Frage an Joachim Pfeiffer

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Joachim Pfeiffer
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Frage von Claudia E. •

Frage an Joachim Pfeiffer von Claudia E.

Sehr geehrter Herr Dr. Pfeiffer,

welche Beweggründe treiben Sie an, gegen ein Frackingverbot zu stimmen, wo doch die Mehrheit der Bevölkerung für ein Frackingverbot ist?

Mit freundlichen Grüßen
C. Engelmann

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CDU

Sehr geehrte Frau Engelmann,

vielen Dank für Ihr Schreiben zur Erdgasförderung unter Anwendung des Verfahrens der hydraulischen Frakturierung. Gerne nutze ich die Gelegenheit und lege Ihnen meine Beweggründe zu diesem Thema dar.
Die Erdgasgewinnung unter Anwendung der Hydraulischen Frakturierung kann einen erheblichen Beitrag auf dem Weg zu regenerativen Energien und zur Reduktion von Treibhausgasemissionen leisten. So hat sich der CO2-Ausstoß in der US-amerikanischen Energiewirtschaft aufgrund des verstärkten Einsatzes von Gaskraftwerken allein in 2012 um 200 Mio. t CO2 reduziert. Mit einem geschätzten Vorkommen von bis zu 2.300 Milliarden Kubikmetern, liegen die Schiefergasreserven in Deutschland deutlich über den konventionellen Reserven (ca. 150 Milliarden Kubikmeter). Laut der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) könnte Schiefergas den derzeitigen jährlichen Gasverbrauch Deutschlands für 13 Jahre decken. Dies ist deswegen von besonderer energiepolitischer Relevanz, weil Deutschland noch Jahrzehnte lang auf fossile Energieträger angewiesen sein wird - trotz des mengenmäßig erfolgreichen Ausbaus der erneuerbaren Energien. Regenerative und konventionelle Energieträger sind dabei keine Gegenspieler, sondern Partner. Wenn die Sonne nicht scheint und kein Wind weht, müssen konventionelle Kraftwerke die Stromversorgung sicherstellen. Aufgrund seiner guten Klimabilanz und der Flexibilität von Gaskraftwerken spielt Erdgas dabei eine entscheidende Rolle. Selbstverständlich kommt aufgrund dieser Faktenlage auch der heimischen Förderung von Erdgas - und damit der hydraulischen Frakturierung - eine entscheidende Rolle für die Sicherung der Energieversorgung zu. Ohne heimische Gasförderung wäre die Bundesrepublik zu einhundert Prozent abhängig von Importen. Und ohne die Anwendung der hydraulischen Frakturierung kommt es bereits in naher Zukunft dazu, dass die Erdgasförderung in Deutschland unwirtschaftlich wird - dies gilt insbesondere für die Gasförderung im konventionellen Bereich. Der moderate Einsatz der Fracking-Technologie kann zumindest den Rückgang an konventionellen Reserven kompensieren und damit einen wichtigen Beitrag zur Energieversorgungssicherheit und zum Klimaschutz in Deutschland leisten. Der moderate Einsatz der Fracking-Technologie kann zumindest den Rückgang an konventionellen Reserven kompensieren und damit einen wichtigen Beitrag zur Energieversorgungssicherheit und zum Klimaschutz in Deutschland leisten.
Für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion gilt, dass es beim Schutz der Gesundheit der Menschen, der Umwelt und des Trinkwassers keine Kompromisse geben darf. Der Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD stellt daher zum Einsatz der Fracking-Technologie klar, dass der Schutz von Trinkwasser und Gesundheit absoluten Vorrang hat. Zudem haben wir dort vereinbart, dass umwelttoxische Substanzen bei der Anwendung der Fracking-Technologie zur Aufsuchung und Gewinnung unkonventioneller Erdgaslagerstätten nicht zum Einsatz kommen dürfen.
Zur Umsetzung dieser Vorgaben hat die Bundesregierung im April 2015 ein Paket von Gesetz- und Verordnungsentwürfen vorgelegt. Bereits das Regelungspaket der Bundesregierung sah umfassende Änderungen unter anderem am Wasserhaushaltsgesetz, dem Bundesnaturschutzgesetz und dem Bundesberggesetz vor. Diese führen bereits zu einer massiven Verschärfung der Anforderungen an den Einsatz der Fracking-Technologie. Lassen Sie mich wichtige konkrete Neuregelungen aus den Entwürfen der Bundesregierung (Kabinettbeschluss: 1. April 2015) nennen, die uns zur parlamentarischen Befassung übermittelt wurden:
- Fracking jeglicher Art soll in sensiblen Gebieten wie Wasserschutz- und Heilquellenschutzgebieten sowie an Seen und Talsperren zur Trinkwassergewinnung vollständig verboten werden.
- Die Länder sollen darüber hinaus an weiteren sensiblen Trinkwasserentnahmestellen Verbote erlassen können, zum Beispiel zum Schutz von privaten Mineral- und Brauereibrunnen.
- In Nationalparks und Naturschutzgebieten soll die Errichtung von Anlagen zum Einsatz der Fracking-Technologie untersagt werden.
- Für jede Form von Fracking soll künftig eine umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung mit umfassender Bürgerbeteiligung verpflichtend eingeführt werden.
- Die Wasserbehörden sollen künftig ein Vetorecht bei den Genehmigungen haben.
- Fracking-Gemische müssen künftig beim konventionellen Fracking "nicht wassergefährdend" oder allenfalls "schwach wassergefährdend" sein. Die eingesetzten Stoffe sollen zudem umfassend offengelegt werden.
- Beim Umgang mit Rückfluss und Lagerstättenwasser sollen strenge Vorgaben gelten. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung soll auch hier Pflicht sein.
- Das Verpressen von Lagerstättenwasser soll künftig grundsätzlich verboten sein. Ausnahmen sollen nur in den Fällen möglich sein, bei denen der sichere Einschluss in druckabgesenkte kohlenwasserstoffhaltige Gesteinsformationen gewährleistet ist.
- Verschärft werden soll auch das Bergschadensrecht. So soll die Beweislast für mögliche Bergschäden auch bei der Erdgas- und Erdölförderung sowie bei Kavernenspeichern den Unternehmen auferlegt werden.

Anders als bei der o.g. konventionellen Gasförderung gibt es in Deutschland noch keine Erfahrungen mit der Gasförderung in so genannten unkonventionellen Lagerstätten, also in Schiefer- und Kohleflözgestein. Klar ist: Zum jetzigen Zeitpunkt und mit dem derzeitigen Wissensstand wird es kein kommerzielles unkonventionelles Fracking in Deutschland geben. Die Gesetzentwürfe der Bundesregierung sahen daher für Schiefer- und Kohleflözgestein oberhalb 3.000 Metern Tiefe ein generelles Frackingverbot vor. Im parlamentarischen Verfahren kam es durch die Streichung der 3000-Meter-Grenze sogar noch zu einer weiteren Verschärfung in diesem Bereich.

Ausgehend vom Gesetzentwurf der Bundesregierung sollen im unkonventionellen Bereich lediglich wissenschaftlich begleitete und überwachte Probebohrungen in begrenzter Zahl unter strengsten Umweltanforderungen möglich sein, um die Auswirkungen von Maßnahmen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich erforschen zu können. Nach 2018 können in Ausnahmefällen Fördergenehmigungen erteilt werden. Die Voraussetzungen hierfür sind jedoch äußerst streng gefasst:
- eine unabhängige Expertenkommission aus sechs Mitgliedern (davon drei Umweltinstitute) muss den beantragten Einsatz der Fracking-Technologie in der jeweiligen geologischen Formation mehrheitlich als grundsätzlich unbedenklich einstufen,
- die Kommission zur Bewertung wassergefährdender Stoffe beim Umweltbundesamt muss die verwendeten Fracking-Gemische als nicht wassergefährdend einstufen und
- alle sonstigen umfassenden öffentlich-rechtlichen Zulassungsvoraussetzungen (d.h. insbesondere zum Wasser-, Boden- und Umweltschutz) müssen vorliegen.

Mit der Einsetzung einer unabhängigen Expertenkommission zur wissenschaftlichen Begleitung von Probebohrungen wird zum Zwecke der Forschung - zusätzlich zu den strengen bergrechtlichen Vorgaben und im Vorfeld der eigentlichen Genehmigungsverfahren - noch eine wissenschaftliche Instanz zu Rate gezogen. Die endgültige Entscheidung über die Genehmigung liegt ausschließlich bei den zuständigen Bergbau- und Wasserbehörden der Länder. Diese sind also an das Votum der o.g. unabhängigen Expertenkommission nicht gebunden. Dies hat auch der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages in einem Gutachten bestätigt. Die Expertenkommission kann also höchstens den Weg für ein sorgfältiges und konkretes Genehmigungsverfahren öffnen - aber ohne die Genehmigung der zuständigen Berg- und Wasserbehörden der Länder geht nichts!
Sollte eine Fracking-Maßnahme unter all diesen Voraussetzungen genehmigt werden, so gelten die oben im Bereich der konventionellen Erdgasförderung genannten Auflagen ebenfalls vollumfänglich. Insgesamt sind die vorgesehenen Umwelt- und Trinkwasserschutzmaßnahmen also sehr weitreichend.
Die Koalitionspartner haben diese Vorschläge der Bundesregierung ausführlich im Parlament beraten. Die CDU/CSU-Fraktion konnte in diesen Gesprächen ihre Forderungen nach weiteren Schutzvorkehrungen für Umwelt und Wasser fast vollständig durchsetzen. So wurden folgende weitere Verschärfungen der Anforderungen an den Einsatz der Fracking-Technologie gegenüber den Regierungsentwürfen vereinbart:
- Klarstellung, dass auch Brunnen, aus denen Wasser zur Verwendung in Lebensmitteln gewonnen wird, ebenfalls in die Ausschlussgebiete für Fracking einbezogen werden sollen.
- Einschränkung des Bestandsschutzes für die bestehenden Genehmigungen zur Verpressung von Lagerstättenwasser, um zu erreichen, dass die Verpressung aufgrund bestehender Genehmigungen schneller beendet wird.
- Konkretisierung des Standes der Technik (also die beste zum Zeitpunkt verfügbare Technik) bei der Verpressung von Lagerstättenwasser.
- Aufhebung der bisherigen Unterscheidung zwischen Fracking zur Erdgas- oder Erdölförderung. Es sollen jeweils die gleichen strengen Anforderungen gelten.
- Die bereits oben genannte Streichung der aus unserer Sicht willkürlichen 3000-Meter-Grenze, unter der Fracking unter strengen Auflagen möglich wäre. Damit wird Fracking in unkonventionellen Lagerstätten auch unterhalb von 3000 Metern verboten.
- Einführung einer zusätzlichen Regelung, nach der Vorranggebiete für die künftige Gewinnung von Trinkwasser über die Raumordnung durch die Länder als Ausschlussgebiete gesichert werden können.
- Begrenzung der wissenschaftlichen Erprobungsmaßnahmen auf die für den Erkenntniszuwachs unbedingt notwendige Anzahl.
- Nochmalige Ausweitung der Bergschadenshaftung nun auch auf Schäden durch Erderschütterungen.
Der Schutz von Gesundheit, Umwelt und Trinkwasser bleibt oberstes Gebot. Gleichzeitig muss der gesetzliche Rahmen schon aus verfassungsrechtlichen Gründen einen wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn offen halten sowie die seit Jahrzehnten praktizierte konventionelle Erdgasförderung in Deutschland auch weiterhin ermöglichen.
Tatsache ist: Die Fracking-Technologie ist ein in der konventionellen Gasförderung in Deutschland seit Anfang der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts bewährtes Verfahren und steht derzeit für rund ein Drittel der heimischen Erdgasförderung. Auch die unkonventionelle Erdgasgewinnung kann einen erheblichen Beitrag für den Umbau der Energieversorgung leisten, denn wir brauchen Gaskraftwerke als Sicherheitsreserve für die schwankende Stromerzeugung aus Wind und Sonne. Mit einem geschätzten Vorkommen von bis zu 2.300 Milliarden Kubikmetern, liegen die Schiefergasreserven in Deutschland deutlich über den konventionellen Reserven (ca. 150 Milliarden Kubikmeter). Laut der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe könnte Schiefergas den derzeitigen jährlichen Gasverbrauch Deutschlands für 13 Jahre decken.

Sehr geehrte Frau Engelmann, eine kategorische Blockadehaltung gegenüber zukunftsweisenden Technologien bringt den Umbau der Energieversorgung keinen Schritt weiter. Deutschland als energierohstoffarmes Industrieland ist auf Innovationen angewiesen. Technologiefeindlichkeit kann sich Deutschland unter keinen Umständen leisten.

Es ist bedauerlich, dass in der SPD-Fraktion derzeit noch Vorbehalte gegenüber den Gesetzentwürfen der eigenen Minister bestehen. Damit wurde bislang die Chance vertan, die für den Umweltschutz unbefriedigende bestehende Rechtslage durch anspruchsvolle Vorgaben zum Schutz von Menschen und Umwelt zu verbessern. Die CDU/CSU-Fraktion wird sich dafür einsetzen, dass das Gesetzgebungsverfahren zügig abgeschlossen wird und damit die Ängste und Befürchtungen der Bürgerinnen und Bürger adressiert werden. So haben wir es im Koalitionsvertrag vereinbart.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Joachim Pfeiffer