Frage an Josef Göppel bezüglich Wirtschaft

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Josef Göppel
CSU
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Frage von Peter S. •

Frage an Josef Göppel von Peter S. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Göppel,

ich habe ein paar auf den ersten Blick möglicherweise ungewöhnliche Fragen. Hier auf abgeordnetenwatch.de kann man das genaue Abstimmungsverhalten der Politiker einsehen. Ich habe mich ein wenig mit dem Abstimmungsverhalten der Politiker meiner Region beschäftigt, um optimal auf die Wahlen im September vorbereitet zu sein. Dabei fiel mir auf, dass Sie gegen den Euro-Stabilisierungsfonds EFSF gestimmt haben. Ihre Parteikollegen haben fast allesamt dafür votiert. Hier meine Fragen:

1. Warum haben sie gegen den Rettungsfonds EFSF gestimmt?
2. Wie oft passiert es, dass die persönliche Meinung nicht mit der Parteimeinung übereinstimmt?
3. Inwiefern übt die Partei Druck auf das Abstimmverhalten ihrer Mitglieder aus und welche Freiheiten hat man als Politiker, wirklich nach eigenem Gusto abstimmen zu können?

Ich hoffe sehr, Sie können mir meine Fragen zeitnah beantworten.
Beste Grüße.

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Schulze,

vielen Dank für Ihre Mail vom 15. August 2013.

Bei der Abstimmung zum EFS-Rettungsschirm gab ich zusammen mit meiner NEIN-Stimme eine Erklärung ab, in der ich meine Gründe darlegte. Hier der Wortlaut:

"Deutschland übernimmt mit dem dritten Rettungsschirm eine Garantieverpflichtung von rund 190 Mrd. Euro. Das entspricht knapp 7,4% des deutschen Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2011. Allein das in jedem Fall einzuzahlende Kapital beläuft sich auf gut 21,7 Mrd. Euro. Die Übernahme dieser immensen Garantien geschieht, ohne dass damit eine wirksame Regulierung spekulativer Finanzgeschäfte verbunden wäre.

Das Marktversagen auf dem Finanzsektor ist die wesentliche Ursache der gegenwärtigen Krise. Der deregulierte Finanzmarkt ist der politischen Gestaltung entglitten. Täglich wird an den Börsen und außerbörslich mehr als das 100fache des Produktionswerts aller Güter und Dienstleistungen der Welt gehandelt. Solche Summen können mit Steuererträgen aus der Realwirtschaft nicht mehr aufgefangen werden. Immer neue Anleihen für immer neue Garantien treiben vielmehr die Schuldenspirale weiter an und bieten Ansatzpunkte für neue Spekulationsrunden. Die Rettungsmittel sind das Futter für weitere spekulative Angriffe gegen Länder des Euroverbunds.

Der beste Beweis dafür ist der Zwang zu fortlaufenden Erhöhungen der Bürgschaftssumme in den Jahren seit 2008. Wenn das bloße Verlangen nach immer höheren „Brand-mauern“ eine ganze Staatengemeinschaft vor sich hertreiben kann, dann liegt ein offenkundiger Systemfehler vor. Das Kapital dominiert die Politik.

Auch der Anstieg der Staatsschulden geht zum großen Teil auf die Bankenrettungsschirme des Jahres 2008 zurück. Steuergelder aus der Realwirtschaft mussten damals für die spekulative Gier von Banken und anderen Finanzakteuren einstehen.

Deshalb ist das Aufspannen von Rettungsschirmen ohne rechtliche Regulierung des Finanzsektors nutzlos und nicht verantwortbar. Wir brauchen eine Finanzmarktordnung, die spekulative Überhitzungen eingrenzt, hoch riskante Geschäfte verbietet und Finanzakteure zur persönlichen Haftung heranzieht. Der Finanzsektor muss seine Rettungsschirme in Zukunft selbst finanzieren!

Der wirksamste Schritt zur Stabilisierung des Finanzsektors ist international die Finanztrans-aktionssteuer. Sie muss vor der Vergabe weiterer Bürgschaften rechtlich verbindlich fixiert sein, damit ihre Einführung nicht wieder im Sande verläuft und Rettungsaktionen nicht immer wieder verpuffen. Genau das ist aber durch das Vorziehen des Beschlusses zur Errichtung des ESM nicht gegeben. Er schafft vollendete Tatsachen für die Zahlungsverpflichtungen Deutschlands ohne die Beteiligung der Finanzmärkte vorher abzusichern.

Die Studie der Finanzwissenschaftler Griffith-Jones und Persaud vom Mai 2012 belegt, dass die oft behauptete Verlagerung der Finanzgeschäfte aus Europa bei Einführung einer Finanztransaktionssteuer wirksam eingegrenzt werden kann. Der Ertrag der Steuer läge bei 60 Mrd. Euro jährlich. Damit würden endlich wieder Mittel für die Staatsaufgaben im sozialen, kulturellen und ökologischen Bereich frei. Zusätzlich ergäben sich positive Wachstumseffekte.

Ich bin entschieden für unsere Gemeinschaftswährung und deren Stützung. Das muss aber im Rahmen einer Finanzordnung geschehen, die den Grundwerten der sozialen Marktwirtschaft entspricht. Das ist jetzt nicht der Fall! Das Konzept des europäischen Stabilisierungsfonds bindet in großem Umfang allgemeine Steuermittel, die für andere öffentliche Aufgaben fehlen und konzentriert den Ertrag bei anonymen Finanzakteuren. Dieser ordnungspolitischen Fehlsteuerung kann ich nicht zustimmen. Die Politik muss ihre demokratische Gestaltungshoheit zurückholen, weil Machtlosigkeit gegenüber dem Markt und die Duldung einer faktischen Nebenregierung letztlich das Vertrauen in die repräsentative Demokratie zerstören. Die Entfesselung der Finanzmärkte wurde mit dem Finanzmarktderegulierungsgesetz 1989 von der Politik ausgelöst. Die Politik hat deshalb auch die Aufgabe, die dienende Funktion des Finanzsektors für das Gemeinwohl wieder herzustellen. Der jetzt eingeschlagene Weg schiebt eine durchgreifende Lösung auf anstatt sie zu beschleunigen.

Aus diesen Gründen lehne ich sowohl den Gesetzentwurf zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus als auch den Gesetzentwurf zu seiner Finanzierung ab."

Wie mein Abstimmungsverhalten für den EFSM zeigt, fühle ich mich als Abgeordneter meinem Gewissen verpflichtet. Ich habe auch in anderen Fällen danach gehandelt, auch wenn meine Fraktion anderer Meinung war. Leicht ist so etwas nicht.

Mit freundlichen Grüßen

Josef Göppel