Wie stehen Sie zu dem Paragraphen *146 GVG* und der Feststellung *Politik und Medien in einer Hand, das schadet unserem Land*?

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Juliane Nagel
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Frage von Erhard J. •

Wie stehen Sie zu dem Paragraphen *146 GVG* und der Feststellung *Politik und Medien in einer Hand, das schadet unserem Land*?

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Ich kann leider die Fragestellung nicht verstehen, da es in § 146 GVG um die Weisungsbefugnis gegenüber Staatsanwält*innen geht. Einen Bezug zu Medien kann ich nicht feststellen. Ich antworte präventiv aber mit der Haltung der LINKEN zum Weisungsrecht gegenüber der Staatsanwaltschaft:

Vor knapp 16 Jahren, im September 2003 hatte die damalige PDS-Fraktion einen Antrag zum Thema "Situation und Rechtsstellung der Staatsanwaltschaften in Sachsen"  (Drs. 3/9251) in den Landtag gebracht, der nachdrücklich dafür plädierte, mehr Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft zu wagen und endlich dem Fakt Rechnung zu tragen, dass die Staatsanwaltschaft im modernen Rechtsstaat einen wesentlichen Stellungswandel im Gefüge der Gewaltenteilung erfahren hat.

Historisch gesehen entstand die Staatsanwaltschaft im Ergebnis der bürgerlichen, vor allem der französischen Revolution. Bis dahin nahm der Richter im Inquisitionsverfahren in Personalunion auch die Rolle des Anklägers wahr.

Von dieser mit der Vorstellung von einem unparteiischen Richter nicht zu vereinbarenden Funktion wurden die Richter durch die Einführung des Anklageprozesses, dem auch der Gedanke der Gewaltenteilung zugrunde liegt, befreit.

Und tatsächlich beschwert auch uns nach wie vor, dass die derzeitige, im 10. Titel des Gerichtsverfassungsgesetzes gesetzlich geregelte Stellung der Staatsanwaltschaften nahezu identisch deren Rechtsstellung nach dem Gerichtsverfassungsgesetz aus dem Jahr 1879 wiedergibt.

Seither unterliegen die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte unverändert einem unmittelbaren Weisungsrecht der Landesjustizverwaltungen, gleichwohl sie spätestens seit der frühen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19.03.1959 (BVerfG 9 Seite 223 ff.) und damit gleichzeitig in einem nach dem Grundgesetz ausgebauten demokratischen Rechtsstaat angekommen, ganz im Gegensatz zu ihrer Funktion im vorigen Jahrhundert und Jahrtausend im Gefüge der Gewaltenteilung notwendiges Organ der Strafrechtspflege geworden sind und damit weit entfernt von der klassischen Justizverwaltung tätig werden.

An dieser Auffassung halten wir fest, verkennen aber auch nicht, dass de lege lata, die Staatsanwaltschaft im Kern nach wie vor zur Exekutive gehört, weisungsgebunden ist und selbst keine rechtsprechende Gewalt ausübt, selbst dann nicht, wenn sie etwa durch Einstellungsverfügungen in Strafverfahren eigene Sachentscheidungen trifft.

Die §§ 146 und 147 des Gerichtsverfassungsgesetzes sind da eindeutig.

Worauf wir aber immer rekurrieren, ist, dass die Staatsanwaltschaft eine Institution sui generis ist, die nicht verwaltet, sondern auf Rechtsprechung hinarbeitet und damit zum Funktionsbereich der Rechtsprechung gehört und gemeinsam mit dem Richter auf strafrechtlichem Gebiet die Aufgaben der Justizgewährung erfüllt.

Und genau das setzt dem Weisungsrecht des Generalstaatsanwaltes und der Justizverwaltung im Grundsätzlichen und im Einzelnen Grenzen.

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