches viele Menschen in diesen Tagen besonders bewegt. Gerne werde ich Ihnen die Sachlage aus meiner Sicht schildern.

Der sogenannte Atomkonsens suggeriert seit jeher, dass Deutschland aus der Nutzung der Kernenergie aussteigen wird. "Atomkraft - Nein, Danke" war und ist eine bewusste Irreführung der deutschen Bevölkerung, denn im Jahr 2020 sollen zwar nach jetzigem Konsens die deutschen Kernkraftwerke abgeschaltet werden, aber die Kernenergienutzung findet trotzdem weiterhin statt. Wir würden also lediglich aus der KernenergieERZEUGUNG aussteigen. Das ist ein großer Unterschied, der bedeutet, dass wir ab 2020 Strom aus z. B. tschechischen, französischen und eventuell bald aus polnischen Kernkraftwerken importieren müssten, da die Grundlasten aus alternativen Energien noch nicht in benötigten Umfang möglich sind. Damit würden die Abhängigkeit und der Preis für deutsche Verbraucher und die deutsche Wirtschaft steigen und wir würden die Risiken lediglich in Kraftwerke, die geringere Sicherheitsstandards aufweisen, verlagern. Wir nutzen dann Atomstrom, den wir nicht erzeugt haben. Ich halte von diesem Feigenblatt nach dem Motto: "Wir sind sauber, was interessieren uns die Probleme der anderen" überhaupt nichts. Ein Atomkonsens und ein geordneter Ausstieg mit echten und machbaren Alternativen können nur global erfolgen. Uns hilft da keine noch so gut aussehende "Käseglocke" über Deutschland.

Mit Atomstrom kann die weltweit steigende Nachfrage nach Energie sicherlich nicht allein gestillt werden. Fakt ist aber, dass in allen großen Ländern Kernenergie ein wichtiger Teil der Stromerzeugung bleibt. Die USA, China, Russland, Indien, Frankreich und viele andere Länder setzen voll auf diese Technologie. Weltweit erlebt die Atomkraft derzeit einen Aufschwung. 36 AKW sind im Bau, 81 in der Planung. Auch die Sicherheitstechnologie verbessert sich ständig.

Niemand darf und will die Augen vor den Risiken verschließen, aber trotz schlimmer Unfälle, wie z. B. in Sellafield oder in Tschernobyl mit rund 5000 Todesopfern, gilt die Kernkraft als vergleichsweise sichere Energieart. Weltweit werden mehr als 400 Atomkraftwerke seit Jahrzehnten sicher betrieben. Dagegen kommen allein im Bergbau weltweit jährlich mehrere Tausend Bergleute um.

Meiner Auffassung nach benötigen wir die Kernenergie weiterhin als Brückentechnologie, da wir derzeit noch nicht in der Lage sind ohne den Atomstrom auszukommen. So sehr ein genereller Ausstieg aus der Atomkraft aus vielen, sicherlich auch begründeten Argumenten, begrüßt werden kann, teile ich jedoch die Auffassung, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht auf Atomkraft verzichten können. Ohne Kernenergie können wir mittelfristig weder unsere wichtigen und ehrgeizigen Klimaschutzziele erreichen, noch unseren Energiebedarf sichern. Die Atomkraft ist ein Bestandteil im Energiemix, bis zu dem Zeitpunkt, da die Entwicklung der Erneuerbaren Energien so weit fortgeschritten ist, diesen Anteil zusätzlich zu übernehmen.

Nach einer Studie der Uni Köln würde eine Verlängerung der AKW-Laufzeiten um 20 Jahre den Kohlendioxid-Ausstoß noch stärker senken als von der Bundesregierung geplant. 60 Millionen Tonnen CO2 könnten eingespart werden - das entspricht dem Jahresausstoß von Dänemark.

Laut Institut RWI zählt Atomstrom zu den günstigsten Energiearten. Die Kilowattstunde kostet in der Herstellung rund 2 Cent. Zum Vergleich: Strom aus Braunkohle kostet im Schnitt 5 bis 6 Cent/kWh, Solarstrom rund 40 Cent/kWh. Experten rechnen bei längeren AKW-Laufzeiten mit einer Milliarden-Ersparnis für Wirtschaft und Verbraucher. Durch eine Verschiebung des Atomausstiegs um 20 Jahre könnten ihnen Kosten von 50 Milliarden Euro und mehr erspart bleiben.

Um Zeit für den Ausbau der erneuerbaren Energien zu gewinnen, spreche ich mich deshalb für eine Verlängerung der Laufzeiten von Kernkraftwerken aus. Wir können unter den gegebenen Bedingungen auf kein Kernkraftwerk verzichten, das sicher Strom produziert. Denn schon heute importiert Deutschland 80 % seines Energiebedarfs. Deshalb macht es auch keinen Sinn, unsere sicheren Kernkraftwerke vorzeitig vom Netz zu nehmen. Die im eigenen Land fehlende Energie müsste aus anderen Ländern eingekauft werden - gegebenenfalls wie bereits erwähnt Atomstrom aus weit weniger sichereren Kraftwerken als in Deutschland.

Über die Vorfälle im Kernkraftwerk Krümmel war ich genauso besorgt wie Sie. Was hier erschwerend hinzukam, war die mangelnde Informationspolitik des Betreibers. Nach den vorliegenden Informationen bestand aber glücklicherweise für die Bevölkerung zu keinem Zeitpunkt eine ernste Gefahr.

Trotz des Zwischenfalls ist es nicht richtig, ältere Kernkraftwerke automatisch unter eine Art Generalverdacht zu stellen, da das Alter eines Atomkraftwerkes noch nicht unbedingt etwas über dessen Sicherheit aussagt. Die deutschen Atomkraftwerke erfüllen weltweit die höchsten Sicherheitsstandards.

Die Bundesregierung hat immer wieder betont, dass es bis 2030 ein Endlager für hochradioaktive Abfälle geben werde. Der jetzige Koalitionsvertrag sieht außerdem vor, die Frage des Endlagers noch in dieser Legislaturperiode zu lösen. Der Salzstock Gorleben ist in den 70er Jahren aufgrund von u. a. geologischen, raumplanerischen und sozioökonomischen Kriterien, in einem anspruchsvollen Verfahren das international Maßstäbe gesetzt hat, für eine Erkundung ausgewählt worden. Dieser Kriterienkatalog hat selbstverständlich heute noch Gültigkeit.

ASSE II kann mit Gorleben nicht gleichgesetzt werden. In der Schachtanlage ASSE, einem ehemaligen Salzbergwerk, wurden von 1965 bis 1995 Forschungs- und Entwicklungsarbeiten für die Endlagerung radioaktiver Abfälle in Salzformationen durchgeführt. Eine Einlagerung von radioaktiven Abfällen findet seit 1979 nicht mehr statt. Als Dienstleistungseinrichtung des Helmholtz Zentrums München steht die Schachtanlage allen Interessenten zur Durchführung von Forschungs- und Entwicklungsarbeiten für die sichere Endlagerung radioaktiver und chemisch-toxischer Abfälle unter realistischen Bedingungen zur Verfügung. Bis 2017 soll die Schließung der Schachtanlage nach Bundesberggesetz vollzogen sein. Es stellt sich auch die Frage nach den eingelagerten Stoffen im Bergwerk ASSE II. Es handelt sich z. B. auch um Materialien aus der Medizintechnik. Die schwachradioaktiven Abfälle lassen sich grob unterteilen in Mischabfälle bestehend aus Papier, Folien, Overalls, Überschuhe, Putzlappen, Holz, Glas, usw., Filterabfälle, Schlämme, Verdampferkonzentrate, Harze, usw., Metallabfälle, wie Schrott, Eisen, Blech, Strukturteile, Rohre, u. ä., Bauschutt, also Kies, Bodenbelag, u. ä. Die mittelradioaktiven Abfälle untergliedern sich in Metallabfälle, d. h. die Metalle selbst, Schrott, Eisen, Blech, Strukturteile, Rohre, usw.

Der Salzstock Gorleben in Niedersachsen ist ein mögliches Endlager für hochradioaktive Abfälle. Ende 1973 begann die Suche nach einem geeigneten Endlagersalzstock. Geplant war und ist ein Endlager für alle Arten radioaktiver Abfälle in einem Salzstock. Es wurden 24 Salzstöcke betrachtet.

Das gleichfalls geplante Nukleare Entsorgungszentrum sollte ebenfalls am Standort des Endlagers gebaut werden. Die Bundesregierung beauftragte die Firma KEWA (Kernbrennstoff-Wiederaufarbeitungs-Gesellschaft) mit der Standortsuche. Im Unterschied zu ASSE ist der Salzstock Gorleben kein ehemaliges Bergwerk sondern ein unberührter Salzstock, der seit Millionen von Jahren seine Formation nicht verändert hat. Demzufolge gilt er nach heutigen Forschungserkenntnissen als geeignet. Eine Endlagerung sähe im Salzstock Gorleben ganz anders aus, als in ASSE in den 60iger und 70iger Jahren. Hier könnte Deutschland übrigens eine technologische Vorreiterrolle für die weltweit ungelöste Endlagerproblematik spielen. Tausende Arbeitsplätze in der Forschung, Entwicklung und Durchführung könnten entstehen. Eine sichere Endlagertechnologie könnte weltweit exportiert werden.

Die Frage, ob die Einlagerung radioaktiver Abfälle in Salz grundsätzlich eine sichere Lösung ist, wird aus Sicht der Forschung mit Ja beantwortet, denn Steinsalz weist als Wirtsgestein für radioaktive Abfälle eine Reihe von Vorteilen auf, wie z. B. gute Plastizität, hohe Wärmeleitfähigkeit und günstiges gebirgsmechanisches Verhalten. Natürlich müssen die Gegebenheiten des jeweiligen Salzstocks genauestens untersucht werden.

Eine sichere Endlagerung ist unbedingt geboten. Im Sinne der Generationengerechtigkeit dürfen wir die Beseitigung des atomaren Mülls nicht künftigen Generationen überlassen. Meine Fraktion schlägt deshalb die zügige Fortführung der Erkundung Gorlebens in Zusammenhang mit einer internationalen Überprüfung nach den Regularien der NEA/OECD vor. Ein derartig methodisch abgesicherter, international anerkannter und überprüfbarer Prozess würde gleichzeitig zur Versachlichung der politischen Debatte beitragen.

Mit freundlichen Grüßen
Jens Koeppen, MdB

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