Frage an Karl-Heinz Florenz bezüglich Gesundheit

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Karl-Heinz Florenz
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Frage von Jörg W. •

Frage an Karl-Heinz Florenz von Jörg W. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Florenz,

im Internet habe ich Sicherheitsdatenblätter nach EG-Recht über Titandioxid gefunden.
Titandioxid (E171 bzw. CL 77891) ist vielen Dingen, die wir zu uns nehmen wie z.B. Nahrungsergänzungsmitteln, Arzneimitteln, Tabakerzeugnissen, aber auch Dragees, Kaugummis und Überzügen, Zahnpasta und Sonnenschutzmitteln zugesetzt. Viele Produkte wie Sonnenschutzmittel und Medikamente bekommt man nicht ohne Titandioxid.
Unter http://www.carl-jaeger.de/PDF/SD/TITAN.PDF stehen unter anderem folgende Warnhinweise eines Titandiox-Herstellers: “Basierend auf Inhalationsstudien an Ratten entschied das IRAC, dass „ausreichender Beweis für Karzinogenität von Titandioxid an Versuchstieren vorliegt“, daraus ergab sich die Gesamteinstufung der IRAC: „Titandioxid ist ein potenzielles Humankarzinogen (Gruppe 2b).“
Im Sicherheitsdatenblatt eines Herstellers des Lebensmittelzusatzes (!) Titandioxid (Handelsname: Titandioxid Pharma) gemäß 1907/2006/EG Artikel 31 ist unter Erste-Hilfe-Maßnahme u.a. angegeben: Nach Verschlucken: sofort ärztlichen Rat einholen (vgl. http://www.silbermann.de/download/SDB/49278200.pdf ).
Welchen Zweck sollen Sicherheitsdatenblätter nach EG-Recht haben bzw. was hat sich der Gesetzgeber dabei gedacht?

Mit freundlichem Gruß
Jörg Wende

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Wende,

vielen Dank für Ihre Frage zum Zweck von Sicherheitsdatenblättern, speziell für Titandioxid.

Zunächst einmal möchte ich Ihnen mitteilen, dass die Sicherheitsdatenblätter, die es bereits seit vielen Jahren gibt, nun in Artikel 31 der REACh-Verordnung geregelt werden. "REACh" steht für "Registration, Evaluation and Authorisation of Chemicals" (Registrierung, Bewertung und Zulassung von Chemikalien) und bezeichnet das neue - einheitliche - europäische Chemikalienrecht. Das Gesetz trat 2007 in Kraft, wird nun, Schritt für Schritt, eingeführt und macht - unter anderem - die Sicherheits-Datenblätter ein wenig ausführlicher.

Sie geben an, dass auf dem Sicherheitsdatenblatt zu Titandioxid darauf hingewiesen würde, dass "nach Verschlucken sofort ärztlicher Rat einzuholen sei" und zeigen sich hierüber sehr besorgt. Diesen Hinweis konnte ich auf den Sicherheitsblättern, die mir vorliegen, nicht finden. Auf den mir vorliegenden Datenblättern wird jeweils nur geraten "bei Beschwerden ärztlichen Rat einzuholen", was jedoch der allgemein üblichen Formulierung entspricht.

Es ist jedoch zu beachten, dass Zweck dieser Datenblätter nicht die Information von Verbrauchern ist; Adressaten dieser Sicherheitsdatenblätter sind nicht Verbraucher, sondern professionelle industrielle Abnehmer. Die Datenblätter werden direkt vom Vertreiber an die industriellen Abnehmer geliefert und fallen in den Verantwortungsbereich der Industrie. Die Informationen in den Datenblättern müssen also mit diesem Hintergrund gelesen werden - es geht nicht um Hinweise für die Verwendung in Verbraucherprodukten durch (End)verbraucher, sondern um Expositionen, wie sie zum Beispiel in der Produktion selbst auftreten können bzw. um Verwendungshinweise für die Industrie.

Wenn Sie sich zum Beispiel Sicherheitsdatenblätter für Vitamine oder Alkohol anschauen, sehen Sie, dass auch in diesen Fällen zahlreiche Sicherheitshinweise gegeben werden; allerdings auch in diesen Fällen für die industrielle Verwendung.

Zu Ihren weiteren Hinweisen: Titandioxid wird von der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) als "potenziell kanzerogen" eingestuft. Ob das Produkt jedoch wirklich krebserregend ist, ist damit noch nicht erwiesen. Ein Ausschluss einer krebserregenden Wirkung war bisher noch nicht möglich. Es besteht jedoch somit ein Verdacht - und diesem muss natürlich nachgegangen werden.

Es gilt, immer darauf zu achten, dass neue Forschungsergebnisse und Studien berücksichtigt werden und dass neue Verwendungsmöglichkeiten zusätzlich geprüft werden. Im Fall von Titandioxid ist ein Punkt, der in jüngster Zeit Bedenken erzeugt, seine Verwendung in Nanoform. Diesem Anliegen hat sich auch das Europäische Parlament gewidmet und auch hier setzt die neue REACh-Verordnung an.

Titandioxid ist "Altstoff" und trägt die EC/ EINECS Nummer 236-675-5. Nach der Vorregistrierungsliste der Europäischen Chemikalienagentur wird der Stoff sehr wahrscheinlich bis November 2010 registriert werden; Verzögerungen können sich jedoch unter Umständen noch ergeben. (Informationen über den Stoff sind auch im EINECS Register zu finden: http://ecb.jrc.ec.europa.eu/esis/index.php?PGM=ein.)

Die Tatsache, dass Titandioxid ein Altstoff ist und unter REACh registriert werden wird, bedeutet, dass ein umfangreiches Dossier mit wahrscheinlich deutlich mehr Sicherheitsinformationen (als bisher bei den Behörden vorliegend) an die Europäische Chemikalienagentur übermittelt werden wird, die sich um die Umsetzung der REACh-Verordnung kümmert. Grundsätzlich muss dieses Dossier dann auch Angaben über die Verwendung in Nano-Form enthalten, wenn ein Registrant den Stoff in dieser Form verwenden will. Eine solche Überprüfung kann dazu führen, dass so genannte "Risikomanagementmaßnahmen" (eventuell auch Beschränkungen in der Verwendung) eingeführt werden. Dies kann im Moment jedoch noch nicht abgeschätzt werden; auch der Zeithorizont ist noch unklar.

Auf Forderung des Europäischen Parlaments sind die entsprechenden Experten zudem dabei, zuverlässige Prüfungsverfahren für Nano-Materialien zu erstellen, damit wir auch in Bezug auf diese neue Art von Stoffen "sicher" sein können.

Meinem Kenntnisstand nach gibt es von deutscher Seite (vom Bundesinstitut für Risikobewertung) ebenfalls Bestrebungen, Titandioxid und seine Verwendung in Nanoform in Verbraucherprodukten zu überprüfen.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit diesen Informationen weiterhelfen und verbleibe

mit den besten Grüßen,

Ihr Karl-Heinz Florenz MdEP