Frage an Jo Leinen bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Jo Leinen
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Frage an Jo Leinen von Wolfgang B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Hallo

im Augenblick geht das ACTA Abkommen in eine heisse Phase auf EU und später wohl auch dann auf Bundesebene.

Dieses im Geheimen verhandelte Abkommen würde die Rechte des Bürgers in Bezug auf Informationsfreiheit weit übertrieben beschneiden. Ja es käme - nicht nur bei den Internetsperren an der Justiz vorbei - sogar zu Eingriffen in Grundrechte.

Was unternehmen Sie, daß hier ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Rechteinhabern und Nutzern zum Tragen kommt?

mfg wb

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SPD

Sehr geehrter Herr Barth,

vielen Dank für Ihre Anfrage zum ACTA-Abkommen.

Die Notwendigkeit, geistiges Eigentum und Innovationen international und gerade auch in der EU zu schützen und Produktpiraterie zu bekämpfen, ist unumstritten. Dazu sollte das ACTA-Handelsabkommen zur Bekämpfung von Produkt- und Markenpiraterie zwischen der EU und den USA, Australien, Kanada, Japan, Mexiko, Marokko, Neuseeland, Singapur, Südkorea sowie der Schweiz dienen. Der Kampf gegen Produktpiraterie ist im Interesse von Arbeitsplätzen in Europa sowie aus Sicherheitsgründen notwendig. Dennoch lässt der Text des ACTA-Abkommens auf der digitalen Seite viele Fragezeichen.

Bereits im Verlauf der Entstehung des Abkommens wurden durch den Druck des Europäischen Parlaments wichtige sozialdemokratische Forderungen im ACTA-Text aufgenommen. So wurde das Ansinnen der USA abgewehrt, Internetprovider durch ACTA routinemäßig dazu zu verpflichten, Internetangebote einzuschränken oder Internetnutzern den Netzzugang zu sperren. Außerdem wurden Patente vom Geltungsbereich der Grenzmaßnahmen des Abkommens ausgenommen. Es muss verhindert werden, dass Generika pauschal mit Fälschungen gleichgestellt werden, damit ein preiswerter und lebenswichtiger Zugang zu Medikamenten, vor allem in Entwicklungsländern, erhalten bleibt.

Zentral ist, dass das ACTA-Abkommen bestehendes EU-Recht nicht verletzt oder darüber hinausgeht. Zudem muss das Recht auf informationelle Selbstbestimmung garantiert werden.

Offenheit und Transparenz müssen auch in internationalen Verhandlungen gelten. Die Geheimhaltungsversuche zu Beginn der internationalen Verhandlungen des ACTA-Abkommens sind skandalös. Nur durch massiven Druck der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament sah sich die EU-Kommission zu mehr Offenheit genötigt.

Die Verhandlungen in den vergangenen Monaten im Europäischen Parlament sind absolut transparent abgelaufen, mit mehreren öffentlichen Anhörungen und Online-Diskussionen. Die Sozialdemokraten haben Mitte April einen Runden Tisch mit allen Interessensgruppen organisiert.

Wir Sozialdemokraten sehen einige Bestimmungen des Abkommens sehr kritisch und werden den Text des Abkommens sehr genau prüfen. Da das Abkommen rechtliche Fragen aufwirft, wird der Europäische Gerichtshof angerufen werden, damit dieser die Vereinbarkeit von ACTA mit EU-Recht prüft. Dies ist allerdings nur ein Schritt zur Entscheidungsfindung. Unsere Entscheidung wird auf unserem politischen Urteil fußen und sicherstellen, dass Grundrechte und europäische Standards der Freizügigkeit und des Datenschutzes auch in Zukunft unangetastet bleiben.

Wann ACTA im Plenum des Europäischen Parlaments zur Abstimmung steht, ist noch nicht abzusehen. Wenn das Europäische Parlament das Abkommen mehrheitlich ablehnt, ist der Prozess vorbei und dieses Abkommen ist gescheitert. Es könnten dann neue Verhandlungen beginnen. Sinnvoll wäre es, möglichst schnell Regelungen zur Bekämpfung der Produktfälschung zu entwickeln. Für den digitalen Bereich sollten jedoch zunächst innerhalb der EU die Urheberechtsfragen geklärt werden und neue Formen zum Schutz der Rechteinhaber wie Schriftsteller oder Komponisten geprüft werden, so wie es z.B. mit einer Abgabe für die Verwertungsgesellschaften Wort und Bild-Kunst bei den Kopier-Geräten in Deutschland gelungen ist.

Die aktuellen Ereignisse können Sie unter http://www.europarl.europa.eu/news/de/headlines/content/20120220FCS38611/html/ACTA-Dossier-Alle-Hintergr%C3%BCnde-und-Artikel-zu-den-Verhandlungen-im-EU-Parlament verfolgen.

Mit freundlichen Grüßen
Jo Leinen