Frage an Jo Leinen bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Jo Leinen
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Frage von Georg Z. •

Frage an Jo Leinen von Georg Z. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Leinen,

in der Stern-Ausgabe 12/08 ist ein Bericht, der bei mir einen Anfangsverdacht über z. B. mögliche Tatbestandsverwirklichung von Betrug und Untreue durch einzelne Abgeordnete im Europa-Parlament zu Lasten auch des deutschen Steuerzahlers begründet hat.

Z.B. zahlten sich einzelne Abgeordnete (üppige) Gelder für Mitarbeiter auf eigene Konten usw.

1.) Haben Sie Kenntnis von diesem neuen und bisher weitgehend geheimen Bericht?

2.) Haben Sie insoweit auch einen Anfangsverdacht auf strafbare Handlungen?

3.) Wie werden Sie auf diese Vorgänge in
a) politischer und
b) rechtlicher
Hinsicht reagieren?

4.) Haben Sie oder die Grünen-Fraktion des Europa-Parlamentes auf diesen Bericht schon mit Maßnahmen reagiert?

5.) Wenn ja, wie und mit welchen Maßnahmen? Wenn nein, warum nicht?

6.) Können Sie uns Bürgern Gründe mitteilen, warum dieser o. g. Bericht vom Parlament so geheim behandelt wird?

7.) Oder werden Sie wie alle anderen Europa-Abgeordneten und auch die Grünen mit "Wegsehen" reagieren?

Ich rege die Stellung eines Strafantrages und einer Strafanzeige bei den zuständigen Staatsanwaltschaften und Behörden an und fordere zu angemessenen Reaktionen auf.

Weitere Informationen zum im Betreff benannten Thema befinden sich bei den Recherchen und Reportagen (Blogs) des Stern-Journalisten Tillack auf der Homepage des Stern.

Mit freundlichen Grüßen

Georg Zenker

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1.) Haben Sie Kenntnis von diesem neuen und bisher weitgehend geheimen Bericht?

Nein. Zugang zu diesem Bericht hatten nur Mitglieder des Haushaltskontrollausschusses, dem ich nicht angehöre.

Sollte es zutreffen, dass Abgeordnete offiziell eigene Familienangehörige oder familieneigene Rechtanwaltskanzleien bezahlen, ohne dafür Leistungen zu erhalten, ist das nicht akzeptabel. Man muss aber darauf hinweisen, dass es sich dann offensichtlich um einige wenige schwarze Schafe im Europäischen Parlament handeln würde und man von ihnen nicht auf das gesamte Europaparlament schließen darf. Ironischerweise waren die meisten der Abgeordneten, die das System missbrauchten, Euroskeptiker, die privaten Gewinn auf Kosten der Europäischen Union machen, die sie eigentlich abschaffen möchten. Die deutschen Abgeordneten haben sich verpflichtet, keine Angehörigen zu beschäftigen.

2.) Haben Sie insoweit auch einen Anfangsverdacht auf strafbare Handlungen?
Da ich den Bericht nicht kenne, kann ich mir keine Meinung für strafbare Handlungen bilden. Die Fälle, in denen es begründete Veracht gab, wurden aber an das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) weitergeleitet. Sollten sich Betrugsverdachte bestätigen, leitet OLAF die entsprechenden Fälle an die zuständigen nationalen Gerichte weiter (da die Finanzierung der Europäischen Abgeordneten bisher leider auf nationaler Gesetzgebung basiert). Das Europäische Parlament kann dann Regressforderungen an die entsprechenden Abgeordneten stellen.

3.) Wie werden Sie auf diese Vorgänge in
a) politischer und
b) rechtlicher
Hinsicht reagieren?

Rechtlich kann das Europäische Parlament erstmal nicht darauf reagieren, sondern ist auf eine Stellungnahme von (OLAF) angewiesen. Politisch hat es aber bereits vor diesem Bericht auf die Situation reagiert. Der Bericht ist Teil des Arbeitsprozesses des EP um seine Regeln klarer, transparenter und betrugssicherer zu machen, der seit Anfang der Legislatur läuft. Kern des Problems ist, dass es bisher keine einheitlichen Regelungen für Bezahlung und Kostenerstattung der Europaabgeordneten gibt. Bisher gelten dafür nationale Regeln und in einigen wenigen Mitgliedstaaten ist die Beschäftigung von Familienangehörigen völlig legal und normal. Nach der Europawahl nächstes Jahr im Juni wird ein europäisches Abgeordnetenstatut mit gleichen Regeln für alle Abgeordneten in Kraft treten. Damit werden auch mögliche Betrugsfälle weitestgehend ausgeschlossen. Neben Regeln zur Bezahlung wird es dann auch neue Vorschriften zur Erstattung von Fahrtkosten geben. Es wird dann nicht mehr möglich sein, dass Abgeordnete mit Billigfliegern fliegen aber 1. Klasse Flüge abrechnen.

Darüber hinaus hat das Europäische Parlament bereits vor dieser internen Untersuchung einen Bericht des Abgeordneten José Javier Pomés Ruiz angenommen. Darin heißt es unter anderem:

"22. ist dennoch der Auffassung, dass jedes Organ berufsethische Regeln für seine Mitglieder beschließen sollte, die (abhängig von der spezifischen Natur jedes Organs) für folgende Bereiche gelten:
- finanzielle Interessen und Vermögen;
- Tätigkeit der Ehepartner;
- externe Aktivitäten (politische Tätigkeiten, ehrenamtliche Tätigkeiten, Konferenzen, Veröffentlichungen usw.);
- Dienst- und Geschäftsreisen;"

4.) Haben Sie oder die Grünen-Fraktion des Europa-Parlamentes auf diesen Bericht schon mit Maßnahmen reagiert?

Erstens bin ich Europaabgeordneter der Sozialdemokraten, nicht der Grünen. Dass ich Umweltminister war heißt nicht, dass man Mitglied der Grünen sein muss, sondern dass die Sozialdemokraten dieses Thema schon vor einigen Jahrzehnten sehr ernst genommen haben.

Zweitens arbeitet das Europäische Parlament schon seit lange vor dem Erscheinen des Berichts an entsprechenden Maßnahmen. Meine sozialdemokratische Fraktion war dabei eine treibende Kraft.

5.) Wenn ja, wie und mit welchen Maßnahmen? Wenn nein, warum nicht?

Siehe oben.

6.) Können Sie uns Bürgern Gründe mitteilen, warum dieser o. g. Bericht vom Parlament so geheim behandelt wird?

Dieser Bericht enthält Angaben über die Gehälter unserer Angestellten, die aus Datenschutzgründen nicht öffentlich gemacht werden dürfen. Die beschriebenen Zahlungen unterliegen aber regelmäßigen Prüfungen externer und interner Rechnungsprüfer.

7.) Oder werden Sie wie alle anderen Europa-Abgeordneten und auch die Grünen mit "Wegsehen" reagieren?

Wir werden nicht "wegsehen", sondern sicherstellen, dass die oben genannten Maßnahmen nächstes Jahr im Sommer in Kraft treten (dass dies nicht früher der Fall ist, liegt daran, dass einige Regierungen sich jahrelang gegen ein europäisches Abgeordnetenstatut gewehrt haben).