Wie stehen Sie zum Wechselmodell (hälftige Betreuung nach Trennung und Scheidung) als Regelfall?

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Julia Klöckner
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Frage von Andreas W. •

Wie stehen Sie zum Wechselmodell (hälftige Betreuung nach Trennung und Scheidung) als Regelfall?

Sehr geehrte Frau Klöckner,

ich würde gern CDU/CSU wählen. Doch für die Zukunft unserer Kinder zählt nicht nur Klimaschutz, sondern auch der Schutz vor schweren seelischen Belastungen, darunter der unbehinderte Kontakt zu beiden Eltern nach deren Trennung. Der Elternkontakt wird nach Erkenntnis fast aller europäischen Staaten, sogar der konservativen Schweiz, am besten durch das "Wechselmodell" als gesetzlichen Regelfall gewährleistet, wenn Eltern im Streit um die Kinder vor Gericht ziehen. Nur in deutschen Familiengerichten ist das Residenzmodell (die hauptsächliche Betreuung meist durch die Mutter) noch mit über 80% die bevorzugte "Lösung". So verlieren Trennungskinder den unbehinderten Alltags-Kontakt zum anderen Elternteil, meist dem Vater. Nicht selten folgt der komplette Kontaktabbruch mit schwerwiegenden, lebenslangen psychischen Belastungen. Die FDP setzt sich für das Wechselmodell als gesetzlichen Regelfall ein. Können Sie sich dem anschließen, oder muss ich FDP wählen?

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Lieber Herr W.,

vielen Dank für die Frage. 

Es ist zutreffend, dass derzeit in Ermangelung einer gesetzlichen Festlegung die überwiegende Rechtsprechung der Gerichte das Residenzmodell als Regelfall wählt. Allerdings hat bereits das Bundesverfassungsgericht unmissverständlich darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber nicht verpflichtet ist, getrennt lebenden Eltern eine paritätische Betreuung als Regel vorzugeben. Voraussetzung für die Praktizierung des Wechselmodells ist insbesondere, dass zwischen den Eltern ein vernünftiges Maß an Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit besteht, die bisweilen leider fehlt. Gleichwohl hat auch der Bundesgerichtshof entschieden, dass ein Wechselmodell sogar gegen den Willen eines Elternteils angeordnet werden kann, sofern es dem Kindeswohl entspricht.

Die weit überwiegend positiven Erfahrungen im Ausland wie u.a. der Schweiz zeigen, dass das Wechselmodell viele Vorteile hat. Das Kind kann eine intensive emotionale Bindung zu beiden Elternteilen aufbauen, wodurch es die Trennung i.d.R. einfacher verarbeiten kann. Das Modell schafft Stabilität und erhält dem Kind beide Stammfamilien. Elternteile werden nicht auf bestimmte Rollen wie Wochenend-Papa und damit die Gefahr einer Entfremdung reduziert. Insbesondere wird auch die Kinderbetreuung durch die Verteilung auf beide Eltern als weniger anstrengend empfunden.

Dennoch müssen wir auch die Lebensrealitäten der Eltern betrachten. Das Wechselmodell ist eine gute Lösung, wenn Eltern es gemeinsam tragen. Wenn sie sich aber nicht einig sind, führt eine gerichtliche Anordnung oft zu Streit, der dann erst recht auf dem Rücken des Kindes ausgetragen wird.

Entscheidender Maßstab bleibt für uns immer das Kindeswohl. Die Einführung eines gesetzlichen Leitbilds ist daher schwierig.

In diesem Sinne herzliche Grüße,

Julia Klöckner

 

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