Frage an Johannes Lichdi bezüglich Familie

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Johannes Lichdi
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage an Johannes Lichdi von Rainer L. bezüglich Familie

Sehr geehrter Herr Lichdi,

wie ist Ihre Meinung zum bedingungslosen Grundeinkommen?

Vielen Dank für Ihre Antwort.

Mit freundlichen Grüßen

Rainer Locke

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Locke,

bitte entschuldigen Sie, dass ich erst so spät antworte. Der Wahlkampf frist einen auf.

Wie sie vielleicht wissen, haben BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN lang und ausgiebig auf allen Ebenen der Partei über das Grundeinkommen debattiert. Das Ergebnis ist eine bedarfsorientierte Grüne Grundsicherung, die auch ich unterstütze. Auf dem Nürnbberger Parteitag im Herbst 2007 haben wir ein Konzept beschlossen, das weder als "Grundeinkommen" noch als reine "Grundsicherung" bezeichnet werden kann. Wir haben uns vielmehr bemüht, Lösungen für konkrete Lebenslagen zu finden.

Die Gründe für eine Grundsicherung statt eines bedingungslosen Grundeinkommens waren vielfältig: wir wollen nicht, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen den Staat davon freikauft, gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Teilhabemöglichkeiten für die Bürgerinnen und Bürger zu schaffen. Geld allein schafft keine Teilhabe, es braucht auch Infrastruktur: von Kitas, Schulen, Bibliotheken und Theatern zu Jugendeinrichtungen, Elternangeboten, Seniorentreffs und Pflegeangebote. Auch das muss finanziert werden. Ein Grundeinkommen, dass so hoch ist, dass man davon leben kann, muss über Abgaben und Steuern finanziert werden und führt entweder zu horrenden Abgaben oder geht mit dem Eindampfen der öffentlichen Infrastruktur einher. Wir wollen den Zugang zu gesellschaftlicher Teilhabe offen halten und Angebote schaffen. Wir wollen die Verantwortung dafür nicht über Geld auf den oder die einzelne abwälzen. Um Armut künftig besser zu verhindern, brauchen wir gute Bildungsangebote, Unterstützung für Eltern und Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten. All das muss staatlich finanziert werden, denn Armut ist nicht nur der Mangel an Geld, sondern der fehlende Zugang zu Bildungsangeboten genauso wie kulturellen Aktivitäten und Freizeitangeboten. Ein bedingungsloses Grundeinkommen könnte es unmöglich machen, diese wichtigen Angebote zu finanzieren.

Wir wollen auch nicht, dass das Grundeinkommen dazu dient, Leute dafür zu ‚entschädigen’ dass sie u.U. jahrelang ohne Arbeit leben. In unserer Gesellschaft stiftet Arbeit Sinn für einen großen Teil der Bevölkerung. Ein Grundeinkommen, dass sich als ‚Ablasszahlung’ für angeblich nicht vorhandene Arbeit versteht, lehnen wir daher ab. Es ist Aufgabe des Staates, Menschen bei der Suche nach Arbeit zu fördern, Weiterbildungen zu ermöglichen und neue Modelle von Arbeit zu entwerfen.
Wir wollen auch kein Grundeinkommen, dass als eine Art Kombi-Lohnmodell funktioniert, das es den Unternehmen ermöglicht, Löhne zu senken.

Aber die Debatte um die Grundsicherung zeigt viele Fehler im jetzigen System: es herrscht zu viel Misstrauen, zu wenig Vertrauen in die Fähigkeiten des einzelnen, sich selbst sinnvolle Aufgaben zu suchen. Es gibt zu viele Kontrolle und schnelle Sanktionen, aber zu wenig Unterstützung beim Weg zurück in den Arbeitsmarkt.

Auf diese Kritikpunkte geht die bedarfsorientierte Grüne Grundsicherung ein. Jeder und jede muss sich darauf verlassen können, dass ihr oder ihm im Bedarfsfall uneingeschränkt geholfen wird. Wir wollen, dass Menschen für die erhaltenen Leistungen eine Form von ‚Gegenleistungen’ der Gesellschaft zurückgeben, sie aber selbst mitbestimmen können, wie dies aussehen kann. Familienarbeit, Weiterbildungen und Ehrenamt sollen dabei berücksichtigt werden. Eine Grundabsicherung, die gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht, darf nicht durch Sanktionen gekürzt werden.

Der Hartz IV-Satz übernimmt derzeit die Funktion einer "Grundsicherung", ist aber nach unserer Auffassung zu niedrig. Wir setzen uns für eine Aufstockung auf 450 € ein. Die Zuverdienstgrenzen und das Schonvermögen für die Alterssicherung müssen deutlich angehoben werden.

Mit freundlichen Grüssen

Johannes Lichdi