Frage an Katja Kipping bezüglich Soziale Sicherung

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Katja Kipping
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Frage von Andreas M. •

Frage an Katja Kipping von Andreas M. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrte Frau Kipping,

wie schätzen Sie die Möglichkeiten ein gegen die Hartz4-Sanktionsregelungen Verfassungsbeschwerde einzulegen ?
Bietet die Linke da irgendwelche Hilfen (Musterschreiben, rechtlichen Beistand etc.) an ?
Danke schonmal im voraus

Mit freundlichen Grüßen,
A.Meyer

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Meyer,

vielen für Ihre Fragen.

Es gibt die Möglichkeit der Normenkontrollklage durch Abgeordnete. Dieser müssen sich aber mindestens 25% aller Mitglieder des Bundestages anschließen. Über so viele Sitze verfügt DIE LINKE allerdings nicht. Wir haben u.a. versucht, im Hinblick auf die neue Regelbedarfsfestlegung im letzten Jahr die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und die SPD-Fraktion für eine gemeinsame Normenkontrollklage zu gewinnen, allerdings ohne eine positive Reaktion zu erhalten.

Also bleibt noch die Möglichkeit der Individualklage, diesen mühseligen Weg durch die Instanzen können allerdings nur Betroffene beschreiten. Das Problem dabei ist, dass immer eine konkrete Sanktion vorliegen muss, um gegen diese vorzugehen. Uns erreichen von Erwerbslosenaktivisten die Signale, dass, sobald man sich in einer Weise gegen eine Sanktion wehrt, die auf eine lange Klagebereitschaft schließen lässt, dann die Sanktion plötzlich zurückgenommen wird. Das ist für den einzelnen Betroffenen auch gut. Allerdings ist dann ein weiterer Weg durch die Gerichte bis hin zum Bundesverfassungsgericht nicht mehr möglich, weil im Fall der Sanktion erst einmal die Betroffenheit auf der formalen Ebene der Zulassung entfällt. Trotzdem haben wir in Gesprächen mit Vertreterinnen und Vertretern von Sozialverbänden und Gewerkschaften immer dazu ermuntert, auch das Thema Sanktionen in Beratungsstellen stark zu machen. Mit Musterschreiben allerdings scheint mir aufgrund der komplizierten und in jedem Einzelfall unterschiedlich gelagerten Problematik nicht gedient.

Es gibt aber noch ein weiteres Problem: Wer die Geschichte der Rechtsprechung zum Thema Sanktionen (die gab es ja schon lange vor Hartz IV in der Sozialhilfe) kennt, weiß, dass die obersten Gerichte sich nicht trauten, diese für verfassungswidrig zu erklären. Es wurden immer wieder Gründe gefunden, Sanktionen bei Fehlverhalten zu akzeptieren (zum Beispiel wurde das schon einmal als sozialpädagogische Maßnahme beschrieben, um nicht in den Verruf zu kommen, das völkerrechtliche Verbot der Zwangsarbeit zu unterlaufen). Klar: Mit der Abschaffung der Sanktionen würde eine heilige Kuh des disziplinierenden bürgerlichen Sozialstaats geschlachtet werden. Das Repressionsinstrument, das direkt Betroffene und natürlich auch alle Lohnabhängigen einschüchtern soll, würde wegfallen. Vor diesem Hintergrund ist es möglich, dass die heutige Rechtsprechung Sanktionen weiterhin für zulässig erklärt - mit welchen Begründungen auch immer. Das könnte Wasser auf die Mühlen der Verfechterinnen und Verfechter des repressiven Sozialstaats sein. Uns erscheint es daher sinnvoller, politisch gegen die Sanktionen vorzugehen. Letztlich muss der Gesetzgeber die Sanktionsparagrafen streichen und in der Konsequenz natürlich die sogenannten Hartz-IV-Regelungen abschaffen. Dazu bedarf es in der Bundesrepublik einer breiten Debatte über Grund-, Bürger- und Freiheitsrechte. Ich denke, diese haben wir mit unserem Engagement gegen Sanktionen angeschoben.

Gern verweise ich auch auf die Vorbereitung einer Petition gegen Sanktionen unter www.sanktionen-weg.de .

Mit freundlichen Grüßen
Katja Kipping