Frage an Johannes Lichdi bezüglich Verbraucherschutz

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Johannes Lichdi
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Frage an Johannes Lichdi von Johannes L. bezüglich Verbraucherschutz

Sehr geehrter Herr Lichdi,

vielen Dank für Ihre sehr ausführliche Antwort auf meine Fragen bezüglich des Zugangserschwerungsgesetzes!
Da Sie bei diesem Gesetz ebenfalls Verfassungsbedenken haben, möchte ich Ihnen weitere Fragen zu den Möglichkeiten einer Verfassungsbeschwerde stellen.

Nach meinem Kenntnisstand muss der Beschwerdeführer ein Grundrechtsträger sein, der selber unmittelbar und gegenwärtig vom Grundrechtseingriff betroffen ist.
Wenn ich es richtig verstehe, können Bürger also erst klagen, sobald sie beispielsweise eine Seite abrufen möchten die Aufgrund des Gesetzes gesperrt wurde oder selber im Besitz einer gesperrten Website sind.

Wenn man das Internet nutzt, befürchtet dass die für die Zensur nötige Hardware (die man indirekt bezahlen muss) missbraucht werden könnte, wenn man befürchtet dass die Filterlisten Pädophilen in die Hände fallen könnten, wenn einem die rechtsstaatliche Kontrolle der Filterlisten fehlt und wenn Diktaturen die Zensur in Deutschland als gutes Beispiel nennen ist das alles noch kein ausreichender Grund vor das Verfassungsgericht zu ziehen?

Wie ist das eigentlich mit der Frist zum einreichen der Beschwerde? Muss sie tatsächlich innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten des Gesetzes erhoben werden oder verlängert sich die Frist, wenn die Provider die Sperren erst später umsetzen?

Welche Chancen geben Sie der von Jörg Tauss aus formalen Gründen eingelegten Verfassungsbeschwerte?

Wie funktioniert eigentlich eine Organklage? Hätten Sie (die Opposition im sächsischen Landtag, z.B. Grüne+Linke) nicht die Möglichkeit gegen das Gesetz zu klagen, da dieses in einen Bereich fällt für den eigentlich das Land die Gesetzgebungskompetenz besitzt?

Welche anderen Möglichkeiten sehen Sie, um das (aus meiner Sicht zu Unrecht zustande gekommene) Gesetz zu stoppen?

Viele Grüße,
Johannes Lötzsch

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Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Lötzsch,

Sie stellen jetzt richtig schwierige Rechtsfragen, die man gutachtlich sorgfältig prüfen müsste. Ich entschuldige mich, dass ich das jetzt nicht tun kann. Daher kann ich Ihnen nur eine Einschätzung geben.

1. Eine Verfassungsbeschwerde eines Bürgers gegen das Zensurgesetz dürfte zulässig sein mit dem Vortrag, dass er unabsichtlich beim Surfen vom BKA erfasst würde und so unberechtigt in den Verdacht geräte, strafbare Kinderpornographie zu konsumieren. Ich erinnere mich an den Fall des Bundesverfassungsgerichts, wo ein Juraprofessor mit Spezialgebiet Betäubungsmittelstrafrecht gegen die Telefonüberwachung des BND geklagt hat mit dem Vortrag, er würde oft mit Kollegen in Holland telefonieren und dabei über "Schnee" oder "Gras" sprechen.

2. Tatsächlich ist eine der grössten Kritikpunkte gegen das Zensurgesetz, dass die Kriterien der Liste des BKA nicht nachprüfbar und transparent sind und eine technische Überwachungsstruktur bei einer Polizeibehörde aufgebaut wird, die zunehmend mit den Geheimdiensten vernetzt wird. Diese Struktur kann mit einer von der Öffentlichkeit unbemerkten Änderung der Kriterien sofort auf politische Sachverhalte erstreckt werden. Natürlich wird schon heute das Internet als allgemein zugängliche Quelle ausgewertet. Das Zensurgesetz wg Kinderpornographie soll die Türöffnerfunktion übernehmen.

3. Die Frist für eine Verfassungsbeschwerde ist einen Monat, für eine Organklage sechs Monate nach Verkündung des Gesetzes. Eine Verfassungsbeschwerde von Tauss wegen mangelnder Gesetzgebungskompetenz könnte Erfolg haben, näheres müsste man prüfen.

4. Eine Organklage von Mitgliedern des Sächsischen Landtags mit dem Vortrag, das Gesetz greife in Landeskompetenz ein, ist ein interessanter Gedanke, aber bitte: hier müsste wirklich eine sorgfältigere Prüfung her!

5. Gerichtsverfahren sind Mittel zum Zweck, zentraler ist es die politische Debatte zu führen, wie es derzeit ja geschieht.

PS: Schon Antwort von Jurk im Freie-Presse-Chat zur Landtagswahl gelesen?!

Mit freundlichen Grüssen

Johannes Lichdi