Frage an Joachim Pfeiffer bezüglich Soziale Sicherung

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Joachim Pfeiffer
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Frage an Joachim Pfeiffer von Frieder C. bezüglich Soziale Sicherung

Mit den aktuellen Plänen einer „Rechtsvereinfachung“ sollen die Hartz-IV-Leistungen zum 60. Mal verändert und verschärft werden. Die vom Verfassungsgericht angemahnten Nachbesserungen (Energiekosten, Elektrogeräte, Regelbedarfe, Brillen) blieben außen vor, auch die angekündigte Entschärfung der Sanktionen scheiterte. Stattdessen erfolgen richtungslose Schlechter- und Besserstellungen mit wenig durchdachten Änderungen wie z.B.
• Statt der Entschärfung bedrohender Sanktionen soll nun auch bestraft werden, wenn Hilfebedürftigkeit nicht verringert wird - eine weitere Sonderstrafe, die es in anderen Sozialleistungen nicht gibt. Fiktive „Was-wäre-wenn-Verläufe" führen in neue Rechtsunsicherheit.
• Wohnkosten sind schon jetzt der strittigste Bereich. Nun sind weitere Hürden mit einer tückischen Obergrenze für die Heizkosten vorgesehen, die zu einer „Rechtsverkomplizierung“ führen.
• Der Ausschluss von Azubis, Schülern und Studenten wurde großteils zurückgenommen - prima. Doch Studierende an Hochschulen in eigener Wohnung bleiben auf dem Weg „ganz nach oben“ ausgeschlossen. Zusätzlich wird für sie die Hilfe bei Mietschulden beseitigt.
• Hilfe in den vielen Notlagen wird für die Nothelfer unnötig erschwert. Überbrückungsdarlehen können nicht mehr abgetreten werden, weil mit der Pfändbarkeit auch die Abtretbarkeit von Alg-II-Leistungen beseitigt wurde.

Eine weitergehende Gesamtkommentierung gibt es in der Bundestagsausschussdruck- sache 18(11)484.
Die Leistungsberechtigten von Hartz-IV-Leistungen wurden in der Vergangenheit bereits stark abgestraft. Dieses Vorhaben verschärft den Rechtsruck von Menschen, die befürchten, mit der Flüchtlingswelle weiter an den Rand gedrückt zu werden. Gefragt ist eine hohe soziale Sensibilität der Politik.
In wie weit teilen Sie diese Bedenken? Was können Sie ggf. tun, um neue Schlechterstellungen oder Verschärfungen für die Betroffenen zu verhindern?

Freundliche Grüße
F. Claus

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CDU

Sehr geehrter Herr Claus,

in der Vergangenheit haben wir in mehreren Reformvorhaben die Qualifizierung und die Integration von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen im SGB II verbessert. In der Zwischenzeit führten allerdings die für die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im SGB II anzuwendenden Vorschriften teilweise zu komplexen Verwaltungsabläufen. Ziel des 9. SGB II-Änderungsgesetzes ist es daher, dass leistungsberechtigte Personen künftig schneller und einfacher Klarheit über das Bestehen und den Umfang von Rechtsansprüchen erhalten. Dies soll durch eine Vereinfachung der von den Job-Centern anzuwendenden Vorschriften erreicht werden.

Von Praktikern wurden in einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Vereinfachung des Leistungsrechts (AG Rechtsvereinfachung) Vorschläge entwickelt, die in den Referentenentwurf des 9. Änderungsgesetzes zum SGB II eingeflossen sind. Mitglieder dieser Arbeitsgruppe waren neben den Vertretern von Bund und Ländern die Bundesagentur für Arbeit, die kommunalen Spitzenverbände, Vertreter des Bundessozialgerichts sowie der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge.

Ich unterstütze die Vorschläge aus der Praxis, denn sie tragen zu einer Entbürokratisierung der Arbeit der Jobcenter bei. Dies beschleunigt die Verwaltungs- und Entscheidungsabläufe. Jobcenter haben mehr Zeit für die Beratung und können sich intensiver um die Betreuung der arbeitslosen Grundsicherungsempfänger bemühen.

Darüber hinaus enthält der Gesetzentwurf auf Initiative der Union hin ein neues Instrument: Schwer erreichbare junge Menschen, die in einem Umfeld von Arbeitslosigkeit aufgewachsen sind und keine Perspektive für sich sehen, wollen wir langfristig fördern. Ziel ist es, sie Schritt für Schritt wieder in Bildungsprozesse, Ausbildung und letztlich Arbeit zu holen. Außerdem wollen wir mit einer Änderung im 9. Sozialgesetzbuch Integrationsbetriebe für weitere Gruppen behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen öffnen. Parallel dazu haben wir uns für eine Erhöhung der Zahl dieser Betriebe eingesetzt, die derzeit anläuft. Und schließlich wollen wir durch eine weitere Änderung im SGB II die Sozialpartner in den Beiräten der Jobcenter stärken.

Der Entwurf des Gesetzes wurde am 3. Februar 2016 von der Bundesregierung beschlossen. Das Gesetzgebungsverfahren im Deutschen Bundestag wird aller Voraussicht nach im April 2016 beginnen.

Zum kritisierten Sanktionenrecht ist anzumerken, dass die Unterstützungsmöglichkeiten der Grundsicherung an Forderungen geknüpft sind: Das sogenannte „Prinzip des Förderns und Forderns“ drückt aus, dass eine leistungsberechtigte Person, die mit dem Geld der Gemeinschaft in einer Notsituation unterstützt wird, mithelfen muss, ihre Situation zu verbessern. Das Sanktionenrecht setzt an der Verletzung von Pflichten an, die im Eingliederungsprozess bestehen und zwischen dem Leistungsberechtigten und dem Ansprechpartner im Jobcenter festgelegt worden sind.

Auf die Abschaffung der Sanktionsregelungen konnte sich die Bund-Länder-Arbeitsgruppe nicht verständigen. Meine Fraktion hält daher an den bestehenden Regelungen fest. Ich persönlich bin kategorisch gegen die Abschaffung von Sanktionen, denn das Einfordern von eigenen Anstrengungen zählt zu den Grundprinzipien bedarfsabhängiger und am Fürsorgeprinzip orientierter Sozialleistungen. Dieser Selbsthilfegrundsatz ist gesellschaftlich anerkannt und auch verfassungsrechtlich begründbar. Die Mitwirkung von Leistungsberechtigten ist ein allgemeines Prinzip im Sozialleistungsrecht. Wiederholte Verstöße gegen die Selbsthilfe müssen daher zu Sanktionen führen. Solidarität versteht sich als Einstehen für andere in unverschuldeten Notlagen, aber nicht als eine dauerhafte Subventionierung. Wir wollen die Spirale vermeiden, die durch eine bedingungslose Sozialleistung zwangsläufig in die Abhängigkeit vom sozialen Transfersystem führt. Vielmehr besteht unser Ziel darin, Menschen durch ihr eigenes Tun eine Perspektive zu geben.

Gerne auch eine Anmerkung zu den Änderungen bei den Kosten der Unterkunft und Heizung: Nach bisheriger Rechtsauslegung ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze (Bruttowarmmiete) unter Berücksichtigung sowohl des Unterkunfts- als auch des Heizungsbedarfs bei der Prüfung der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung auf ihre Angemessenheit nicht zulässig (siehe BSG, Urteil vom 2. Juli 2009, B 14 AS 36/08 R). Bislang war dies nur im Rahmen der Bestimmung der Angemessenheit durch eine kommunale Satzung nach § 22b Absatz 1 Satz 3 SGB II möglich. Die Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung im Rahmen einer Gesamtangemessenheitsgrenze bedeutet eine deutliche Vereinfachung für die kommunalen Jobcenter. Insbesondere stehen dadurch insgesamt mehr angemessene Wohnungen zur Verfügung, weil höhere Aufwendungen für die Unterkunft durch geringere Aufwendungen für die Heizung ausgeglichen werden können und umgekehrt. Damit entfallen für die Leistungsberechtigten belastende und für die Verwaltung aufwändige Kostensenkungsaufforderungen. Deshalb sollen die Jobcenter künftig eine Gesamtangemessenheitsgrenze festlegen können.

Der Deutsche Bundestag wird sich im zweiten Quartal 2016 aufgrund der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2013 mit einem weiteren Gesetzgebungsvorhaben beschäftigen, in dem die Regelbedarfe neu festgesetzt werden. Die Regelbedarfe sind die Grundlage für die Festsetzung der Leistungen nach dem SGB II.

Insgesamt sieht der Gesetzentwurf aus meiner Sicht zahlreiche Verbesserungen für Leistungsempfänger vor. Wir in der Unionsfraktion werden uns im parlamentarischen Verfahren dafür einsetzen, dass neben den Rechts- und Verfahrensvereinfachungen auch Erleichterungen bei den Maßnahmen und Instrumenten zur Integration von Langzeitarbeitslosen in das Gesetz auf-genommen werden.

Ich darf darauf hinweisen, dass es keine Kürzungen in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik gibt. Wir haben im laufenden Haushalt 2016 über 500 Millionen Euro mehr zur Integration von Langzeitarbeitslosen zur Verfügung gestellt. Damit stehen fast 9 Milliarden Euro hierfür zur Verfügung. Für uns ist wichtig, dass wir weiterhin allen hier lebenden Arbeitslosen Chancen zur Qualifizierung und Integration in den Arbeitsmarkt bieten. Gleiches gilt auch für die Integration der zu uns kommenden Flüchtlinge.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Joachim Pfeiffer